Carola Jäggi: Ravenna

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Carola Jäggi: Ravenna.
Kunst und Kultur einer spätantiken Residenzstadt. Die Bauten und Mosaiken des 5. und 6. Jahrhunderts
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Regensburg: Schnell + Steiner 2013.
[333 S. 978-3-7954-2774-0*Pb. : EUR 29.95]

Ravenna, das Juwel des spätantiken lateinischen Europa

 

 

       

Zusammenfassend: Ravenna ist der Ort, an dem im 5. und 6. Jahrhundert einzig-artige Kirchen und Mosaiken entstanden. Alle nebeneinander in einem Band, der exzellente farbige Abbildungen und didaktisch selbst erklärende Karten und Grundrisse mit einem sehr präzisen Text verbindet: Handbuch und Reiseführer in einem.

Im Einzelnen: Ravenna ist einzigartig: die Stadt im sumpfigen Schwemmland des Po nahe der Adria-Küste war seit 402 der Zufluchtsort und Hauptstadt für den Westen des Römischen Reiches (410 wurde Rom eingenommen und geplündert). Theoderich regierte von dort das Königreich Italien. Und dann war die Stadt der Hafen in Italien für die Kaiser des (verbliebenen Ost-) Reichs, die sog. Byzantiner. Alle haben gro߬artige Bauten, v.a. Kirchen und Ausstattungen hinterlassen, nicht zuletzt die Mosai¬ken. Der Reichtum der Spätantike im 5. und 6. Jahrhundert ist hier versammelt. Die Fülle der Räume und Bilder ist in dem Buch von Carola Jäggi handlich zusam¬men¬gefasst, sehr gute Abbildungen versammeln alte Aufnahmen, neue brillante Farbfo¬tos (interessanter Weise ist die Perspektive des Betrachters auf die vielleicht 6 und mehr Meter höher angebrachten Mosaiken beibehalten, obwohl es Aufnahmen vom Gerüst ‚auf Augenhöhe‘ gibt: m.E. die richtige Entscheidung), Gesamteindrücke wie Details, Rekonstruktionen, Grundrisse und – was man vermisst, wenn man die Kirchen betritt, – die Kreuze, Kelche oder etwa den ungeheuer wertvollen Bischofs¬thron des Maximianus. Was man vor Ort gar nicht alles sehen kann und was getrennt in den Kirchen und im Mu¬se¬um steht, hier ist es handlich, gleichwohl hand¬buchmäßig vollständig, didaktisch übersichtlich, anschaulich und präzise auf den Punkt gebracht. Gleichzeitig kann man es zu Hause als wissenschaftliches Handbuch wie vor Ort als Reiseführer benutzen – und genießen: Bildband und Handbuch in einem.
Nun also zum Text. Das Handbuch von Friedrich Wilhelm Deichmanns hat die Grundlagen geschaffen, aber ist teils eigenwillig, jedenfalls in die Jahre gekommen. CJ, Professorin für spätantike Kunstgeschichte, seit kurzem in Zürich, zitiert (farblich hervorgehoben ‚im Kasten‘) ausführlich die Quellen, beschreibt, was man auf den daneben stehenden Abbildungen bei genauem Hinsehen erkennen kann. Sie nimmt Bezug auf Kontroversen in der Forschung und begründet knapp, welche sie bevorzugt. Die aktuellen Forschungsbeiträge sind in den (winzig gedruckten) Anmerkungen genau vermerkt. Wie kam der gewaltige Schlussstein des Mausoleums des Theoderich auf das Gebäude? Die Lösungsansätze sind bildlich vorgestellt (213-216). Die Frage, wie man arianische Christen in der Architektur erkennen kann, beantwortet CJ auf S. 200: gar nicht. Die Mosaikenfolge in San Apollinare nuovo in schlichten Zeichnungen, dafür vollständig und mit kurzen Titeln auf S. 184-187. Auch hier wieder: didaktisch klug auf wenig Informationen einer Karte beschränkt, und die noch farbig hervorgehoben.
Ein Glücksfall! Da haben eine exzellente Wissenschaftlerin und ein begeisterter Verleger ein Buch geschaffen, das ideal ist als Handbuch wie als Reiseführer; zum Sehen und als Erklärung der Details und der historischen, architektonischen und lokalen Zusammenhänge. Ravenna erweist sich als das Juwel der Kunst im 5. und 6. Jahrhundert mit einer durchaus charakteristischen eigenen Sprache der Mosaiken und Bauten, die dennoch in Kenntnis der zeitgenössischen Kunst im Westen und im Osten des spätantiken römischen Reiches geschaffen wurde.

5. August 2013 Christoph Auffarth
Religionswissenschaft
Universität Bremen

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