Jesus, der Jude und die Chancen für den Trialog

Jesus-Jüd-ChristlDer evangelische Pfarrer Rudolf Krause hat ein kleines Materialheft –  Jüdische Jesusbilder – zusammengestellt.
Den gesamten Aufsatz als Download: hier

So beschreibt er übersichtlich, was folgende jüdische Forscher über Jesus denken:
Schalom Ben-Chorin, Geza Vermes, Jacob Neusner, Joseph Klausner, Martin Buber, Leo Baeck, Pinchas Lapide, David Flusser und Hans Joachim Schoeps.
Es entsteht ein facettenreiches, keineswegs einheitliches Bild auf den Juden Jesus. Das Christentum begann erst im 20. Jahrhundert, Jesus in seiner “Jüdischkeit” zu akzeptieren. Zugleich zeitigt die “Heimholung Jesu ins Judentum” auf jüdischer Seite bemerkenswerte dialogische Ergebnisse.

 

Material zur Weiterarbeit:

Das “Auseinandergehen der Wege” von Christentum und Judentum (S. 22) und die Ausbildung einer durchaus auch antijüdisch geprägten Theologie nötigen dringend zur Revision. Dazu gibt es auf christlicher Seite eine Reihe von beachtlichen Ansätzen, der umfassendste wohl von Friedrich Wilhelm Marquardt (1928-2002), dem Schüler von Helmut Gollwitzer.

Rudolf Krause macht ebenfalls eigene Vorschläge zur bewussten Wahrnehmung des Juden Jesus im christlichen Glauben. Ob eine strengere monotheistische Neuformulierung der Trinitätslehre nach Paul Tillich und eine stärkere symbolische Auslegung der Inkarnation wirklich eine Brücke bilden können, sei dahingestellt. Es müsste sicher noch ausführlicher nicht nur über die “bleibende” Erwählung Israels, sondern auch über die Problematik des Erwählungsbegriffs überhaupt nachgedacht werden. Vergessen wir nicht: Der jüdische Erwählungsgedanke ist systematisch von der christlichen Dogmatiken usurpiert worden.
Der Weg zu weiterer Annäherung an den jüdischen Jesus muss darum weiterhin konsequent beschritten werden. Rudolf Krause hat dazu thesenhaft nachdenkenswerte Vorschläge gemacht, die sicher auch Widerspruch herausfordern. DieVielfalt der Religionen fordert dazu heraus, nicht nur über die beiden Heilswege von Juden und Christen nachzudenken, sondern sich auf eine Pluralität des Heils einzulassen.
Dafür ist es sicher erweiternd sinnvoll, angesichts der zweiten monotheistischen Religion, dem Islam, die gewachsenen Differenzen und Verunglimpfungen der Glaubensbrüder und Glaubensschwestern noch genauer zu untersuchen und durch die vertiefende Arbeit an den unübersehbaren Gemeinsamkeiten die friedvolle Dreierbegegnung, den “Trialog”, voranzubringen.

Vgl. dazu besonders den Beitrag des spanischen Religionswissenshaftlers
Míkel de Epalza: Jesus zwischen Juden, Christen und Muslimen (2002/2012):
— Download als PDF-Datei: hier
— Rezensionen zum Buch: hier 

Buch des Monats September 2012: Jenseits von Himmel und Hölle

John Shelby Spong: Jenseits von Himmel und Hölle. Eine neue Vision vom ewigen Leben. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Gerhard Klein.

Ostfildern: Patmos 2011, 221 S.  — ISBN 978-8436-0028-6 

Ausführliche Besprechung: hier

Kurzrezension
Der Autor dieses Buches, John Shelby Spong (geb. 1931), emeritierter anglikanischer Bischof, gehört zu den bekanntesten religiösen Autoren der USA. In seinen Büchern vertritt er mutige Thesen für ein erneuertes und gegenwärtiges Christentum jenseits des bisherigen Christentums.1 Spong versucht, eine postmoderne Weltsicht mit einem Glauben zu verbinden, der die Naturwissenschaft ebenso wie wichtige bibelexegetische Erkenntnisse ernst nimmt. Für das praktische Leben müssen diese auch ethisch im Sinne des Engagements für die Ausgegrenzten umgesetzt werden.

