Lannoy Alfred Loisy

Annelies Lannoy

Alfred Loisy and the making of history of religions.
A study of the development of comparative religion in the early 20th century.

(Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten 74)
Berlin: De Gruyter 2020. XIV, 366 Seiten.

ISBN 978-3-11-058377-9

Ein neuer Zweig der Geschichte der Religionswissenschaft durch die Erforschung des katholischen Wissenschaftlers Alfred Loisy

Eine Rezension von Christoph Auffarth

Kurz: Aus den ungedruckten Quellen und in umfassender Kenntnis der zeitgenössischen Literatur in drei Wissenschaftskulturen erforscht Annelies Lannoy das Werk von Alfred Loisy (1857-1940) als Pionier der vergleichenden und der historischen Methode der Religi­ons­wissenschaft. Sie bereichert mit ihrem wertvollen Beitrag aus dem frankophonen katholischen Bereich die Geschichte des Faches.

Ausführlich: Die Eigentümlichkeit der Institutionalisierung der Religionswissenschaft als Universitätsdisziplin[1] in Deutschland ist geprägt durch zwei Abgrenzungen: (1) Die Über­macht der evangelischen liberalen Theologie, die sich als die Religionswissenschaft verstand,[2] machte sich angesichts der Globalisierung im Imperialismus auch die Kenntnis und Erfor­schung ‚fremder‘ Religionen zur Aufgabe. Dies nannte man vergleichende Religionswissen­schaft mit dem Ziel, den Vorrang des Christentums gegenüber den anderen Religionen zu erweisen. Zum Vergleich eigneten sich die Östlichen Religionen, die man Erlösungsreligio­nen nannte, aber mit dem Unterschied zum Christentum eben ohne den Heiland, ohne Christologie, sondern in der Form der ‚Selbsterlösung‘.[3] (2) Das Christentum selbst ist dabei aus dem Vergleich ausgenommen; Judentum und Islam gehören kaum zu den Untersu­chungsgegenständen des neuen Faches.[4] Erst das Programm von Burkhard Gladigow 1995 hat die Erforschung der europäischen Entwicklung von Religionskulturen unter dem Gesichtspunkt der Pluralität von Religionen aus der Perspektive der Religionswissenschaft entworfen, nicht als Kirchen- oder Christentumsgeschichte.[5]

Die Entstehung der Religionswissenschaft als Universitätsfach war ideologisch aufgeladen und ein Spiegel der Religionsgeschichte der Jahrhundertwende. Im Fall der deutschen Entwicklung der liberalen protestantischen Theologie, die die Weiterentwicklung der Religion in der Moderne betrieb mit antikatholischen und antijüdischen Spitzen.[6]

