Strittigkeit der Bilder

Jörg Jochen Berns:
Von Strittigkeit der Bilder. Texte des deutschen Bildstreits im 16. Jahr­hundert.

(Frühe Neuzeit 184)
Berlin: De Gruyter 2014.
Band 1: XII, 665 S. Band 2: S. 668–1348.

 

Sind Bilder eine Gefahr für den Glauben an den unsichtbaren Gott?
Streit unter den Reformatoren und den Altgläubigen im 16. Jh.

Eine Rezension von Christoph Auffarth

 

Die Sammlung von Texten ist eine hervorragende Zusammenstellung zur Bilderfrage der Reformationszeit. Die Sammlung vereinigt Texte aller Seiten: derer, die Bilder als Gefahr für den Glauben ansehen und sie kaputt hauen wollen, und denen, die darin Repräsentationen des Heiligen verstehen. Und die der dritten Seite, die als Humani­sten wie Erasmus von Rotterdam sich eher auf die antike Bildkultur beziehen. Dar­un­ter sind sonst selten oder noch nie in dem Zusammenhang präsentierte Texte. Die Einleitung I, 1-16 des Marburger Germanisten Jörg Jochen Berns ist eher technisch. Es geht in der Sammlung um programmatische Texte, pragmatische Lehr- und Anwei­sungsliteratur zu Perspektive, Malweisen etc.

Die Texte sind sehr sorgfältig ediert nach den Erstdrucken und überprüft nach neue­ren Editionen. Sie sind nur knapp mit Anmerkungen versehen.