Als alter Mann, der nun sein letztes Buch veröffentlicht, ist ihm klar geworden, dass er dies nur als persönliche Beschreibung darlegen kann und nicht als christliche Theorie über Himmel und Hölle. Im Bedenken seiner eigenen Biografie untersucht Spong genauer sein zunehmendes religiöses Interesse, das bei ihm erhebliche Glaubensveränderungen bewirkte

Das den Autor lange prägende externe Religionsverständnis einer „Gottheit über uns“, möchte er überwinden zugunsten einer „Gottheit in uns“ (S. 128). Und so ist „das Göttliche, das wir immer suchten, eine Dimension des Menschlichen“ (S. 138). Man merkt, dass sich Spong mystischen Sichtweisen annähert. und letztlich ein Neuverständnis wahrhafter Dimension von Religion! 

Anm 1:  Rezension hier  zum Buch von J.Sh. Spong: Die Sünden der heiligen Schrift. Wie die Bibel zu lesen ist (2007)

                                                                                                                                                 Reinhard Kirste

 

 

Gott im Film

Schramm, Michael: Der unterhaltsame Gott. Theologie populärer Filme
Paderborn u.a.: Ferdinand Schöningh 2011,
2. erweiterte u. aktualisierte Auflage, 200 S. — ISBN 978-3-506-76444-7 
 Einleitung
Theologische Elemente sind aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken. Allerdings werden entsprechende Inhalte oftmals sehr gut in den einzelnen Unterhaltungsprodukten versteckt. Teilweise nehmen sie jedoch, gerade in Filmen, eine gewichtige Rolle ein. Michael Schramm, Professor für Katholische Theololgie und Wirtschaftsethik von der Universität Stuttgart-Hohenheim
, stellt in seinem Buch „Der unterhaltsame Gott“ sowohl implizite als auch explizite Beispiele für theologische Elemente in populären Filmen heraus und analysiert auf dieser Grundlage prominente theologische Fragestellungen und Probleme. 

Aufbau
In insgesamt sieben Kapiteln eruiert Schramm einige der zentralen Themen des christlichen Glaubens. Unter anderem werden die Person Jesus Christus, Jenseitsvorstellungen oder auch die Frage nach der Theodizee behandelt. Der Autor zieht dazu diverse filmische Zitate und Sachverhalte heran, welche die zu behandelnden Themen ansprechen. Am Beispiel der unterschiedlichen „Star Trek“-Serien wird etwa der Umgang mit religiöser Pluralität aufgearbeitet. Die „Star Wars“-Filme hingegen stellen in Ihrem Zentrum die Frage nach einer unsichtbaren Macht, welche jedoch ganz reale Wirksamkeiten entfalten kann. Schramm beginnt in der Regel mit einer kurzen Einleitung in Form einer Darlegung des zu erläuternden Sachverhaltes. Danach führt führt er das passende Filmbeispiel an. Im Anschluss daran wird ein Zitat respektive ein Dialog zitiert, in welchem die erörternde Thematik plastisch wird. Danach erfolgt eine Analyse dieser Sequenz oder Passage, welche schlussendlich in den theologischen Kontext eingeordnet wird.
Kritik
Michael Schramm gelingt es, eine Brücke zwischen zwei vermeintlich grundverschiedenen Welten zu schlagen. Die Filmbeispiele sind dabei gut gewählt und machen die entsprechende Thematik sehr anschaulich. Die anschließende Erläuterung der zitierten Passagen ist klar und sprachlich gut verständlich.