Eine andere Seite der Entstehung der Wissenschaftsdisziplin Religionswissenschaft im Kontext der Religionsgeschichte der Jahrhundertwende erforscht Annelies Lannoy in ihrer Mono­graphie zum katholischen Gegenstück im frankophonen Bereich. Hier ist die Haupt­frage die Entstehung des Christen­tums im Kontext der Religionen im Römischen Reich. Der berühmte Satz von Loisy „Jesus predigte das Evangelium, was aber dabei herauskam, war die Kirche“ lässt sich aber nicht (wie er meist gelesen wird) als Wahrnehmung eines Verfalls verstehen. In den deutschen evangelischen Fakultäten war das das Thema der neutestament­lichen Wissen­schaft. Dort sprach man vom „Frühkatholizis­mus“ in dem Bewusstsein,[7] dass die evangeli­sche Reformation den (Spät-) Katholizismus widerlegt hatte. ‚Katholisch‘ bedeu­tete im Jahr­hundert der Wissenschaft aus der Sicht der evangelischen Wissenschaftler, dass man nicht nach der Wahrheit forschen kann, sondern das Ergebnis vom Lehramt vorgegeben sei, letzt­lich vom Papst, dem 1870 das Erste Vatika­nische Konzil die „Unfehlbarkeit“ zuer­kannt hatte. Der ‚Unfehlbare‘ Pius IX. erfand neu, was als ‚Orthodoxie‘ zu gelten hatte.[8] Da­gegen gab es heftigen innerkatholi­schen Widerstand, aber der Ultramontanismus setzte sich durch mit Zensur, Schreib- und Redeverboten, Amtsenthebung, Exkommunikation. Der Katholizismus habe keine Vorgeschichte, keine Geschichte, sondern sei von Gott gesetzte Offenbarung. Die Gegner wurden als ‚Modernisten‘ diffamiert.[9] Mutig nahm Alfred Loisy den Kampf für die Freiheit der Wissenschaft auf gegen die Amtskirche und wurde mit all den Sanktionen belegt bis hin zum Berufsverbot und im März 1908 der Exkommunikation. Für den 51-Jährigen war das das Ende eines Forscherlebens, von seiner Kirche mundtot gemacht. Sein Freund, der Belgier Franz Cumont (1868-1947),[10] vermied sorgfältig jede Aussage über das Christentum, obwohl es sich bei seinen Forschungen zu den Orientalischen Religionen aufge­drängt hätte, auch das Christentum und das Judentum einzubeziehen.[11]  Belgien galt als Musterschüler des Ultra­montanismus und hatte gleichzeitig eine der liberal­sten Verfassun­gen Europas.[12]

Loisy gilt immer als Modernist im Rahmen der katholischen Theologie. Annelies Lannoy stellt ihn aber in den Rahmen der vergleichenden Religionswissenschaft der Zeit. Sie konzen­triert sich aber nicht nur auf die (schon viel behandelte) biblisch-exegetische und historische Rekonstruktion des ‚Urchristentum‘ bei Loisy, sondern nimmt besonders die Phase von der Wahl auf den Lehrstuhl am Collège des France 1908/1909 bis etwa 1920 in den Blick, bevor Loisy wieder zu seinen Studien zum Urchristentum zurückkehrte. In dieser formativen Phase der Religionswissenschaft setzte sich Loisy mit den Thesen der British Anthropo­lo­gy (Marrett, Lang, Taylor, Frazer) auseinander, die mit der Evolutionslehre eine scharfe Religi­ons­kritik verband, in der französisch-sprachigen Wissenschaft von Salomon Reinach vertre­ten. Im Zentrum standen die Frage der Magie und die Studie zum Opfer (Essai historique sur le sacrifice. Paris: Nourry 1920).

Das erste Kapitel Comparative Religion and/as Modernist Theology: L’Évangile et l’Église [1902][13] (16-74) beschreibt die Rezeption der deutschen evangelischen historisch-kritischen Methode. Adolf Harnack (der Adelstitel wurde erst 1912 verliehen) zeichnete in seiner Vorlesungsreihe Das Wesen des Christentums 1899/1900[14] die von Jesus gegründete neue, aus dem Widerspruch zum Judentum erwachsene Religion des ‚apostolischen Zeitalters‘ als individualistische und spirituelle evangelische, auf ‚Charisma‘[15] beruhende Religion analog zur protestantischen Religion seiner Zeit, während im nachapostolischen Zeitalter, etwa seit dem 2. Jahrhundert, der Früh­katholizismus mit Priestern, Bischöfen und mit Zeremonien das Urchristentum entstellt und pagane Rituale Einzug gehalten hätten. Loisy widersprach im Jahr darauf mit L’évangile et l’église 1902. Er stellte das Neue Testament in die historische Genese aus dem Judentum, das Loisy exzellent kannte dank seiner Forschungen zur Bibel im Kontext der Assyriologie, die damals in ihren Anfängen boomte. Da wäre auch eine Ausein­an­dersetzung mit Franz Delitzsch nötig, dem Assyrio­logen, der im Bibel-Babel-Streit den heili­gen Schriften des Judentums unterstellte, sie seien nur abgeschrie­ben aus der mesopota­mi­schen Kultur. Und der später die Auferstehung Jesu als Abklatsch der sterbenden und aufer­ste­­henden Gottheiten, etwa des Adonis, behauptete. Das ist auch die Vorlage für Arthur Drews‘ Christusmythe 1910, die AL in Kapitel 4 im Zusammenhang mit der Mythos-Ritus-Debatte diskutiert. Aber wichtiger noch ist die Erkenntnis, dass Religionen kein indivi­dualistischer Glaube, sondern in der Gemeinschaft eingeübte Institution darstelle, also religionssozio­logisch zu bearbeiten sei.

