Religionsunterricht – Orientierung für das Lehramt. Herausgegeben von Rainer Lachmann, Reinhold Mokrosch und Erdmann Sturm


Religionsunterricht – Orientierung für das Lehramt

Rainer Lachmann (Hg.)
Reinhold Mokrosch (Hg.)
Erdmann Sturm (Hg.)
1. Auflage 2006 Vandenhoeck & Ruprecht

„Religionsunterricht – Orientierung für das Lehramt“ will zukünftigen Lehrerinnen und Lehrern einen Weg zur Bewältigung der Berufsausbildung bahnen. Längst nicht alles, was in einem mehrjährigen Lehramtsstudium Religion erarbeitet werden muss, kann in solch einem Band Platz finden. Die Fülle des Wissens, die zu erschließen ist, wächst ja ständig. Jedoch gibt es, aufs Ganze gesehen, wichtige „Essentials“, die ein solches Vorhaben rechtfertigen. Der Aufbau des Buches schließt sich den klassischen inhaltlichen Anforderungsbereichen an, die im Religions-Lehramtsstudium zu finden sind.

– An anderer Stelle kann und sollte diskutiert werden, ob die Religionslehrerausbildung auch künftig so „klassisch versäult“ sein muss. Sicherlich gibt es gute Gründe, künftig über eine stärkere Integration der Themenfelder auch für die Ausbildung nachzudenken. Die Schulbücher für das Fach sind hier schon deutlich voraus! –

Die Kapitel sind einheitlich gegliedert in „Sach-und Überblickswissen“, Arbeitsformen und –methoden, „Beispiele für das Studium“ und „Hilfen für das Studium“ (Tipps und Literatur).

Einführung in den Beruf einer Religionslehrkraft
„Ich werde Religionslehrerin, weil …“. Die Frage nach den beruflichen Erfordernissen wird von Rainer Lachmann an den Anfang gestellt. Hier wird erfreulicherweise kein Idealbild von der Professionalität der Religionslehrkraft gezeichnet. Die vielfältigen bildungspolitischen und kirchlichen Kontexte in Deutschland werden erörtert. Dabei ist auch Raum für kontroverse Diskussionen. Es wird nicht verschwiegen, dass Studierende häufig ein distanziertes Verhältnis zu traditioneller Kirchlichkeit haben. Die Chancen und die Probleme dieser Situation können, unterstützt durch die Materialien („Tabellen“), in den Seminaren aktuell erörtert werden.

Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts
Das Feld der Religionspädagogik wird im zweiten Kapitel vorgestellt. Hier werden viele Themen angesprochen: von wissenschaftstheoretischen Erörterungen über die Geschichte der Religionspädagogik zu aktuelleren Fragestellungen, etwa Korrelationsdidaktik und Symboldidaktik. Auch Ergebnisse der Jugendforschung werden präsentiert und zwei Unterrichtsthemen – „Gottesbilder“ und „Gewissen“ in Ansätzen religionsdidaktisch aufbereitet. Die Vielzahl der angesprochenen Themen ist spannend, jedoch auch verwirrend. Vieles kann nur kurz andiskutiert werden, hier sind weitere Vertiefungen zwingend erforderlich. Der vorhandene Platz, vierzig Seiten, reicht für die komplexe Thematik nicht aus! Die Studierenden sind hier aufgefordert, sich über die Literaturangaben weitere Kenntnisse zu verschaffen. Sympathisch und sinnvoll finde ich in diesem Kapitel von Reinhold Mokrosch: der Autor spricht die Studierenden im Buch direkt an und gibt – aus seiner langjährigen Erfahrung heraus – Hinweise für inhaltliche Vorhaben und Praxiseinheiten.

Biblische Theologie – Altes Testament + Neues Testament
Friedrich Johannsen führt in das Alte Testament ein. Die Studierenden erhalten einen Überblick über Hauptthemen der gegenwärtigen Forschung, und sie lernen Methoden der Bibelforschung kennen. Dabei sind auch die Informationstabellen sehr hilfreich. Am Beispiel der Psalmen und des Dekalogs werden bibeldidaktische Arbeitsformen in der Schule erörtert. Ähnliche Aufgaben stehen beim Neuen Testament an. Peter Müller erläutert die Entstehung der neutestamentlichen Schriften im Kontext der frühen Christenheit und stellt die inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Schriftsteller vor. Am Beispiel der Blindenheilung zu Jericho, Mk 10, 46-52, können die Studierenden eine differenzierte Fragehaltung gegenüber neutestamentlichen Texten erlernen und auf andere Texte übertragen. Als Kernthemen für den Unterricht sind hier beispielhaft genannt und kurz ausgeführt: Historischer Jesus, Gleichnisse, Wunder und Bergpredigt. Die fachdidaktische Umsetzung muss von den Studierenden im einzelnen überlegt und angewendet werden.

Historische Theologie
Die „Historische Theologie“ – vermittelt durch Ute Gause – bietet in diesem Buch Themen, die schulisch mehr in den Sekundarstufen I und II als in der Grundschule erörtert werden. Die Studierenden werden an Martin Luther herangeführt und erarbeiten sich auch Kenntnisse über Epochen der Kirchengeschichte. Hervorzuheben ist besonders das didaktische Vorhaben der „Längsschnittbetrachtung“, hier zum Thema „Christliche Frömmigkeit“. In der praktischen Religionspädagogik werden solche Erarbeitungsformen, die ja auch auf andere Themen übertragbar sind, nicht allzu häufig eingesetzt.
Die religiösen und theologischen Fragen verdichten sich besonders im Kapitel über die Systematische Theologie/Dogmatik. Für Lehrkräfte wie auch für Studierende sind diese Ausführungen besonders interessant. Diese Grundfragen tauchen ja im Religionsunterricht immer wieder auf und finden auch in den Religionsbüchern ausführliche Behandlung. Daher ist eine grundlegende Beschäftigung mit diesen Themen (Gottesfrage, Atheismus, Schöpfung, Christus, Gebet, Glaube …) von großer Bedeutung.