Jedoch gerät die darauffolgende Diskussion in einigen Fällen sehr komplex. Ohne Vorkenntnisse auf dem entsprechenden theologischen Gebiet wird das Verständnis stark erschwert. Die vielen begleitenden Zitate aus der theologischen Sekundärliteratur bzw. aus der Philosophie bringen oftmals eine zusätzliche Dimension in das Thema ein und verkomplizieren es damit zusätzlich.
Fazit
Der Titel „Der unterhaltsame Gott“ kann ein wenig irreführend sein. Wer hinter diesem Namen leicht bekömmliche theologische Kost vermutet, wird vermutlich schon nach wenigen Seiten das Buch aus der Hand legen. Die Filme, welche den Zugang zu den zu behandelnden Themen legen, sind zielführend gewählt und öffnen die zu erörternden Schwerpunkte sehr gut. Allerdings wird spätestens bei der Analyse des Filmmaterials sozusagen ein Anstieg der Komplexität deutlich. Daher richtet sich „Der unterhaltsame Gott“ vorrangig an Leser/innen, die bereits Vorerfahrungen mit zentralen christlichen Glaubensaspekten besitzen und diese erweitern beziehungsweise aus einer anderen Perspektive betrachten möchten. Unter diesen Gesichtspunkten darf das Werk aber durchaus als gelungen und lesenswert eingestuft werden.
Titel und Erscheinungsjahr der besprochenen Filme
Star Trek (USA 1966 ff.)
Star Wars I – VI (USA 1977 – 2005)
Avatar (USA 2009)
The Lord of the Rings I – III (Neuseeland / USA 2001 – 2003)
Titanic (USA 1997)
The Terminator und Terminator 2: Judgment Day  (USA 1984 & 1991)
Signs (USA 2002)
Contact (USA 1997)
Das Jesus Video (Deutschland 2002)
Stigmata (USA 1999)
The Green Mile (USA 1999)
The Third Miracle (USA 1999)
The Da Vinci Code (USA 2006)
The Body (USA 2001)
The Matrix & Matrix Reloaded & Matrix Revolutions (USA 1999 – 2003)
Angels and Demons (USA 2009)
Dragonfly (USA 2002)
Enemy Mine (Deutschland/USA 1985)

Sascha Göddenhoff, Herne
Rz-Schramm-Film, 13.03.12

Friedensfähigkeit und Gewaltpotential in den Religionen – Bücher zum Thema

Für die hier vorgestellten Bücher liegen zugleich ausführliche BESPRECHUNGEN vor – Bitte anklicken!









Buch des Monats Februar 2012: Mystik – Sehnsucht nach dem Unbedingten

Elisabeth Pernkopf / Walter Schaupp (Hg.): Sehnsucht Mystik. Theologie im kulturellen Dialog 22.
Innsbruck-Wien: Tyrolia 2011, 276 S., Abb.