Kapitel 2 behandelt die Auseinandersetzungen um die Besetzungen des Lehrstuhls für histoire des religions am Collège de France 1908-1909, bei der Loisy den Vorzug erhielt gegen beispielsweise Marcel Mauss, den Jungstar der Durkheim-Schule (75-140). – Kapitel 3 zeigt, wie sich Loisy einen Stand erkämpfte in der jetzt science laïque genannten Wissenschaft nach der konvulsiven Trennung von Staat und Kirche in Frankreich 1905, in deren Vorfeld Loisy seine katholische Lehrerlaubnis verloren hatte. Gegen die Religionskritik bei Frazer[16] und Reinach[17] versteht Loisy Religion als „une coutume traditionelle, autorisée par l’usage, et qui semble vouloir satisfaire encore plus aux exigences du sentiment et de la vie qu’à la curiosité de l’ésprit.“[18] Mythologie und Theologie seien nicht selbst die Religion, sondern Produkte der Reli­gi­on. Zentral ist die heilige Handlung (ein Begriff von Herman Usener aufgegriffen?) So schließt er sich methodisch eher an Mauss und Hubert an. Mit antiprote­stanti­scher Spitze erklärt er die Kirche als die notwendige Sozialform der Religion, ebenso den Vorrang des Rituals vor dem Mythos.[19] (141-194) Zwar hält er Unparteilichkeit für ein wesentliches Prinzip wissenschaftlichen Arbeitens, kann aber doch seine Vorurteile nicht abstreifen (238), genauso wenig wie der erste laikale Professor  für Religionswissenschaft 1860-1892, Ernest Renan, auf den er sich beruft.[20] – Kapitel 4 schildert die Formulierung wissenschaftlicher Standards gegen die Tendenz, Geschichte zum Mythos zu erklären, etwa die Auferstehung Jesu oder gleich den ‚historischen Jesus‘ über­haupt, wie Reinach, Frazer oder die Religions­ge­schichtliche Schule in Bousset’s Kyrios Christos und populär Drews Christusmythe das ver­standen (195-258). Sorgfältig unterschied er die paganen (1913) und christliche Mysterien (1914): „the same but not the same“ (228-236). Loisy schließt an der communio-Theorie von W. Robertson Smith an (Gott essen). Lannoy diskutiert das in bester Kenntnis der neueren leb­haften Forschungen. – Kapitel 5 behandelt, wie Loisy die vergleichende Methode in der Geschichte des Opfers entwickelte,[21] das für viele das Ritual schlechthin bedeutet(e).[22] So gesteht auch Loisy (26): „Une histoire complète du sacrifice serait presque une histoire du culte religieux dans l’humanité.“ Zugleich aber entstand das Werk, während draußen der Erste Weltkrieg tobte (wie Lannoy gut beobachtet). Etwas anders als die Mana-Theorie stellt er die vertu des Opferhandelns in den Mittelpunkt. Dass das Abendmahl/Eucharistie ein survival eines primitiven Menschenopfers sei, lehnt er vehement ab. Letztlich war es ihm aber um die Höherentwicklung zur Humanitätsreligion zu tun.[23] Ein Fazit 324-330 beschließt das Buch. Die umfangreichen Verzeichnisse der Archivalien und Bibliographie, ein Index mit den Namen der Gelehrten und ein wertvoller Sachindex erschließen die Forschung noch einmal.

