Lea fragt Kazim nach Gott. Von Karlo Meyer

Lea fragt Kazim nach Gott

Christlich-muslimische Begegnungen in den Klassen 2-6
Karlo Meyer
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2006

Dieses Buch geht „dicht ran“. Schon das sympathische Titelfoto läßt erahnen, dass diese Beschreibungen christlich-muslimischer Begegnungen von besonderer Art sind. Lea und Kazim werden mit ihren Familien vorgestellt. Diese nehmen auch mehr oder weniger aktiv an dem dialogischen Prozess teil. In großer Offenheit werden hier privat-familiäre, schulische und religiöse Bezüge in den interreligiösen Dialog eingebracht.

„Kazim spielt gern Fußball. Als Stürmer seiner Mannschaft hat er schon einige Pokale gewonnen, einmal ist er sogar als bester Stürmer ausgezeichnet worden. Auch Computerspiele spielt er gern. Er hat schon einen eigenen Computer auf seinem Schreibtisch. Sein Lieb­lingsfach ist Geografie. Kazim geht am Wochenende regelmäßig in die Moschee. Er lernt dort, die arabische Schrift des Korans zu lesen, und kann diese schwierige Schrift schon ausgesprochen gut. Die Sprache Arabisch kann er noch nicht, aber allein die Worte lesen zu können, ist schon ein Anfang. Bald wird er mit Lesen den ganzen Koran durchge­gangen sein, dann gibt es ein kleines Fest“ ( 10). Kazim nimmt uns in diesem Buch mit zu interessanten Begegnungen im islamischen Kontext.

Über seine Dialog-Partnerin erfahren wir: „Lea geht regelmäßig in den Kindergottesdienst ihrer Gemeinde. Er findet immer am Freitagnachmittag statt. Auch zu Hause liest Lea gern in der Kinderbibel. Sie kann gut die Hälfte der Geschichten nacherzählen. Auch die Geschichten aus diesem Heft – von Mose am Dornbusch und von Samuel – kannte sie schon. Ob sie eine Lieblingsgeschichte in der Bibel hat, kann sie schwer sagen; es gibt einfach zu viele davon, die ihr gefallen. Die Mutter hat immer sehr viel Wert auf die christliche Erziehung gelegt. Sie hat Lea beigebracht, abends zu beten. Im Augenblick tut Lea das nicht besonders regelmäßig“ (11) Lea ist sozusagen „Gastgeberin“ von der christlichen Seite.

Karlo Meyer bringt diese Kinder, ihre Familien und ihre Lebenszusammenhänge in einen dialogischen Kontext, der sehr fruchtbar ist. Wir erfahren von den erfolgreichen Anbahnungen der Besuche in der Moschee und in der Kirche. Sein Programm ist anspruchsvoll, es will
1. Religion erleben lassen
2. Religion erzählen lassen
3. Religion erfahrbar werden lassen.

Wird damit der normale schulische Bereich nicht weit überschritten? Sicherlich geht diese Projekt deutlich über bisherige Kontakte zwischen staatlichen Schulen und Religionsgemeinschaften hinaus. Ganz bewusst wird hier aber eine Tiefendimension angestrebt, die religionspädagogisch bemerkenswert ist, nach Ansicht des Autors aber durchaus in schulische Kontexte passt. Angestrebt wird der Zugang zu folgenden Kompetenzen bzw. Erfahrungen: „Religionskundliche Kompetenz“ und „Existenzieller Herzschlag“. Die Verbindung bzw. die Überschneidung dieser beiden Zielbereiche macht das religionspädagogische Gelingen aus. „Erfahrungsorientiertes Lernen“ ist hier mehr als nur Worthülse. Der Erfolg ist nicht direkt planbar, jedoch kann das Arrangement sinnvoll auf dieses Ziel hinweisen.

Die Begegnungserfahrungen der beiden Kinder und ihrer Familien stehen unter dem religionspädagogischen Thema „Rufen und Gerufen-sein“. Wir Leser und auch die Schulklassen, die sich einem solchen Projekt öffnen, werden mit hinein genommen ins „Rufen und Gerufen-sein.“. Da gibt es sehr viel zu hören und zu erleben:

Gebetsrufe der Muslime, auch persönlich ausgeführt von Kazim; direkte Glockenerfahrungen im Kirchturm, beides angereichert mit Geschichten und Erlebnissen verschiedener Menschen. Hier helfen die Eltern auch beim Erzählen mit. Die Erzählvorschläge liegen als Anregungsmaterial bei. Genaue Anleitungen für Schulklassen vor dem Besuch der verschiedenen Einrichtungen sind auch abgedruckt. Das sind wichtige Ratgeber für Lehrkräfte, die noch am Anfang des interreligiösen Dialog stehen. Die Breite der angebotenen Themen eröffnet zahlreiche Möglichkeiten. Mit audio-visuellen Materialien und Bild- /Arbeitsblättern der beigefügten CD können Ergänzungen und Vertiefungen vorgenommen werden. Hier eine Übersicht über die CD-Materialien, die Karlo Meyer hinzugefügt hat:

Arbeitsblätter/Materialien (M)
Ml Wortschatz
M2 Gebetsruf in lateinischer Schrift
M3 Ein Minarett
M4 Rufe, denen ich folgen muss
M5 Waschungen
M6 Gebetsruf in arabischer Schrift
M7 Glocken mit ihren Tönen
M8 Botschaften eines Geläuts
M9 Die Glocke
M10 Interview – unsere Glocke
M11 Mose und der brennende Dornbusch
M12 Als Israel in Ägypten war
M13 Meine Bibel
M14 Was die Bibel für Lea bedeutet
M15 Allah in Schönschrift
M16 Arabische Verzierungen I
M17 Arabische Verzierungen II
M18 Arabische Verzierungen III
M19 Kalligrafie mit Tieren und Gegenständen
M20 Der Koran
M21 Die Bibel
M22 Interview Berufe(n)
M23 Gottes Wort und Gottes Duft
M24 Gottes Duft und Gottes Wort
M25 Gebetshaltungen I
M26 Gebetshaltung „Sadschda”
M27 Leas Abendgebet
M28 In Gottes Hand
M29 Gebetshaltungen II
M30 Gebete
M31 Eine Moschee
M32 Die Einrichtung der Moschee
M33 Unterschiede zwischen Christentum und Islam
M34 Guten Appetit!
Information: Feste der Muslime

Auf der CD sind weiterhin 21 Audio-Medien (Gebetsruf, Glocken, diverse Hörbeispiele), und diverse Bildaufnahmen der Kinder und Familien. Als Filmsequenz liegt bei: „Kazim betet“, hier als Beispiel für die Gebetshaltungen.

Damit erweist sich das Buch als ein reichhaltiges Erfahrungs- und Materialangebot, das von Lehrkräften in vielfältiger Weise genutzt werden kann. Nicht nur Schulklassen, auch Gemeindegruppen aus der Kinder- oder Konfirmandenarbeit können die Vorschläge dieses Buches mit Gewinn umsetzen.

Man darf gespannt sein und erwarten, dass diese Anregungen für die dialogische Praxis auf fruchtbaren Boden fallen. Gleichzeitig ist zu hoffen, dass Autor und Verlag den begonnenen Weg fortsetzen. „Rufen und Gerufen-sein“ ist thematisch ein guter Anfang. Der wartet auf Fortsetzung!
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Manfred Spieß
19.07.2006

 

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