John Witte: Reformation und Recht

Recht und Protestantismus von John Witte

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  • John Witte: Reformation und Recht. Rechtslehren der lutherischen Reformation.
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Dagmar Kelle. Gütersloh: GVA 2014 [Originalausgabe 2002]
  • John Witte: Die Reformation der Rechte. Recht, Religion und Menschenrechte im frühen Calvinismus.
    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Annette Glaw. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Theologie 2015. [Originalausgabe 2007]

Die Reformation legt die Grundpfeiler
für die modernen Rechte des Individuums

Eine Rezension von Christoph Auffarth

 

Kurz: Zwei Bände, die aus amerikanischer Sicht zu zeigen versuchen, dass mit der Reformation, weniger durch Luther, vor allem aber durch den Calvinismus die Grundlagen gelegt worden seien für die Individualrechte der Menschenrechte. Das ist richtig, aber zu einseitig.

Ausführlich: Im Blick auf das 500-Jahre-Jubiläum der Reformation 2017 stellt sich die Frage, was hat die (lutherische)[1] Reformation verändert und was bleibt. Was there a “the reformation”? fragte Joachim Hillerbrand. Hat die Reformation auch die anderen Lebensbereiche erfasst oder nur die Religion? Etwa: war sie auch eine Reformation für Frauen?[2] Eine Antwort gibt John Witte[3] in den zwei Bänden zur Reformation des Rechts im lutherischen[4] und im calvinistischen[5] Bereich.[6] Seine Antwort ist: Sie legte die Fundamente, aus denen die modernen individuellen Rechte, die Rechte, die ein Mensch als Mensch besitzt (nicht die ein Staat ihm gewährt), entwickelt wurden. Das legt er besonders im zweiten Band dar, der von Calvin bis zu den Menschenrechtskatalogen der englischen 1689 und amerikanischen Revolution 1789 in der Bill of Rights, in der Verfassung von Massachusetts und seither in vielen Verfassungen steht. Wohl haben die (katholisch geprägten)[7] Revolutionäre in Frankreich die ‚trans-atlantische‘ Revolution wahrgenommen, als sie ihren Menschen- (Männer-)Rechtskatalog formulierten, aber gibt es da noch einen anderen Strang in der von JW als „eine neue Geschichte des westlichen Rechts“ skizzierte Entwicklung? Die Tradition der „Würde“ dignitas aus der antiken, v.a. stoischen Tradition (Cicero; Seneca), in der Renaissance und der neu-stoischen Philosophie verstärkt, in der Aufklärung umformuliert und dann zum Spitzensatz des Grundgesetzes wurde: Die „Würde des Menschen ist unantastbar“.[8] Diesem weitgehend optimistischen, aber im Blick auf die ‚klassischen‘ Oberschichten formulierten Menschenbild mit einem Vertrauensvorschuss steht in der christlichen Religion seit der Spätantike bis zur Aufklärung und darüber hinaus ein Misstrauen entgegen, dass Menschen eher vom Bösen bedroht und leicht verfallen sind. Dieser religiöse Vorbehalt gegenüber dem als existent geglaubten und durch Vertrag, Verfassung und Gewaltmonopol des Staates nicht besiegbaren Bösen fehlt bei JW. Das ist ein wesentliches Problem in dieser „neuen Geschichte des westlichen Rechts“.[9] JW ist nicht unkritisch zu der religiös begründeten Häretikerjagd, zur Rechtfertigung der Sklaverei, der Abwertung Menschen anderer Hautfarbe oder Frauen, will und kann diese Kritik aber nicht integrieren. Trotzdem eine wichtige amerikanische Stimme,[10] die die Bedeutung der Reformation nicht nur für einzelne Menschenrechte wie Religionsfreiheit, Gewissensfreiheit, freie Meinungsäußerung herausarbeitet, sondern wie sie das Prinzip festgestellt hat: Menschen besitzen als Menschen (als Geschöpf und Ebenbild Gottes) Rechte.