Die Katholisch-Theologische Fakultät der Karl-Franzens Universität Graz nimmt in ihren Vorlesungsreihen aktuelle Themen auf, um aus verschiedenen systematischen Blickwinkeln (inter-)kulturelle Bewegungen zu beleuchten. Die Philosophin Elisabeth Pernkopf und der Moraltheologe Walter Schaupp zeichnen als Herausgeber für diesen Band 22 verantwortlich. In ihm sind Vorträge aus der Reihe „Religion am Donnerstag“ gesammelt, die im Wintersemester 2010/11 am Universitätszentrum Theologie gehalten wurden. Dabei ging es – wie die beiden Herausgeber in der Einleitung betonen – darum „Spuren von Mystik freizulegen, um so zur Deutung religiöser Erfahrung heute beizutragen“ (S. 12).
Der vielzitierte Satz von Karl Rahner über die Mystik ist auch hier geheimes Leitmotiv: „Der Fromme von morgen wird ein ‚Mystiker‘ seiner, einer, der etwas ‚erfahren‘ hat, oder er wird nicht mehr sein …“ (zitiert auf S. 8). Und dieses Sein hat damit zu tun, dass in der „Mystik“ Annäherungen an ein „absolutes Geheimnis“ erfolgen (S. 11).
Die Herausgeber verweisen auf die Vielfältigkeit und Universalität des Mystik-Verständnisses. Der Titel nimmt dazu spirituelle Bewegungen genauer in den Blick, die in dem Wunsch nach Versöhntsein und Eins-Werden ganz unterschiedlich zum Ausdruck kommen. Es sind Suchbewegungen hin zu einer umfassenderen Realität, zum Göttlichen. Auch die christliche Spiritualität ist voll von dieser Sehnsucht. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Blick in die Bibel, ins Mittelalter oder in ganz praktische Lebensbereiche von heute geht. Mystik hat also keineswegs etwas von ihrer Aktualität verloren.
Die Spezialistin für ostkirchliche Orthodoxie, Anneliese Felber, zeigt, wie Impulse der abseits zivilisatorischer Zentren lebenden Wüstenväter und -mütter im spätantiken Ägypten die wesentlichen Lebensthemen beeinflusst haben: Demut, Herzensruhe, Askese, stabilitas loci, Schweigen und Umgang mit den Leidenschaften. Sie sind in nachdenkenswerten Spruchsammlungen überliefert worden: „Die Sprüche der Wüstenmütter und –väter faszinieren durch eine echte geerdete Spiritualität, die mit einem liebenden Blick bei der Realität des Menschen ansetzt, bei seinen Schwächen und Leidenschaften, ohne zu überfordern“ (S. 36).
Ganz anders nähert sich der Neutestamentler Josef Pichler dem Thema. Er geht von der radikalen Jesusnachfolge aus, die durch das Ostereignis geprägt ist. Von daher befragt er das Johannesevangelium nach seinen Erlösungsintentionen: „Volle Aktualisierung der Erlösung ist für das Johannesevangelium … kein Ereignis, das auf die menschliche Innerlichkeit begrenzt wäre, sondern Erlösung wird in diesem Wort umfassend als Verwirklichung von Gerechtigkeit gedeutet“ (S. 61). Die eingestreuten Cartoons wirken dabei allerdings etwas deplaziert.
Eine alttestamentliche Sicht bringt die Bibelwissenschaftlerin Sigrid Eder durch Beispiele aus den Psalmen ein. Bildersprache und Themen spannen den Bogen von der Klage bis zum Lob. Die Sehnsucht nach dem Gott des Lebens stellt sich dabei als Zentrum dieser Aussagen dar – in poetischer Sprachgewalt. Trotz einer anderen, vielfach fremden Welt, von der die Psalmen erzählen, haben diese bis heute eine große existentielle Aktualität beibehalten.
1.    Zuerst schreibt der Franziskanermönch und Studierendenseelsorger, Paul Zahner über Franziskus von Assisu. Er hebt die Schöpfungsmystik des hl. Franz im Gotteslob für die Vögel und mit ihnen zusammen hervor. Im Wesenszusammenhang von Sonnengesang und Gottesbegegnung bei allem Leiden benennt er dies zugleich als ein Erspüren der verborgenen Gegenwart Jesu Christi.
