Die Anfänge des Christentums. Herausgegeben von Friedrich Wilhelm Graf und Klaus Wiegandt

Die Anfänge des Christentums

Friedrich Wilhelm Graf; Klaus Wiegandt (Hrsg.)
(Forum für Verantwortung [7]) Frankfurt am Main: Fischer Tb 18 277, 2009. [505 S. 13.95 Euro.

Das Buch ersetzt kein Lehrbuch, um umfassend und systematisch ein Thema zu erarbeiten. Aber als Einführung in die verschiedenen Felder der Anfänge des Christentums ist der Band vorzüglich gelungen. Man versteht die aktuellen Fragestellungen, über die in der Forschung diskutiert wird – ohne in Schulenkämpfe einzuführen, findet viel primäre Texte zitiert. Im Augenblick der beste Sammelband zum Thema – schon gar zu dem günstigen Preis. Es lohnt sich, dieses Buch zu haben und zu studieren.

In manchem kommt es an ein Lehrbuch heran. Sogar Griechisch ist Griechisch geschrieben, leider mit einigen Fehlern.[1] Um es als Lehrbuch benutzen zu können, muss man die Quellen daneben legen. Es geht weitgehend um intellektuelle Theo­logie; es fehlt an Religion, an den Ritualen, den Festen, es fehlt an Anschaulichkeit in Form von Karten, es fehlt das ganze Gebiet der Architektur und der Bilder.

Aber für alles Übrige ist zweifellos die Exzellenz versammelt derer, die zu dem Thema etwas zu sagen haben. Mir fiel auf, dass der Band zwar von einem der profi­liertesten Vertreter eines liberalen Protestantismus herausgegeben wurde, die Zahl der Autoren aus der katholischen (6) wie der evangelischen Seite (7) sich fast die Waage halten, dass aber in den meisten Beiträgen Bezug genommen wird auf den Papst und seine Meinung über das Christentum: eine moderne dogmatische Be­wer­tung, nicht die Vielfalt der Christentümer. Schon gar nicht eine historische Bewer­tung der „Anfänge des Christentums“. Schließlich Kurt Flasch als Schlusspunkt des Bandes: Wie immer liest man als Kenner seine gegen den Strich gebürstete Über­fliegergeschichte und die scharf profilierten Gegensätze mit einigem Vergnügen, aber die notwendige Korrektur seiner Thesen fehlt, etwa und besonders was das – schlicht falsche – Bild Luthers (und damit des Evangelischen) angeht. Hätte er mal den Beitrag von Roland Kany über Augustin gelesen! Und all die anderen guten bis vorzüglichen Beiträge: Annette Merz über den historischen Jesus, Hans-Josef Klauck über die (auch die apokryphen) Evangelien. Oda Wischmeyer über Paulus, Thomas Söding über das Zweigestirn Petrus und Paulus (religionsgeschichtlich wären die anderen Apostel genauso wichtig und die Gattung der ‚Apostelgeschichten’), Udo Schnelle über die Kanonbildung, Reinhard Feldmeier zu der Soziologie der lokalen Kirchen, Jan Christian Gertz über das Alte Testament als Teil des christlichen Kanons. Lindemann darüber, wie der Brief an die Thessalonicher zur Heiligen Schrift für alle Christen wurde, Hartmut Leppin über christliche Ordnungsvorstellungen (warum das katholische Wort und Konzept ‚Pastoral’?), Hans Reinhard Seeliger über die Märtyrer, Hubert Cancik zu Konzepten von „Reichsreligion“ (ein religions­wissen­schaftlicher Kabinettstück!) Christoph Markschies zur Hellenisierung des Christentums und der großartig Beitrag von Roland Kany zu Augustin. Beim Coge intrare! (Zwinge sie zum Eintreten) finde ich ihn allerdings zu positiv für den Kirchenvater angesichts der Gewalt gegen die eigens dafür erfundenen Ketzer: Wieviel Verschiedenheit darf in „dem“ Christentum sein?

Im Unterschied zu den bisherigen Bänden der ausgezeichneten Reihe des Forums für Verantwortung ist dieser Band einer einzigen Religion gewidmet und das in ihren Anfängen. Die Fragestellung lässt die Gegenfrage stellen: Würde man das auch für den Kontext des sich formierenden Islam fragen im ersten und zweiten Jahrhundert nach Mohammed? Diese Frage wäre außerordentlich reizvoll und würde in eine lebendige und kontroverse Diskussion einführen. Die Entscheidung für Christentum und für Anfänge lässt eine normative Setzung vermuten: ‚unsere’ Religion in ihrem idealen und originalen Zustand. Während sonst der vergleichende Blick, der Kontrast und die Auseinandersetzung das Interessante an den Bänden der Reihe war, fehlt der Vergleich hier. Christen blicken auf ihre Religion; von der „Bedeutung der Alten Kirche für die Christentümer der europäischen Gegenwartsmoderne“ – so hieß die nicht dokumentierte Abschlussdiskussion – ist nichts präsent in dem Band; die Einleitung enttäuscht in der Hinsicht.

Christoph Auffarth,
Religionswissenschaft
Universität Bremen
21.02.2010

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[1] Seit 412 ἐλληνισμὸς οὔπω, S. 406 lat. propius (nicht proprius). S. 93 griechisch dagegen in Umschrift. Dass in der Einleitung einer der Autoren falsch (Feldmeier  S. 16 mit y) geschrieben wird, dass Cancik und Glenn Most als „Althistoriker“ statt Latinist oder Cancik besser noch Religionswissenschaftler und Gräzist bezeichnet wird, wofür ist das ein Zeichen?

 

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