In der ‚zweiten Generation der Menschenrechte‘ wurde aus den Erfahrungen der Diktaturen und des Zweiten Weltkriegs etwa das Asylrecht formuliert. Während die UN die Kompromissformel aufnahm in den Menschenrechten am 10. Dezember 1948: Everyone has the right to seek and to enjoy in other countries asylum from persecution (d.h. wenn ein anderer Staat es ihm gewährt, darf kein Herkunftsstaat es dem Individuum wieder nehmen), hat das Grundgesetz der BRD ein halbes Jahr später sich bekannt: Politisch Verfolgte genießen Asylrecht (Art. 16 GG): Hier ist es ein individuelles Recht, das jeder Mensch, gesetzt er wird verfolgt, besitzt. Das ist ein wichtiges Beispiel für Rechte, die einerseits der Staat gewährt im UN-Katalog – und Rechten, die jedes Individuum besitzt, andrerseits im GG.[11]

Band 1: Die Rechtslehren der lutherischen Reformation. Der erste Band arbeitet eine gewichtige These heraus: Sie setzt sich mit der Aufsehen erregenden und vielfach wiederholten These auseinander, die v.a. Ernst Troeltsch und nach ihm Max Weber formulierten: Luther sei noch verhaftet im Mittelalter und vermochte die Heraus­forderungen der Neuzeit nicht zu beantworten; es sei der Calvinismus, der den Protestantismus als Religion der Moderne konzipierte.[12] Dem stellt JW in RuR 1 entgegen, dass auch die lutherische Reformation eine wesentliche Reformation im Recht eingefordert und durchgesetzt hat. Nicht nur die Aufkündigung der gewachsenen Privilegien der Geistlichen und das institutionelle innere Recht der Institution, sondern auch die Grundlagen, die aus dem römischen Recht konstruiert sind. Als Prinzip wird der Grundsatz festgelegt: die Bibel ist Quelle und Maßstab des Rechts, die einzige Quelle. Es zeigt sich aber, aus der Bibel lässt sich weder die Institution der Kirche rechtlich begründen und erst recht nicht organisieren. Luther verbrennt erst das Kirchenrecht, und dann muss er doch wieder auf ‚papistische‘ Traditionen zurückgreifen. Ganz anders als die Calvinisten, die von Grund auf und prinzipiell den Staat religiös definieren. Luthers Vorstellung war seine Zwei-Reiche-Lehre (121-157), die er entwickelte, als er miterlebte, wie seine Forderung nach Freiheit eine Revolution auslöste, die Revolution von 1525:[13] Die „Zwölf Artikel“ waren sehr berechtigt und ganz ‚evangelisch‘ begründet. Luther fürchtete um den Erfolg seiner evangelischen Lehre, die von Gott durch sein Wort von allein wachsen werde; die Landesfürsten würden den äußeren Schutz garantieren – wie Luthers Rettung vor der Reichsacht nach dem Reichstag zu Worms 1520 durch seinen Landesherren. Landesherrliche Gewalt für die äußere Sicherheit und Garantie  für die religiöse Freiheit. Luther stellte sich gegen die evangelischen Revolutionäre, wie den Apokalyptiker Müntzer, aber auch die berechtigten Forderungen des Gemeinen Mannes in den 12 Artikeln. JW stellt die lang wirksamen Lutherischen Gesetze dar. Reformationsgesetze (231-255), vor allem das Eherecht als Inbegriff aller weltlichen Rechte (257-329) und das Bildungsrecht (331-373) mit der Umwandlung von säkularisierten Klöstern in evangelische Internate vor.[14] Eine Schlussbetrachtung und ein gutes Register (389-399) schließen den Band ab.

Obwohl sich JW vielfach zu Forschungen in Europa aufgehalten hat, finden sich viele ältere Werke zitiert, selten eine Auseinandersetzung mit neueren Forschungsthesen. Die vielen Zitate im originalen Neuhochdeutsch aus Luthers Werken sind als kleine Schnipsel im Text eingefügt, ohne dass der Anlass, Kontext, Widerspruch gegen ei­nen anderen Reformator erklärt würde.[15] Das heißt das Buch ist zu wenig historisch, zu sehr auf die theologische Sicht von Luther und Melanchthon eingeengt. Aber dafür beschreibt JW gut die Ambivalenz Luthers zum bestehenden und zum notwen­digen Recht als Ordnung (Das kirchliche Recht kurz vor der Reformation, 55-77. Liebet Eure Feinde! Die evangelische Konversion des katholischen Kirchenrechts, 79-121. –– Braucht der evangelische Staat Juristen? 159-230).