Die Monographie von Annelies Lannoy hat einen wertvollen Beitrag zu einem bisher kaum beachteten Zweig der Wissenschaftsgeschichte der Universitätsdisziplin Religionswissen­schaft (Histoire des religions)[24] und der Entwicklung der vergleichenden Methode erarbeitet, bevor die Religi­onsphänomenologie ihre unhistorische Erfassung der Religion als Gegen­stand sui generis entwickelte, die bei den Forschern ein eigenes Erlebnis eigentümlich religi­öser Erregung voraussetzt und vor der eigentlichen  Unter­suchung die Unterscheidung vor­nimmt, was ‚heilig‘ und was ‚profan‘ sei. Religions­wis­sen­schaftler war, wer einen heiligen Text überset­zen und kommentieren konnte: eine philologisch-ahistorische Methode. Alfred Loisy setzte Maßstäbe der historischen Kontextua­lisierung, die im Folgen­den nicht weiter­geführt wurden – zum Schaden der Wissenschaft. Vor allem der Erste Weltkrieg zerschlug die lebendige Wahrnehmung und das Gespräch der Gelehrtenrepublik, die vorher keine nationalen und sprachlichen (Französisch und Deutsch als die Sprachen der Wissenschaft, noch nicht das Englische) Grenzen gekannt hatte.[25]

 

Bremen/Wellerscheid, Januar 2021                                    Christoph Auffarth

Religionswissenschaft,
Universität Bremen

E-Mail: auffarth@uni-bremen.de

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[1] Der erste Lehrstuhl für histoire des religions 1873 in Genf/Schweiz, dann in den Niederlanden, Leiden und Amsterdam 1877, Frankreich, Paris 1880 bzw. 1886. Belgien, Brüssel 1884 bzw. 1896. Der erste Lehrstuhl in Deutsch­land 1908 in Berlin, dann in Leipzig. Die Daten knapp und präzise Michael Stausberg: Religions­wissenschaft. Profil einer Universitätsfachs in Deutschland. in: M.S. (Hrsg.): Religionswissenschaft. Berlin; Boston 2012, 1-30.

[2] In der Rede, die Adolf Harnack 1901 bei Antritt der Leitung der Berliner Universität hielt, ging er auf die Forderung ein, die theologischen Fakultäten zu religionswissenschaftlichen Fakultäten umzuge­stalten. (Die Aufgabe der theologischen Fakultäten und die allgemeine Religionsgeschichte. Nebst einem Nachwort [als Antwort auf die Einwände von Martin Rade. in: A.H.: Reden und Aufsätze 2. Gießen: Ricker 1904, 159-188). Dann müsste man, so der Wissenschaftsorganisator, doch für jede Weltreligion mehrere Lehrstühle einrichten. Das lasse sich nicht organisieren (179). Dagegen gebe es aber in der Erforschung des Christentums alles Material: „Wer diese Religion nicht kennt, kennt keine, und wer sie samt ihrer Geschichte kennt, kennt alle.“ (168) Denn im Christentum gebe es alle Typen von Religion, aber „gerade die höchsten haben dort keine Parallelen, während mir das Umgekehrte nicht bekannt ist.“ (172) Das widerspricht dem Grundsatz des in England forschenden Begrün­ders der science of religion, Friedrich Max Müller, der sagte: „Wer nur eine kennt, kennt keine.“ – Harnacks Position nimmt wieder ein Friedrich Wilhelm Graf: Die Wiederkehr der Götter. München: Beck 2004.

[3] In der Kirchengeschichte abgelehnt die Position des Pelagianismus (und Semi-Pelagianismus) durch Augustins Lehre von der göttlichen Gnade, die dann Luther wieder aufgriff. – Carsten Colpe: Erlösungs­religion. Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe. Hrsg. von Hubert Cancik; Burk­hard Gladigow; Matthias Laubscher. Band 2. Stuttgart: Kohlhammer 1990, 323-329.