1 [Anonymus], der spiegel des sünders [um 1480] 17-. 2 Johannes Butzbach / Ubers. JJB., De praeclaris picturae professoribus [1505] 23-. 3 Johann Geiler von Kaysersberg, Auszüge aus mehreren Schriften [1480–1510] 57-. 4 Albrecht Dürer, Aus den Entwürfen zum Lehrbuch der Malerei [1508 ff.] 69-. 5 Albrecht Dürer, Ästhetischer Exkurs [1528] 79-. 6 Andreas Bodenstein, gen. Karlstadt, Von abtuhung der Bylder [1522] 91-. 7 Hiero­nymus Emser, vorantwurtung auf das ketzerische buch Andres Carolstats [1522] 115-.
8 Martin Luther, Römerbrief-Vorlesung [1515/16] 165-. 9 Martin Luther, Auszüge aus zwei Predigten über die Adiaphorie der Bilder [März 1522] 169-. 10 Philipp Melanchthon, Der Bapstesel [1523] 177-. 11 Martin Luther, Deutung des Mönchskalbs zu Freiberg [1523] 183-. 12 Hieronymus Emser, Von dem Kalb zu Freyberg [1524] 191-. 13 Martin Reinhard, Bericht über ein Gespräch Luthers mit Rat und Gemeinde von Orlamünde [1524] 197-. 14 Martin Luther, Predigt zum Ersten Gebot [1525] 205-. 15 Martin Luther, Wider die himmlischen Propheten [1525] 219-. 16 Franz von Sickingen, Wie man die bild­nuß der Heiligen hin weg thun söll [1522] 233-. 17 Ludwig Hatzer, wie man sich mit allen götzen und bildnussen halten sol [1523] 237-. 18 [Ludwig Hatzer, Protokollant], gesprech anbetreffend die götzen und die meß [Oktober 1523] 249-. 19 Ulrich Zwingli u.a., Ratschläge betreffend Meß und Bilder [Dezember 1523] 269-. 20 Ruodolf Koch, Dass man bild mög haben [Jan. 1524] 273-. 21 Ulrich Zwingli u.a., Vorschlag wegen der Bilder und der Messe [Ende Mai 1524] 281-. 22 Hugo von Hohenlandenberg, Christenliche underrichtung die Bildtnüssen betreffend [Juni 1524] 285-. 23 Ulrich Zwingli u.a., Cristenliche antwurt dem herren Hugen [August 1524] 327-. 24 Hieronymus Gebwiler, Beschirmung des lobs Marie [1523] 347-. 25 Hans Fussli, Antwurt eins Schwytzer Purens [1524] 355-. 26 Martin Bucer, Ursach darumb die bilder sollen abgestelt werden [1524] 363-. 27 Martin Bucer, Das einigerlei Bild nit mögen geduldet werden [1530] 371-. 28 Martin Bucer, Kurze schriftliche Erklärung für die Kinder [1534] 387-. 29 Johannes Dietenberger, Wie man die Heiligen ehren soll [1524] 397-. 30 Johannes Dietenberger, Was man halten soell von bildnussen in der kyrchen [1530] 409-. 31 [Anonymus:], Histori von der Beurischen ufrur [ca. 1527–1530] 423-. 32 Johannes Buchstab, Von der bildnuß Gottes und seiner lieben heiligen [1527] 455-. 33 Berthold Purstinger, Teutsche Theologey [1528] 463-. 34 Heinrich Bullinger / Ubers. Philipp Mertzig, Vom Ursprung aller Irrthumben [lat. EA 1529, erw. 1539, dt. 1574] 479-. 35 Desiderius Erasmus von Rotterdam, Vier Stellungnahmen zur Bilderfrage aus den Jahren 1503 bis 1533 527-. 36 Paracelsus, Liber de Imaginibus [Datum unbekannt] 555-. 37 Paracelsus, Liber de Superstitionibus et Ceremoniis [Datum unbekannt] 577-. 38 Paracelsus, De septem punctis idolatriae christianae [ca. 1525] 591-. 39 Paracelsus, Liber de imaginibus idolatriae [ca. 1530] 601-. 40 [Anonymus], Klagrede der armen verfolgten Götzen und Tempelbilder [ca. 1530] 609-. 41 Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim / Ubers. Anonym, Fünf Kapitel aus De vanitate scientiarum [1530 / 1713] sowie ein Auszug aus der Apologia [1533] 621-. 42 Johannes Eck, Enchiridion Handbüchlin. Auszüge [1530] 637-. 43 Johannes Calvin / Anonymer Übersetzer, Summa der wahren christlichen Religion. Auszüge [lat. 1536 / 1559 /dt. 1586] 651-. [BAND 2] 44 Sebastian Franck, Der Bilder und Heyligen eer [1531] 667-. 45 Sebastian Franck, Paradoxa oder Wunderred, Auszüge [ca. 1534] 693-. 46 Poly­dorus Vergilius / Ubers. Marcus Tatius Alpinus, Von den erfyndern der dyngen. Auszüge [1499 / 1537] 703-. 47 Johannes Cochlaus, Von altem gebrauch des Betens [1544] 725-. 48 Francesco Petrarca / Ubers. Stephan Vigilius, Das Glückbuch, Beydes deß Guten und Bösen. Auszüge (1539) 749-. 49 Baldassare Castiglione / Ubers. Laurentz Kratzer, Hofman. Auszüge [1528 / 1565] 759-. 50 Caspar von Schwenckfeld, Der 97. Sendbrief [1553] 769-. 51 Martin Chemnitz / Ubers. Georg Nigrinus, Von den Bildern [lat. 1573, dt.1576] 775-. 52 Johann Fischart, des gemäls nuzbarkait [1576] 879-. 53 Theodor Beza, Von Reformation der Papistischen Kirchen [1588] 895-. 54 [An­onymus], Eiconoclasta. Dialogus oder Gespräch Von den Götzen [1597] 903-. 55 Jo­hann Arndt, Ikonographia [1597] 923-. 56 Simon Gedik, Von Bildern und Altarn [1597] 973-. 57 Matthis Quad, Von den berühmtesten Künstlern (1609) 1003-. 58 Hippolytus Guarinonius, Die Greuel der Verwüstung menschlichen Geschlechts, Auszüge [1610] 1019-.

Neben den zeitgenössischen Texten beziehen sich die Beiträge zum Bilderdiskurs immer wieder auf die beiden Referenztexte [59] Anonymus (König Salomon zugeschrieben), Drei Kapitel aus: Sapientia / Buch der Weisheit, [ca. 950, bzw. 50 v. Chr.] 1047-. Und [60] Gregorius Magnus / Gregor der Große, Drei Briefe zur Bilderfrage [2. Hälfte 6. Jh.] 1057-.

Natürlich könnte man sich noch andere Texte wünschen hinzufügen. Zu den Refe­renztexten Bernhard von Clairvaux aus der Apologia[1] oder und den programmati­schen Texten den von Christoph Pezel zur calvinistischen Bildertheologie im Con­sensus Bremensis 1595.[2] Aber die hier präsentierten Texten bieten eine umfangreiche Auswahl aus verschiedenen Perspektiven.