Band 2 Recht, Religion und Menschenrechte im frühen Calvinismus, stellt die sehr viel politischer denkenden calvinistischen Theologen dar. „Im ursprünglichen Genfer Experiment“(RuR 2, 57-106) ging es, so JW, um „moderate Freiheit in der Theologie Calvins“. Die soziale Einheit, die es zu regulieren gilt, ist das Gemeinwesen als Ganzes, nicht nur die Kirchengemeinde und ihr Verhältnis zum Landesfürsten. Calvin unterscheidet zwischen bürgerlichen Normen, die für alle Einwohner gelten (Pflichtenethik, die der Staat erzwingen muss), und geistlichen Normen für die aktiv in der Christengemeinde Engagierten (Strebensethik). Wenn das Engagement er­lahmt oder andere Ziele wichtiger werden, ist die Kirchenzucht bis zum Ausschluss vorgesehen. Zunächst ist Gleichheit der Gemeindeglieder vorgesehen, die Wahlen innerhalb der Gemeinde demokratische Mehrheitsentscheidung. Schon bald aber überträgt Calvin dem Gremium des Konsistoriums ein Kontrollrecht. JW schildert aber auch die Fälle der Kritiker und theologischen Gegner, besonders der Festnahme, des Prozesses und der Hinrichtung des Servet (91-97). Eine „radikale Erweiterung der Autorität der sichtbaren Kirche“ (98). „Was Calvin mit der einen Hand gab, das nahm er mit der anderen“ (99). Calvin greift ein in die Unabhängigkeit des Gerichtes, durchbricht die Rechtsstaatlichkeit. Hat man etwas gewonnen, wenn man den frühen Calvin gegen den späten lobt? Was ist die Gewissensfreiheit wert, wenn man ‚Ketzer‘ herausschneiden zu müssen glaubt, um den restlichen Körper vor Metastasen zu bewahren? Castellio, der Calvin das Recht abspricht, in Glaubenssachen das Schwert walten zu lassen statt des Streitgesprächs, stirbt vor der Verurteilung in der Haft.[16] – Das zweite Kapitel (107-174) handelt vom Recht auf Widerstand, das Theodor Beza aufstellte. Beza, der von Calvin gewünschte[17] Nachfolger hatte am eigenen Leib erfahren, was Zwang zu einer Religion bedeutete; er war aus Frankreich geflohen. Und dort kam es noch schlimmer: in der Bartholomäusnacht 1572 wurden Tausende von Protestanten ermordet. Daraus zog Beza die Lehre, dass Christen gegen ihren Herrscher ein Recht, eine Pflicht haben, Widerstand zu leisten. Undenkbar bei Luther, von Calvin nicht bedacht, weil er von einer Übereinstimmung ausgeht zwischen untertanen Christen und ihren Herrschern; da bleibt nur die innere oder äußere Emigration. Beza jedoch setzte das Widerstandsrecht als Recht und damit eine zentrale Begründungsfigur für die amerikanische Revolution (111). Dazu konstruiert er einen (fiktiven) Vertrag zwischen den Untertanen, dem Herrscher und Gott als dritter Partei. Herrscher können den Vertrag verletzen oder einen sitten­widrigen Vertrag vorlegen, dann haben die Untertanen das Recht, den Herrscher – notfalls gewaltsam – abzusetzen. Dieser Vertragscharakter, Bund, spielt im Folgenden die zentrale Denkfigur. Ein umstrittener Punkt stellt die mögliche Verbindung und Vorbild aus lutherischer Theologie dar: das Magdeburger Bekenntnis 1550 gegen das vom Kaiser geforderte Interim. JW zitiert zwar einen Aufsatz, der den Zusammenhang für unmöglich erklärt, aber er setzt sich nicht mit den Argumenten auseinander.[18] – Im Kapitel 3 geht es um die aufständischen Calvinisten in den Niederlanden, deren politische Rechte Johannes Althusius mit Hilfe des Calvinismus gegen die herrschenden katholischen Spanier begründet (175-248). – Im Kapitel 4 geht es um die einzigartige Persönlichkeit John Milton in der englischen Revolution gegen den Tyrannen Charles I. (245-325). Seine Forderung nach Religionsfreiheit ist nicht auf die eigene Religion/ Konfession begrenzt, sondern für alle, besonders auch die eigenwilligen Dissenters (Abweichler; Nicht-Orthodoxe), und seine Begründungen gehen weit über das hinaus, was andere gefordert hatten. Vieles wird maßgeblich für die amerikanische Revolution, darunter vor allem die Trennung von Staat und Kirche. Die Unterordnung der Religion unter die Staatsmacht, die „Konstantinische Wende“ ist für ihn eine Katastrophe (283).[19]: Ist es richtig, ihn in die Tradition des Calvinismus zu stellen, die er selbst gar nicht für sich beansprucht? Ja, gegen dessen Anspruch auf ‚Wahrheit‘ er gleiches Rechte auch der anderen Religionsgemeinschaften verlangt. Und für seinen Mut er sein Vermögen verliert (während JW ihm 262 unterstellt, er habe für persönliches Wohlergehen Konflikte vermieden).[20] Eine Besonderheit ist auch sein Eintreten für das Recht auf Scheidung (304, in England erst 1857 staatliches Recht). Er fordert wirklich demokratische Rechte wie die Wahl und Abwahl von Politikern. Die freie Meinungsäußerung (παρρησία) fordert er nach dem Vorbild der Griechen in einer ‚Rede vor dem Areopag‘.[21] Milton ist ein entscheidender Vorkämpfer für ein Recht, das nicht mehr konfessionell denkt. Man kann ihn schwerlich für den Calvinismus reklamieren. – Auf ihm und nicht auf Calvin beruhen schließlich die Väter der amerikanischen Verfassung (Kapitel 5, S. 326-379). Sicher war der Bundesgedanke eine zentrale Veränderung im politischen Denken: Der politischen Herrschaft liege ein Vertrag zugrunde, in dem freie Menschen souveräne Macht an eine Regierung abtreten, diese aber sowohl den Bürgern wie Gott gegenüber Pflichten erfüllen müssen, andernfalls besteht die Pflicht zum Widerstand. Dass Gott seinen Vertrag mit dem Gottesvolk der Juden aufgekündigt habe, konnte ein Laie in England meinen (wo seit 350 Jahren keine Juden mehr lebten),[22] aber in einer neuen Darstellung muss ein Hinweis stehen, dass „das Neue Testament“ beim jüdischen Propheten Jeremia 31 steht. John Adams geht da am weitesten (307): Verfassungen sind keine göttliche Eingebung, sondern Experimente teil-autonomer Gemeinden.