[4] Harnack 1901, 172 „Das Christentum in seiner reinen Gestalt (ist) nicht eine Religion neben anderen, sondern die Religion.“ Entsprechend trug das protestantische Lexikon den bestimmten Artikel Die Religion in Geschichte und Gegenwart, erst die vierte Auflage entfernte den bestimmten Artikel und behandelt in vielen Artikeln auch die (beispielsweise) ‚Mystik‘ in anderen Religionen.

[5] Programm und Umsetzung erläutert Christoph Auffarth: Europäische Religionsgeschichte. In: Richard Faber; Susanne Lanwerd (Hrsg.): Aspekte der Religionswissenschaft. Würzburg 2009, 29-48. Zu dem ambitionierten Gegenentwurf von Helmut Zander s. Auffarth: Wie kann man Europäische Religionsgeschichte schreiben? In: Christoph Auffarth; Alexandra Grieser; Anne Koch (Hrsg.): Religion in der Kultur – Kultur in der Religion. Burkhard Gladigows Beitrag zum Paradigmenwechsel. Tübingen: Tübingen University Press 2021, (im Druck) und die Kurzrezension in der Zeitschrift für Religionswis­sen­schaft 2020, 28 (2020), 351-354.

[6] Aus dem Berliner Lehrstuhl für Dogmatik von Otto Pfleiderer entstand der religionswissenschaft­liche. Sein liberales Programm der „Weiterentwicklung des Christentums“ (Beiträge zur WdC. München: Lehmann 1905) erzürnte den erzkonservativen Kaiser Wilhelm I., der ‚den Häretiker‘ am liebsten entlassen hätte.

[7] Ferdinand Hahn: Exegetische Beiträge zum ökumenischen Gespräch. Gesammelte Aufsätze 1. Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht 1986, bes. 39-75.

[8] Die Neuerfindung der Tradition (Invention of Tradition) in dem langen Pontifikat Papst Pius IX. mit dem Höhepunkt des Ersten Vatikanischen Konzils 1870 arbeitet glänzend heraus Hubert Wolf: Der Unfehlbare. München: Beck 2019.

[9] Erst mit dem Syllabus Lamentabili sane exitu 1903, dann der Enzyklika Pascendi domini gregis 1907. Die Dritte Französische Republik hat – nach der Niederlage gegen Preußen und der Gründung des Deutschen Reiches – 1879 einen Lehrstuhl für Religionsgeschichte am Collège des France eingerichtet, und 1885/86 nach der Schließung der katholisch-theologischen Fakultät an der École pratique eine fünfte section eingerichtet des sciences religieuses. An der école lehrten die liberal-protestantischen Pro­fes­soren Auguste Sabatier und Vater und Sohn Albert und Jean Réville.

[10] Der Briefwechsel ist jetzt mustergültig ediert und kommentiert: »Mon cher Mithra…«: la correspon­dance entre Franz Cumont et Alfred Loisy. Édition, introduction et notes par Annelies Lannoy, Corinne Bonnet, Danny Praet. 2 Bände. Paris: Académie des Inscriptions et Belles-Lettres 2019. lix, 448; 654 Seiten. 2007 erschien der Briefwechsel mit dem Althistoriker Mongolus Syrio salutem optimam dat: la correspon­dance entre Mikhaïl Rostovtzeff et Franz Cumont. Èd. Grégory Bongard-Levine (gleiche Reihe).

[11] Zum hundertsten Jahrestag des ersten Erscheinens des Buches Les religions orientales dans le paga­nisme romain (Die Erstausgabe erschien 1906; dt. Übersetzung Leipzig: Teubner 1909, ³1931) gab es eine sorgsam v.a. von Corinne Bonnet vorbereitete Konferenz in der Belgischen Akademie in Rom. Darin meine Beiträge Religio migrans. Die ‚Orientalischen Religionen’ im Kontext antiker Religion. Ein theoretisches Modell. In: Corinne Bonnet, Sergio Ribichini; Jörg Rüpke (Hrsg.): Religioni in Contatto nel mondo antico. Modalità di diffusione e processi di interferenza. (Mediterranea 4) Rom 2008, 333-363. – Die Centenar-Ausgabe ed. Corinne Bonnet und Françoise van Haeperen im Rahmen der Gesamtausgabe der Schriften von Franz Valery Marie Cumont. Torino: Aragno 2006 (nach der 4. Auflage Paris 1929).