Systematische Theologie – Dogmatik
Erdmann Sturm
führt sachkundig und einfühlsam in die komplexe Thematik der „Dogmatik“ ein. Gegenüber einem möglichen „Fundamentalismusverdacht“, welcher heutzutage leicht bei diesem Thema aufkommt, betont der Autor: „Es gibt keine ein für allemal gültige, zeit- und situationsunabhängige Dogmatik. Sie steht immer im lebendigen Zusammenhang mit dem Wahrheitsbewusstsein einer Zeit“ (214). Die Leserinnen und Leser erhalten Basisinformationen über die Systematische Theologie und deren Vertreter. Dabei kommen auch kontroverse Auffassungen zur Sprache, wie etwa bezüglich der Gottesbezeugung in anderen Religionen. Es wird zum kritischen Lesen und selbstständigem Bedenken theologischer Fragestellungen aufgefordert. Insbesondere stehe dabei alte und moderne Glaubensbekenntnisse im Vordergrund. Es wird deutlich: eine Religionslehrerin, ein Religionslehrer muss die Augen und Ohren auch bei den Menschen der Zeit haben! Es gibt auch religiöse Fragen, auf welche die Theologie keine überzeugende Antworten hat! Befreiend und motivierend kann auch die klare Feststellung dienen: „Theologie … darf sich nicht mit dem verwechseln, was nur Gott selbst weiß. Sie ist Menschenwerk“ (225).

Ethik
Das Ethik-Kapitel wird von dem dafür ausgewiesenen Fachmann Reinhold Mokrosch erarbeitet. Angesichts der immer lauter werdenden Rufe nach ethischer Orientierung in der Schule und in der Gesellschaft stellt sich die Aufgabe der fachlichen Vorbereitung für Lehramtstudierende in besonderem Maße. Der Autor empfiehlt die intensive Beschäftigung mit dem „Wertprozessmodell“, dessen Implikationen ausführlich beschrieben werden (263-267). Für die fachdidaktische Einübung im Hinblick auf Grundschule und Sekundarstufe I wird das Thema „Frieden und Krieg“/“Gewalt“ vorgeschlagen. Für die Sekundarstufen I und II steht die „Sterbehilfe“ zur Diskussion. Zu den ethischen Themen gibt es in der religionspädagogischen Literatur zahlreiche Arbeitsmittel. Mokroschs Kriterien helfen bei der situationsbezogenen Auswahl für die Schule.

Religionswissenschaft
Als wichtiger Teil der Religionslehrerausbildung wird im Arbeitsbuch schließlich die „Religionswissenschaft“ vorgestellt. Johannes Lähnemann beschreibt anschaulich und klar den Paradigmenwechsel, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten dieses Arbeitsfeld neu geprägt hat: von der „Fremdreligion“ zum interreligiösen Dialog! Die Lehramtsstudierenden haben heute oft lebendige Erfahrungen im Umgang mit anderen Religionen und Kulturen. Dieser neue Horizont sollte für die Ausbildung fruchtbar gemacht werden. Lähnemann postuliert eine religionskundliche Grundbildung auch im Hinblick auf notwendiges Zukunftswissen: „Viele Weltvorgänge sind ohne Kenntnisse in diesem Feld nicht zu verstehen“. Die Leser werden im Bereich des Sach- und Überblickwissens komprimiert in die Grundlehren und Hauptbezüge folgender Religionen eingeführt: Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus. Diese Kapitel haben (wertvollen!) Erstinformationscharakter und sollen, quasi wie eine Schnuppereinheit, zu vertiefendem Studieren und persönlichem Entdecken herausfordern. Um den künftigen Lehrkräften die Möglichkeit zur Gewinnung einer eigenen Orientierung zu geben, sind die Erörterungen über das Verhältnis von Theologie, Glaube und Religionswissenschaft notwendig und hilfreich (334-341). Es folgen differenzierte Anregungen zum Umgang mit spezifischen Religionsfragen und zum interreligiösen Dialog mit seinen verschiedenen Facetten.

Fazit:
„Religionsunterricht – Orientierung für das Lehramt“ bietet in seinen Themen und in seiner gesamten Anlage viel Material zum Studieren, zum Diskutieren, zum Vertiefen und zum eigenen Ergänzen. Das Buch kann sowohl in Lehrveranstaltungen des ersten Studienjahres, aber auch in religionsdidaktischen Fachkursen, die sich weiterführenden Fragestellungen widmen, eingesetzt werden. Die tabellarischen Übersichten strukturieren die Themengebiete und bieten gute Diskussionsmöglichkeiten (Folieneinsatz!). Unerlässlich ist die Vertiefung der einzelnen religionsdidaktischen Themen durch die angegebene Literatur. Hier eröffnen sich auch weitere Arbeitsmöglichkeiten für Referate, Hausarbeiten, Gruppenarbeiten und Präsentationen im Seminar und im Schulpraktikum. Das Buch kann in großen Teilen auch in der Lehrerfortbildung gute Dienste leisten. Neben den bibelwissenschaftlichen und ethischen Fragestellungen wäre diesbezüglich besonders das neuere Feld „Religionswissenschaft“ von Interesse.

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Manfred Spieß
30.09.2007

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