Anders als der erste Band hat dieser Band 2 kein Register; das Register zu Band 1 ist klug organisiert. Die Quellen sind englisch zitiert, auch deutsche Literatur aus der Englischen rückübersetzt, z.B. Troeltsch. Stefan Zweigs Castellio gegen Calvin [1936] aus einer niederländischen Ausgabe (58).

Diese „neue Geschichte des westlichen Rechts“ zeigt Schlüsseltexte und revolutio­näre Gedanken auf, behauptet insgesamt aber zu einseitig und triumphalistisch einen ‚Siegeszug‘ des calvinistischen Rechtsdenkens, zu einseitig den Weg zur amerikanischen Verfassung, zu wenig die Kehrseite der Neuerungen.[23] Dennoch ein wichtiges Buch, das zentrale Gedanken und ihre theologische Begründungen (oder eben bei Milton religiöse Begründungen, aber gegen kirchliche Institution) gut lesbar vorstellt. Menschenrechte sind das noch nicht, sondern Rechte, die jedem weißen Mann zustehen. Aber sicher war das Verlangen der Reformatoren nach Gewissens­freiheit ein zentraler erster Schritt.

 

Bremen, 21. Mai 2016                                                                     Christoph Auffarth

Religionswissenschaft

Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] Die Perspektive auf die ‘lutherische’ Reformation ist durch das Reformationsjubliäum 2017 und die Ausstellungsplanung auf Luther und räumlich auf Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen konzentriert. Aber auch die wissenschaftliche Beschreibung nimmt zu wenig Beachtung auf die nordwest-europäische ‚calvinistische‘ Reformation. (Zur ‚anderen Reformation‘ eine Tagung in Bremen 2017)

[2] Joachim Hillerbrand: Was There a Reformation in the Sixteenth Century? In: Church History 2003: 525-552.

[3] John Witte, jr., *1959 ist Professor an der Emory University School of Law in Atlanta, Georgia USA. Seine Homepage http://www.johnwittejr.com/. Im Folgenden abgekürzt JW.

[4] Im Folgenden abgekürzt RuR 1. Zugrunde liegt John Witte: Law and Protestantism. The legal teachings of the Lutheran reformation. Cambridge: UP 2002.