Die umfangreiche wissenschaftliche Analyse (S. 1065-1210, also 146 S., bescheiden, aber wenig treffend Nachwort genannt) gibt systematische Aspekte der Bilderfrage in der Reformation. (I., 1067-) Geschichtsbild und Quellen beginnt mit der Bibel, den Kirchenvätern, den Konzilien (schwacher Abschnitt! Es fehlen das zweite nizänische Konzil 787 und das Frankfurter Konzil 794). Sehr gut dagegen die Dis­kussion der „Gregorsformel“, also die Aussage Gregors des Großen (um 600 n.Chr.), Bilder seien „die Lesung und Schrift der Laien“ lectio et scriptura laicorum. (zu Text 60). Zu den Gottesdienstanweisungen bezieht sich JJB zurecht auf das Rationale des Durandus (um 1300),[3] aber nicht auf die Gottesdienstreformen der Reformation oder die Tridentinische Messe.[4]  (II., 1101-) Kunstgeschichte als Bildkultgeschichte bietet nicht, was der Titel verspricht; JJB behandelt vielmehr zeitgenössische Konzepte von christlicher Kunst im Unterschied zu antik-‚heidnischem‘ und jüdischem Bild im Kult. Die Aufnahme von Platons Kritik des Künstlers als Stümper mit Ausnahme des „schöpferischen“ Künstlers.[5] (III., 1114-) Die „nicht von Menschenhand geschaffenen Bilder“ ἀχειροποιητά, deren göttliche Herkunft sich in ihrer Fähigkeit zeigt, Wunder zu wirken. Gut die These über die Heiligkeit durch Gehen und Holen des Heiligen:

Die Zugänglichkeitsgrade der durch Pilgern zu erreichenden Bildwerke bestimmten deren unterschied­lichen Sakralitätsrang. Prinzipiell galt: Je ferner ein Bild, desto sakraler. Denn das Heil des Heiligen war immer anderswo. Deshalb musste, wer des Heils teilhaftig werden wollte, seine Kammer, seine Gemeinde, oft gar sein Land verlassen. Ob er es je erreichte, stand dahin. Er konnte das Heilige aber, selbst wenn er es haptisch und visuell nicht erreichte, womöglich, in geminderter Form, als Sekundärbild auch nach Hause tragen. Aus dieser … Spannung von Unerreichbarkeit und beutehafter Aneignung des gnadebereiten

Wall­fahrts­bildes erwuchs eine Menge von Bildarten minderen Sakralranges, … (S. 1124).

Das Gegenstück aber fehlt: Die Aufforderung, das Leben zu heiligen. Was im Mittel­alter den Mönchen vorbehalten war, wird durch die Reformation und Konfessionali­sierung Aufgabe jedes Christen. (IV., 1151-) HistoriaBilder legitimiert im lutherischen Bereich Bilder als Gedächtnishilfen für historische Ereignisse. Das ist eine wichtige Bildform, die nicht den Kult betrifft und als adiaphoron (harmlos, „nicht entschei­dend“ für den Glauben) gilt, doch wo wäre da die Bildproduktion von Cranach ein­zu­ordnen?[6] (V. 1162-) Christus- und Marien­ikono­graphie und deren latente Rivalität. (VI. 1182-) Zur Psychologie der Bildrezeption gibt JJB ein gutes Beispiel für Luthers Bezie­hung von Hören/Lesen und Sehen, von äußeren und inneren Bildern: 

So weys ich auch gewiss, das Gott wil haben, man solle seyne werck horen und lesen, sonderlich das leyden Christi. Soll ichs aber horen oder gedencken, so ist myrs unmuglich, das ich nicht yn meym hertzen sollt bilde davon machen, denn ich wolle, oder wolle nicht, wenn ich Christum hore, so entwirft sich yn meym hertzen eyn mans bilde, das am creutze henget, gleich als sich meyn andlitz naturlich entwirft yns wasser, wenn ich dreyn sehe, Ists nu nicht

sunde sondern gut, das ich Christus bilde ym hertzen habe, Warumb sollts sunde seyn, wenn ichs yn augen habe? syntemal das hertze mehr gilt denn die augen und weniger soll mit sunden befleckt seyn denn die augen, als das da ist der rechte sitz und wonunge Gottes. Luther 1525: Wider die himmlischen Propheten (Text 15).

(VII. 1192-) Zum Status des Künstlers im Bilderstreit[7] führt schnell weiter zur (VIII.
1197-) Zensur. Hier kommt das problematische Wort vor „das Bild wird magisch aufgeladen“ (1198). Über die Fähigkeit von Bildern, selbst zu handeln, wird gerade – unabhängig von der Frage des 16. Jh.s – in der Kunstwissenschaft diskutiert, v.a. Horst Bredekamps Bildakt (2010; ²2015).  Sehr inhaltsreich ist das Kapitel (VIII. 1197-) Zensur, wo es auch um einen innerkatholischen Streit geht, welche Bilder angemes­sen seien. JJB rät, den plakativen Begriff ‚Bildersturm‘ behutsamer zu verwenden. (1122). – Schluss (1212).

