Aus erster Hand – Das Judentum im Religionsunterricht

Landthaler, Bruno; Liss, Hanna

Wie das Judentum mit der Tora lebt.
Weisung von ganz oben

Kopiervorlagen

Reihe: Grundlagentexte der Religionen

978-3-589-16111-9

Cornelsen: Scriptor 2018
Aktueller Preis: 18,99 Euro

 

Aus erster Hand – Das Judentum im Religionsunterricht

 

Manche Bücher erscheinen glücklicher Weise zur richtigen Zeit. Zwar gibt es in religionspädagogischen Schulbüchern inzwischen viele Kapitel und Querverbindungen zu jüdischen Themen, jedoch mangelte es an einer größeren Gesamtschau aus jüdischer Sicht. Diese Lücke füllt nun das Arbeitsbuch des Autorenpaars Landthaler/Liss.

Das Arbeitsbuch wendet sich vorwiegend an Lehrkräfte für den christlichen Religionsunterricht, aber auch an Ethik-Lehrkräfte, deren Curricula häufig auch religionskundliche Informationen zum Judentum einfordern. Das inhaltliche Ziel ist es, die Tora als Grundlage des jüdischen Glaubens in Grundzügen bekannt zu machen. Die nichtjüdischen Nutzer dieses Buches lernen eine neue Blickrichtung auf die Bibel, bzw. das so genannte Alte Testament kennen. Die jüdische Religion wird aus eigenem Selbstverständnis dargestellt und erläutert. Dies erfolgt in acht so genannten Unterrichtsreihen (UR genannt), die in je 2-3 Unterrichtsstunden (UE genannt) gegliedert sind. Eine spezifische Alterszuordnung wird nicht gegeben. Nach meiner Einschätzung sind die Inhalte und Materialien in der späteren Sekundarstufe I und auch in der Sekundarstufe II einsetzbar. Zu jedem Kapitel (UR) werden sachbezogene Einstiege und pädagogische Impulse empfohlen. Die Erarbeitung erfolgt über Text- und Bildmaterialien, die als Kopiervorlage zur Verfügung stehen.

Der Einstieg erfolgt mit einer pädagogisch-gesellschaftlichen Perspektive. Es gibt in unserem Land viel Unwissen oder auch Halbwissen über Juden. Aus diesem Grund beginnt das Buch mit einer Unterrichtsreihe zur aktuellen Situation in Deutschland. Die Schülerinnen und Schüler (SuS) setzen sich mit Vorurteilen und mit Antisemitismus auseinander und lernen auch die verschiedenen Strömungen des vielfältigen Judentums kennen.

Immer wieder werden Anknüpfungspunkte aus unserer Gegenwart eingebracht. So kommen im Zusammenhang mit dem Thema Migration Avram (= Abraham) und das Land Mizrajim (= Ägypten) ins Spiel. Die besondere Schreibweise G’tt für den Gottesnamen, wie sie in vielen jüdischen Texten üblich ist, wird hier angewendet. Nichtjüdische Leser werden damit an die hebräischen Ursprünge herangeführt. Das erste Kapitel bietet auf 3 Seiten in vorzüglichen Zusammenfassungen und Darstellungen kompakte Informationen zur Tora ‚vom Feinsten‘ (31-33). Hier schon zeigt sich, dass mit Hanna Liss und Bruno Landthaler hervorragende Fachleute am Werk sind! [1]

In den folgenden beiden Unterrichtsreihen (UR) geht es thematisch um Mosche (= Moses) im Kontext von Mut und Verzagtheit; mit dem Bezug auf Pessach wird der Aspekt der Befreiung durch Gottes Wundertat hervorgehoben. Immer wieder gibt es gedankliche Brücken in die Gegenwart, die Schülerinnen und Schüler sollen auch ihre eigenen Erfahrungen zur Sprache bringen. Dafür bietet das Arbeitsbuch vielfältige Anregungen für Diskussionen, die im Unterricht eingesetzt werden können. Die Gräueltaten der Shoah kommen im Kontext einer Pessachfeier nach der Befreiung 1945 zur Sprache.

Für viele Nichtjuden wird die UR „Was Juden glauben“ eine Horizontveränderung bedeuten. Dazu Landthaler/Liss: „Das Judentum macht nämlich im Wesentlichen keine einzelnen Aussagen zu Gott und seinem Verhältnis zur Welt, wie man dies vom Christentum her kennt“ (49). Dann folgt der Verweis auf das „Höre Jisrael“ (Dtn 6, 4-9), welches als  d a s  Glaubensbekenntnis des Judentumes gilt. Die „Dreizehn Glaubensregeln des Maimonides“ (57) sind als Brücke zum tieferen Verständnis und zu heutigen Fragestellungen gut geeignet. Die weiteren inhaltlichen Schwerpunkte beschäftigen sich mit den Geboten; Überschrift: „Ein störrischer Haufen. Ein Volk erhält Regeln“. Auch hier stehen neben religionsgeschichtlichen Informationen aktuelle Bezugspunkte im Fokus: No-Go-Areas und POP-Oratorium; die SuS erhalten den Auftrag, Rundfunkreportagen zu entwerfen. Im Kontext der Regeln werden auch die Speisevorschriften – die Kaschrut – erläutert. Über den Schabbat – „Endlich Ruhe“ (78) wird der Bogen zu den Feiertagen geschlagen, mit der lockeren Feststellung: „Eine Religion in Feierlaune“ (78ff). Alle Feste des Jahreskreises von Prim bis Channukka werden in Kopiervorlagen erläutert. Die pfiffigen und tiefgründigen Umschreibungen machen deutlich, dass das Judentum auch Humor kennt, und Bruno Landthaler besonders, wie der Rezensent aus eigener Erfahrung berichten darf!

Die inhaltliche Fülle dieses Arbeitsbuches legt nahe, die Themen auf mehrere Schuljahre bzw. Kurse  zu verteilen, um im Sinne eines Spiralcurriculums die Kenntnisse zu vertiefen und zu erweitern. Die offene Anlage der Unterrichtsreihe macht diese Verwendung gut möglich. Zwar kann man die Bedeutung der Tora für das Judentum in ca. 100 Seiten längst nicht hinreichend erfassen, aber hier wird man so gut herangeführt, dass Lust zum weiteren Forschen, Studieren und Diskutieren entsteht. Für Lehrkräfte und für Schülerinnen/Schüler liegt hier eine sehr gute Einstiegsmöglichkeit in die Religionswelt des Judentums vor. Die „Weisung von ganz oben“ kann damit „hier unten“ in der pädagogischen Realität gut angeschaut werden. Informationen aus „erster Hand“ eben. Genau das, was (inter-)religiöses Lernen braucht.

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Dr. Manfred Spieß, Oldenburg
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[1] Aus den zahlreichen Veröffentlichungen sei hier nur genannt: Hanna Liss; Tanach. Lehrbuch der jüdischen Bibel. Heidelberg 2011; Hanna Liss, Bruno Landthaler: Erzähl es deinen Kindern. Die Torah in fünf Bänden. Bd. 1–5. Berlin 2014-2016

 

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