[5] Calvinistisch verwendet J.W. gleichbedeutend mit „reformiert“, womit die reformatorischen Gesellschaften und politischen Organisationen gemeint sind, die sich der Reformation anschlossen, die Calvins Programme übernahmen und fortführten. Calvinistisch war zeitweilig eher ein negativer Ausdruck seitens [die Übersetzung hat hier falsch: „für“, RuR 2, 34] pietistischer, scholastischer und [nicht genannt, aber die wichtigste Gruppe] lutherisch-orthodoxer Theologen. Der Horror, die beiden Theologien zu vermischen, unter dem Schimpfwort „Synkretismus“ verhandelt, blieb bis in die Mitte des 19. Jh.s bestehen, bevor in vielen Landeskirchen eine gemeinsame Organisationsstruktur vereinbart wurde, die ‚unierten‘ Kirchen.

[6] Im Folgenden abgekürzt RuR 2. John Witte: The reformation of rights. Law, religion and human rights in early modern Calvinism. Cambridge: UP 2007.

[7] Die erste Phase der Französischen Revolution ist wesentlich geprägt von den katholischen Abbés, finanziell gesicherten Geistlichen, die sich von den Bischöfen wenig reinreden ließen. Berühmt ist das Programm des Abbé Sieyès: Was ist der dritte Stand? 1789.

[8] Diese Linie (und ihre schmale Tradition auch in christlichen Theologien) hat Hubert Cancik beispielhaft skizziert: Menschenwürde, in: Der Neue Pauly 7, 1999, 1261-1263. Ders.: „Die Würde des Menschen ist unantastbar”. Religions- und philosophiegeschichtliche Bemerkungen zu Art. I GG, Abs. l, Satz l (1987), wieder in: H.C.: Antik — Modern. Beiträge zur römischen und deutschen Kulturgeschichte. Hg. v. Richard Faber, Barbara von Reibnitz, Jörg Rüpke, Stuttgart; Weimar 1998, 267-291. Ders.: Gleichheit und Freiheit. Die antiken Grundlagen der Menschenrechte (1983), ebenda 293-315.

[9] So skizziert RuR 2, 40-57. JW begrenzt sich sinnvoller Weise auf das 16.-18. Jh. (‚die erste Generation‘) und verweist für die weitere Entwicklung auf geplante weitere Bände.

[10] JW hat auch mit bedeutenden Theologen Europas zusammengearbeitet (etwa Wolfgang Huber), aber es gibt kein Vorwort, das seine amerikanische Perspektive für die deutsche Übersetzung erklärt und relativiert. Das Lob des niederländischen Calvinisten Abraham Kuypers für die amerikanische Demokratie und ihre Verfassung 1898 (RuR 2, 374-382) bricht JW ein wenig, aber lässt es doch gerne gefallen, bestätigt sie doch sein Fortschrittsmodell.

[11] Christoph Auffarth: Asyl, Religion in Geschichte und Gegenwart4, Bd. 1. Tübingen 1998, 864f. Ders.: Der Fremde genießt Gastrecht: ein Menschenrecht in der frühen griechischen Welt. In: Gerlinde Baumann; Susanne Gillmayr-Bucher; Maria Häusl; Dirk Human (Hrsg.): Zugänge zum Fremden. Methodisch-hermeneutische Perspektiven zu einem biblischen Thema. Frankfurt am Main: Peter Lang 2012, 187-210.

[12] Troeltsch fehlt bei JW unter den Pionieren seiner Forschung RuR 2, 10. Er hat seit seiner Dissertation 1891 diese These  erarbeitet und 1906 und 1912 grundlegend formuliert (Alles jetzt in der Kritischen Gesamtausgabe Band 1, Band 5-8; 9. Rezensiert von CA in Numen 59 (2012), 93-95). Max Webers die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus 1904/1905 beruht auf den Forschungen seines „Fachmenschen-Freundes“ Troeltsch, als beide sich auf eine Fahrt zu einem Kongress in den USA 1905 vorbereiteten.

