Dochhorn: Testament Jakobs – Grypeou: Apokalypse Adams

Apokalypse Adams von Emmanouela Grypeou
Apokalypse Adams von Emmanouela Grypeou
Testament Jakobs von Jan Dochhorn
Testament Jakobs von Jan Dochhorn

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wissen aus dem Jenseits: Apokalypsen der ‚ersten Menschen‘

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Jan Dochhorn: Testament Jakobs.

(Jüdische Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit, Neue Folge, Band 1, Apokalypsen und Testamente, Lieferung 7) Gütersloh: Gütersloher Verlags-Haus 2014. [XII, 127 S.]

Emmanouela Grypeou: Apokalypse Adams.

(JSHRZ nf 1,2) 2015. [VII, 78 S.]

 

Kurz: Zwei neu – hervorragend – erschlossene Texte der apokalyptischen Literatur.

Ausführlich: 1. Die Reihe der Jüdischen Schriften aus hellenistisch-römischer Zeit hat in ihrer ersten Folge in fünf dicken Bänden und insgesamt 40 Lieferungen[1] wichtige Bücher in deutscher Übersetzung und historisch-literarischem Kommentar zugäng­lich gemacht, die teils in dem Kanon der katholischen Bibel gedruckt, von Luther aber unter die Apokryphen gerechnet wurden. Ihre Kenntnis ist nicht nur für das Judentum der Zeit nach der Hebräischen Bibel von Bedeutung, sondern auch für das entstehende Christentum und die Auseinandersetzung mit den fremden Herren, erst den Erben Alexanders des Großen, dann dem Römischen Imperium. Eine besondere Rolle spielt dabei eine Literaturgattung, die Apokalypsen. Unter der Verkleidung einer Weissagung über die Zukunft steckt eine scharfe Kritik der herrschenden Verhält­nisse, die zu ändern man allerdings nicht die politische und militärische Stärke hat. Wurden in der ersten Folge der JSHRZ schon 9 Apokalypsen neu erschlossen, so sind in der neuen Folge bereits wieder 9 Schriften dieser Gattung zuzuordnen.

  1. Die Apokalypse Adams gehört zu der Bibliothek von Schriften der Gnostiker, die im ägyptischen Kloster Nag Hammadi gesammelt wurden, um sie zu bekämpfen. Sie sind in koptischer Sprache geschrieben. Der Kirchenvater Irenäus von Lyon hat um 180 n.Chr. deren Lehre (in griechischer Sprache) polemisch vorgestellt. – Seinem Sohn berichtet Adam „Als Gott mich zusammen mit Eva aus der Erde schuf, wan­del­te ich also mit ihr in Herrlichkeit, die Eva erkannt hatte. … Wir waren erhabener als der Gott, der uns schuf.“ Welch ein Beginn! Und so steht das nicht in der Bibel, der Text ist also eine gnostische[2] Korrektur. EG nennt diesen Vorgang des Um-Schreibens (re-written bible) „radikal transformiert“.[3] Später verlieren sie die Herrlichkeit und müssen sich dem biblischen (bösen) Schöpfergott unterordnen. Sie entdecken ihre Sexualität, müssen dafür aber früher sterben. Adam hat erst mit 130 Jahren einen Sohn mit Eva, den Seth. Evas frühere Kinder sind von den Archonten und Kain vom Teufel in Gestalt der Schlange (die Vermutungen über die Kinder Evas, s. S. 43f, Anm. e). Immer wieder werden Jungfrauengeburten hervorgebracht in verschiedenen Königreichen, beginnend mit der Sintflut und Noah; zielt das auf Marias Sohn Jesus, also christlich besetzt? EG ist es gelungen, den schwierigen Text mit anderen jüdischen und christlichen Texten zu vergleichen und zu erklären. Besonders jüdische Texte sind dem Autoren oder Autorin bekannt, die er/sie jedoch erheblich um-schreibt. Vieles gemeinsam mit dem christlich-gnostischen Ägypter-Evangelium (EG 10), aber eindeutig Christliches ist sehr schwach vertreten (zur „Taufe“ EG 10-12). Ohne die alternativen Deutungen auszuschließen, tendiert EG zu einer frühen, vorchristlichen, mit jüdischer Exegese bestens vertrauten Autorschaft.