Einiges ist im Nachwort nicht angesprochen, was doch wohl grundlegend ist: Das Bilderverbot (auch nicht S. 1199). Die reale Entwicklung der Bildnutzung. Die kon­kreten historischen, lokalen, persön­lichen Situationen, auf die die Beiträge reagieren.[8] Es handelt sich um eher programmatische Schriften. Dafür bietet die Wahl verschie­dene Perspektiven (lutherisch, reformiert, altgläubig, humanistisch), In der Analyse erklärt JJB einige sonst weniger beachtete Themen wie die antike Mythologie (nicht die Allegorese), die Mnemotechnik, Zensur (statt des aufregenderen des Bilder­sturms).

Anhang: Quellen der Bildstreit-Autoren 1217-. Bibliographie 1250-. Namensver­zeichnis 1283-. Begriffs- und Sachverzeichnis 1295-.

Eine außerordentlich umfassende Textsammlung mit sorgfältiger Edition einheit­licher Qualität aus unterschiedlichen Perspektiven, auch eher seltener Texte. Das wird ein Referenzbuch für die programmatischen Beiträge zum Streit über die Legiti­mität oder gar die Notwendigkeit von Bildern für die religiöse Praxis.

11.März 2017                                                                     Christoph Auffarth

Religionswissenschaft

Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] Bernhard von Clairvaux: Apologia ad Guilelmum abbatem XII 28-30 [1125], in: SBO 3(1963) und Sämtliche Werke, lat.-dt. hrsg. von Gerhard B.Winkler. Innsbruck: Tyrolia 1992, 137-204, bes.192-201.

[2] Dieser Absatz ist in der neuen Ausgabe von Andreas Mühling in: Thomas Bergholz [et al.] (Hrsg.): Reformierte Bekenntnisschriften, Bd.3/1: 1570-1599. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2012, 303-313 nicht enthalten. So muss man auf die Ausgabe von Müller 1903 zurückgreifen. Consensus Bremensis 1595, [III 2] „Von abschaffung der Bilder und Götzen aus den Kirchen“. In Ernst Friedrich Karl Müller: Die Bekenntnisschriften der reformierten Kirche. Leipzig 1903, 739-799, hier 791,40-794.9. Dazu Rolf Gramatzki: Herr Christoph Pezelius und die Kunst in Bremen. In: Hospitium ecclesiae 26(2016), 69-92. Der Rezensent bereitet einen Aufsatz vor. – Berns erwähnt den Absatz aus der Sekundärliteratur mit falscher Angabe S. 1156f. Dabei geht es nicht um die Rezeption der lutherischen Pro­gram­matik in der reformierten Stadt, sondern u.a. darum, dass Allegorien (in Gestalt schöner, oft recht nackter Frauen) ein Geheimnis ausdrücken können, was man mit Worten nur unvollkommen aus­sagen kann.

[3] Jetzt vollständig übersetzt auf der Grundlage der kritischen Ausgabe von Anselme Davril und Timothy M. Thibodeau (1995-2000) Herbert Douteil, mit einer Einführung herausgegeben und bearbeitet von Rudolf Suntrup (Liturgiewissenschaftliche Quellen und Forschungen 107) 3 Bde, Münster: Aschendorff 2016.

[4] Die ausgezeichneten Bücher zur Gottesdienstreform in der Schweiz von Alfred Ehrensperger, meine Rez. http://buchempfehlungen.blogs.rpi-virtuell.net/2013/03/29/ehrensperger-reformation/ (29.3.2013)

[5] Dazu Auffarth: Das angemessene Bild Gottes: Der Olympische Zeus, antike Bildkonvention und die Christologie. In: Natascha Kreutz; Beat Schweizer(Hrsg): Tekmeria. Archäologische Zeugnisse in ihrer kulturhistorischen und politischen Dimension. Beiträge für Werner Gauer. Münster: Scriptorium 2006, 1-23.

[6] Etwa Katechismusbilder, s. Ruth Slenczka: Lehrhafte Bildtafeln in spätmittelalterlichen Kirchen. (Pictura et poesis 10) Köln: Böhlau 1998.

[7] Dazu etwa der Beitrag von Ruth Slenczka: Cranach als Reformator neben Luther. in: Heinz Schilling (Hrsg.): Der Reformator Martin Luther 2017. Eine wissenschaftliche und gedenkpolitische Bestandsaufnahme. (Schriften des Historischen Kollegs 92) München; Berlin: De Gruyter 2015, 133-157.

[8] Jetzt das umfassende Buch von Susanne Wegman: Der sichtbare Glaube. Das Bild in den lutherischen Kirchen des 16. Jahrhunderts. (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation 93) Tübingen: Mohr Siebeck 2016.

 

 

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