[13] Revolution von 1525 nannte Peter Blickle (München: Oldenbourg 1975; 42012. Der Bauernkrieg : die Revolution des Gemeinen Mannes. München: Beck Wissen 42012)  was bis dahin „der Deutsche Bauernkrieg“ hieß. Die ‚Zwölf Artikel‘ sind sauber aus der Bibel entwickelte Forderungen von einem Politiker und einem Theologen, dass Abgaben, die nicht in der Bibel stehen, nicht erhoben werden dürfen. Luther hätte sich dahinter stellen müssen.

[14] Das Bildungssystem durch Kloster- und Pfründen zu finanzieren, hat eine längere Tradition, wie etwa die Universität Tübingen 1477 gegründet werden konnte durch das Vermögen eines Chorherren-Stifts. Noch im 19. Jh. hinderte die Pfründenfinanzierung der collegia/colleges in Oxford Darwin an einer Universitätskarriere. Aber die meisten Klosterbesitze wurden von den Landesfürsten anders verwendet. Siehe http://buchempfehlungen.blogs.rpi-virtuell.net/2015/10/25/eike-wolgast-die-einfuehrung-der-reformation-und-das-schicksal-der-kloester-im-reich-und-in-europa/ (25.19.2015)

[15] Als genauer Kommentar einer Schrift in ihrem Kontext empfiehlt sich etwa Thomas Kaufmann, An den christliche Adel 1520, Rezension http://buchempfehlungen.blogs.rpi-virtuell.net/2015/03/19/thomas-kaufmann-an-den-christlichen-adel/ (19.3.2015).

[16] Die jüngst erschienenen Übersetzungen, die Castellio auf Deutsch vollständig bekannt machen, fehlen in den Ergänzungen zur deutschen Ausgabe 420-422, nämlich De haereticis an sint persequendi. Das Manifest der Toleranz. Über Ketzer und ob man sie verfolgen soll. Übersetzt von Werner Stingl. Essen: Alcorde 2013. – Contra libellum Calvini. Gegen Calvin. Übersetzt und kommentiert von Uwe Plath. Essen: Alcorde [2015]. De arte dubitandi et confidendi, ignorandi et sciendi Die Kunst des Zweifelns und Glaubens, des Nichtwissens und Wissens. Übersetzt von Werner Stingl. Essen: Alcorde [2015].

[17] Die Übersetzerin trifft nicht immer das passende Wort, wie hier „handverlesen“ statt Wunschkan­didat. Schwerwiegender sind falsche Begriffe wie 17 Erlass von Nantes statt Edict. 47 vorpolitischer Staat der Natur statt ‚natürlicher‘ Status oder Zustand. 109 Rat von Trient statt Konzil. Dagegen sind die Namen in aller Regel richtig wiedergegeben, Ausnahme 142 Gregory Brück statt Gregor von Brück. 101 eine corpus statt das corpus.

[18] Cornel Zwierlein, 2005 hält den behaupteten Zusammenhang für einen historical myth; der Aufsatz ist zitiert 133 A. 62.

[19] Konstantin nahm Gott weg, was Gottes ist – hielt sich also nicht an das Wort Jesu: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, aber Gott, was Gottes ist!“ Matthäus 22,21.

[20] Während der Wiederherstellung der Königsherrschaft – keineswegs nur kurzzeitig (253), sondern ganze 28 Jahre, wurde Miltons Vermögen konfisziert und er starb verarmt und blind geworden. Dass seine Forderungen zum guten Teil in der Toleranz-Akte 1689 realisiert wurden, hat Milton nicht erlebt. Er starb 1674.

[21] Im Neuen Testament 24 mal, aber nicht als Recht, das anderen zusteht. Die deutsche Ausgabe bedient sich der zweisprachigen Ausgabe Miltons (Frankfurt: Zweitausendeins 2008), gibt aber 422 nicht an, von wem die Übersetzungen  stammen. Die Areopagitica von Wilhelm Bernardi 1874.

[22] Hervorragend Sina Rauschenbach: Judentum für Christen. Vermittlung und Selbstbehauptung Menasseh ben Israels in den gelehrten Debatten des 17. Jahrhunderts. Berlin: De Gruyter 2012.

[23] Nach der amerikanischen Ausgabe erschienen, aber das grundlegende, weit historischer und theologischer argumentierende Werk ist auch in der deutschen Übersetzung nicht zitiert: Christoph Strohm: Calvinismus und Recht. Weltanschaulich-konfessionelle Aspekte im Werk reformierter Juristen in der Frühen Neuzeit. Tübingen: Mohr Siebeck 2008.

 

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