Im Testament Jakobs kündigt der Engel dem Jakob, der dritte in der Reihe Abraham-Isaak-Jakob, sein Sterben an, er solle sein Testament machen (f 178r;[4] S. 89). Der Engel erklärt ihm, er sei seit Kindheit, seit dem Segen von seinem Vater Isaak, bei ihm gewesen. Auch als er nach Ägypten zu seinem Sohn Joseph umzog. Und er wird, verspricht er, auch bei seinen Kindern in Ägypten blieben, die sich sorgen, denn sie „sind Gäste in einem fremden Land“ (f 181v; 97). An zwei Stellen ist eine Liste zu finden mit den Sünden, für die man im Jenseits schrecklich bestraft werde, z.B. für Abtreibung (f 183v; 103-105; f 188v; 117). Das Testament (Inhaltsgliederung S. 39f) ist eher eine Paränese an die Gemeinde in Ägypten mit wenigen Jenseitsvisionen (vgl. Anm. 5s und 5t zu den „Zelten des Lichtes“), verdanke sich, so der Text, der Aufzeichnung des berühmten Kirchenvaters aus Ägypten, Athanasius (7,1-8,4). Es entstammt nicht, wie bisher gelegentlich angenommen wurde, dem antiken Judentum, sondern der koptisch-christlichen Kirche des frühen Mittelalters. Geschrieben etwa 930 n.Chr. (55). Die Rezeption des Textes im bohairischen Dialekt des Koptischen in christlich-arabischen, christlich äthiopischen und jüdisch-äthiopischen Handschriften hat JD gut dokumentiert.

Beide Übersetzungen mit Einleitung und Kommentar führen umfassend in die oft sehr weit auseinanderliegenden Forschungsmeinungen ein. Die wichtigen Begriffe sind in den Originalsprachen angegeben und erklärt. Die Kommentare sind hervor­ragend erschlossen durch Indices einschließlich einer systematischen Themen-Erschließung.

  1. Januar 2016 Christoph Auffarth

Religionswissenschaft. Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] Lieferung nennt man, wenn ein wissenschaftliches Werk nicht als Ganzes veröffentlicht wird, sondern in Teilen ‚geliefert‘ wird, die der Buchbinder später zu einem Band zusammenbindet. Die Lieferungen der JSHRZ sind aber in vielen Fällen nicht nur Hefte, sondern ganze Bücher für sich.

[2] Gnosis heißt „Erkenntnis“; das Wort wird immer neu variiert. Dass eine Frau die Erkenntnis hat, dass sie Sophia Zoe (griech. σοφία Weisheit, Hebräisch , ζωή Leben als Wiedergabe des Hebräischen Eva חוא) genannt wird, ist auffällig, aber für die Gnosis nicht ungewöhnlich.

[3] Zu diesem Problem hat EG 2005 ihre Dissertation veröffentlicht und seither das bedeutende Buch (zusammen mit Helen Spurling) geschrieben The book of Genesis in late antiquity: encounters between Jewish and Christian exegesis. Leiden 2013. Der Name der Verfasserin Emmanouela Grypeou ist hier mit den Initialen abgekürzt EG; ebenso Jan Dochhorn mit JD.

[4] Wenn aus einer Handschrift zitiert wird, dann wird nicht die Seite, sondern das Blatt f (folium) genannt und Vorderseite v oder Rückseite r, in der Regel hochgestellt [wird in Word geschrieben mit Taste strg + Taste +, dann die Buchstaben]; danach die Seite der Ausgabe.

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