[12] Wie der Ultramontanismus weltweit durchgesetzt wurde, zeigen die Beiträge in: Olaf Blaschke; Francisco Javier Ramón Solans (Hrsg): Weltreligion im Umbruch. Transnationale Perspektiven auf das Christentum in der Globalisierung. (Religion und Moderne 12) Frankfurt am Main; New York: Campus 2019. Meine Rezension https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2020/05/25/weltreligion-im-umbruch/ (25.5.2020).

[13] Eine deutsche Übersetzung mit einer Einleitung Carl-Friedrich Geyer: Wahrheit und Absolutheit des Christentums. Geschichte und Utopie: ‚L`Évangile et L`Église‘ von Alfred F. Loisy in Text und Kontext. Text und Kontext. Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht 2010.

[14] Harnack erhielt erst 1912 den Adelstitel. Sein scharfer Kritiker war Basler Theologe und Nietzsche-Freund Franz Overbeck, der mit seiner Schrift Ueber die Christlichkeit unserer heutigen Theologie. 1873, ²1903 das misslungene Jesusbild der liberalen Theologie herausarbeitete, wenn die Theologen versuch­ten, Jesus zu einem Propheten und Vertreter der kantischen Reduktion von Religion auf Moral mit der Erforschung des historischen Jesus in Übereinstimmung zu bringen (Overbeck, Werke und Nachlaß. Band 1(1994) 155-318). Overbeck legte ein Harnack-Lexikon an Werke 4(1995), 436-585, teilweise pos­tum in Overbeck, Christentum und Kultur. Basel 1919. Zu Loisy, Werke 4. 480f. 528f. 5.117-119. 613-615.

[15] Im Unterschied zur ‚katholischen‘ Amtskirche sei das Christentum ursprünglich, ‚evangelisch‘ auf Charisma gegründet, behauptete der Kirchenrechtler Rudolph Sohm 1892. Von ihm nahm das Max Weber auf. Vgl. Christoph Auffarth: Die frühen Christentümer als Lokale Religion. Zeitschrift für Antikes Christentum 7(2003), 14-26.

[16] Christoph Auffarth: Königtum, sakrales. HrwG 3(1993), 386-389: Magie sei zwar die primitivste Form der Weltbilder, arbeite aber immerhin schon mit dem Gesetz von Ursache und Wirkung (science mis­anderstood), während Religion auf der Illusion von außernatürlichen Kräften beruhe, die durch die Naturwissenschaft widerlegt seien. Dazu Lannoy 2020, 169-187 mit der instruktiven Grafik 180.

[17] Salomon Reinach verstand Religion in seinem Orpheus. Histoire générale des religions. Paris: Picard 1909, 3 als „un ensemble des scrupules qui font obstacle au libre exercise de nos facultés“. Lannoy 141, A. 3. Im gleichen Jahr erschien schon die 7. durchgesehene Auflage. Zur Auseinandersetzung Loisys mit dem fast gleichaltrigen Reinach s. Lannoy 2020, 151-169.

[18] Loisy, Antrittsvorlesung am Collège Leçon d’ouverture. Paris 1909, 30. Lannoy 2020, 149.

[19] Jan Bremmer hat das Aufkommen des Konzepts „Ritual“ gerade zur Jahrhundertwende 1900 unter­sucht in seinem Beitrag ‚Religion‘, ‚ritual‘ and the opposition ‚sacred‘ versus ‚profane‘ zur Festschrift Walter Burkert. Fritz Graf (Hrsg.): Ansichten griechischer Rituale. Leipzig: Teubner 1998., 9-32. Lannoy diskutiert sehr detailliert die Stellung Loisys in der Debatte.

[20] Zu Ernest Renan Lannoy 44, 64, u.ö. Loisy als successeur du divin Renan 104. Doch vgl. Birgit Schäbler: Moderne Muslime. Ernest Renan und die Geschichte der ersten Islamdebatte 1883. Paderborn, Schöningh 2016, 21-66.

[21] Alfred Loisy: Essai historique sur le sacrifice. 1920, 552 Seiten. Loisy strukturiert nach Funktionen bzw. Intentionen der Opfer-Anlässe, nicht aus einem einzigen Typ von Ritualen.

[22] Die wichtige Studie von Ivan Strenski: Theology and the First Theory of Sacrifice. Leiden: Brill 2003 (Lannoy 263-266) ist hier für Loisy genauer ausbuchstabiert.

[23] Wie die Humanitätsreligion im Ersten Weltkrieg zerbricht, behandelt an einem Beispiel Christoph Auffarth: Religion in Bremen im Ersten Weltkrieg: Zuspruch und Widerspruch. In: Lars U. Scholl (Hrsg.): Bremen und der Erste Weltkrieg. Kriegsalltag in der Hansestadt. = Jahrbuch der Wittheit 2012/13. Bremen: Falkenberg 2014, 146-160.

[24] Den aktuellen heftigen Streit um den Namen der IAHR schildert aus seiner Sicht Don Wiebe: A Report on the Special Executive Committee Meeting of the International Association for the History of Religions in Delphi. in: Method & Theory in the Study of Religion 32(2020). Im gleichen Heft 2 antworten  Satoko Fujiwara and Tim Jensen: What’s in a (Change of) Name? Much—but Not That Much—and Not What Wiebe Claims

[25] Auch Loisy beteiligte sich mit nationalistischen Bemerkungen in seinem Büchlein La religion 1917. AL kennt auch die Ausnahme Adolf Deissmann, der – nach dem anfänglichen Schwertsegen – das Gespräch auf der Ebene der internationalen Ökumene gegen den Nationalismus wieder in Gang brachte. – Zu den Änderungen im und nach dem Zweiten Weltkrieg s. Christoph Auffarth: Henri Irénée Marrous »Geschichte der Erziehung im klassischen Altertum«. – Der Klassiker kontrastiert mit Werner Jaegers »Paideia«. In: Peter Gemeinhardt (Hrsg.): Was ist Bildung in der Vormoderne? (Seraphim 4) Tübingen: Mohr Siebeck 2019, 39-65.

2 Gedanken zu „Lannoy Alfred Loisy“

  1. My warmest thanks for the very detailed, interesting, and positive review of my book. I greatly appreciate it.
    Thank you also for the many links to current debates, such as the controversy on the name of the IAHR (which in the end I decided no to mention in my book, but only after great hesitation), and for the references to interesting publications.
    To answer just quickly to one of the questions raised in your text: it is difficult to know whether Loisy knew Usener’s work when he was writing his Leçon d’ouverture in 1909. I have asked myself the exact same question!
    My (careful) reply would be that he didn’t know it directly until somewhere between 1913 and 1914. As far as I know, he only cites Usener’s seminal essay on “Heilige Handlung” in his Essai historique sur le sacrifice, written in 1915-16. As you wrote, Loisy’s own theory on ritual is influenced by British anthropology (as was Usener’s, though definitely not to the same extent), by Reinach’s anthropological-psychological views, and by French sociology.
    This being said, Reinach himself was familiar with Usener’s work, and he knew Usener’s “Heilige Handlung” very well. And the same goes for Frazer. Reinach, Frazer, and Usener were also in contact through correspondence. The missing link between Reinach and Usener is Louis Duchesne… another scholar who was important to Loisy.
    It is frustrating (and irritating) that Loisy hardly ever mentioned his sources, but I do think that he only started to delve into the work of Usener after getting acquainted with Usener’s students like Norden and Reitzenstein, and why not: Cumont!

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