2.    In einem zweiten Anlauf vergleicht die Religionswissenschaftlerin Theresia Heimerl die Annäherung an die Einheit mit dem Göttlichen bei Mechthild von Magdeburg und Meister Eckhart. Sie beschreibt, wie in der Liebesmystik von Mechthild die erotische Sprache über die Erotik hinaus in eine umfassendere Wirklichkeit führt. Meister Eckhart sieht dagegen in der Liebesmystik nur eine Verkleidung des Göttlichen. Er nimmt dabei erstaunliche biblische (Um-)Deutungen vor, wenn er sich dem Symbol der unio mystica annähert. Bei aller Unterschiedenheit entziehen sich jedoch beide Mystiker einer „simplen Wohlfühl-Spiritualität“ (S. 124).
3.    In der weiteren Vorstellung mittelalterlicher Mystiker kommt die extrem asketische, kontemplative und politische Katharina von Siena zur Sprache. Die Kirchenhistorikern Michaela Sohn-Kronthaler geht zuerst auf ihre Visionen ein, die Katharina von Kindheit an hatte. Aus dem Dienst an den Armen entwickelte sie dann eine geradezu prophetisch gesellschafts- und kirchenpolitische Kraft im Sinne von Kirchenreformen und der Versöhnung verfeindeter Gruppen.
Einen besonderen Vergleich lohnt westliches und östliches Christentum im Blick auf die liturgische Spiritualität. Basilius J. Groen, Liturgiewissenschaftler, Hymnologe und Professor für christliche Kunst breitet die reichhaltige ostkirchlliche orthodoxe Tradition des byzantinischen Ritus aus und betont die Körperlichkeit und Bildlichkeit bis hin zur „Göttlichen Liturgie“, die für viele den Höhepunkt des Christ-Seins bedeutet. Anders dagegen die römisch-katholische Tradition, die durch das 2. Vatikanische Konzil bedeutende Änderungen erfahren hat. Auch wenn die Messe von immer weniger Menschen besucht wird, so konvergiert dies doch erstaunlicherweise mit einer wachsenden Zahl von Ehrenamtlichen. Sie haben die Kirche z.T. radikal verändert. Es gibt bei aller Verschiedenheit von Zeit und geografischem Raum dennoch einen Grundkonsens zwischen Ost und West, nämlich die Erfahrung, dass Gottes Liebe da ist und lebendig in der gottesdienstlichen Feier erlebt werden kann.
Man ist gespannt, wie demgegenüber die liturgische Spiritualität im oft als nüchtern angesehenen Protestantismus einzuschätzen ist. Der Superintendent der evangelischen Diözese Steiermark, Hermann Miklas, bezieht sich zuerst auf Luthers „Deutsche Messe“, die besonders auf die Verständlichkeit der liturgischen Handlung setzt. Hier bahnt sich ein neues Symbol- und Ritualverständnis an, das die persönliche Spiritualität stärker hervorhebt und konfessionelle Unterschiede eher an „Kleinigkeiten“ festmacht (z.B. im in der Hervorhebung von Krippe oder Christbaum). Neben der Kirche Augsburgischen Bekenntnisses (A.B.) hat die Reformierte Kirche Österreichs (H.B.) gewissermaßen eine Schweizer Prägung. Aufklärung und Pietismus verändern dann die protestantische Spiritualität noch einmal erheblich. Sie muss immer auch unter den staatlichen Bedingungen Österreichs zwischen verbotenem Protestantismus und dem josefinischen Toleranzpatent von 1781 gesehen werden – bis hin zu großer ökumenischer Offenheit seit dem 20. Jahrhundert. Die Kirche insgesamt ist angesichts von Säkularisierung und Re-Spiritualisierung besonders herausgefordert.
Der Liturgiewissenschaftler Peter Ebenbauer geht anders als sein Fachkollege Basilius J. Groen auf die sinnlich und körperlich erfahrbaren Aspekte liturgischer Spiritualität zwischen Sinnenfreude und Purismus ein und plädiert für eine „integral gelebte Religiosität und einen leibhaftig gefeierten Glauben“ (S. 210). „Eine Mystik des Alltags“ (S. 211) wird sich zugleich gegen eine „realitätsferne Romantisierung des Glaubens“ liturgischer Ausdrucksformen wehren, aber den Körper als „zentrales liturgisches Erfahrungsmedium stärker in den Gottesdienst …integrieren“ (S. 213).
Am Schluss geht die Herausgeberin Elisabeth Pernkopf auf die Mystik des Geistes („mystique de l’esprit“) philosophiegeschichtlich ein. Sie bezieht sich dabei auf den Cartesianer Nicolas Malebranche (1638-1715) und dessen Zusammendenken von Wahrheitssuche und „Vision de Dieu“. Die Achtsamkeit des Geistes führt zum Gebet. Das ist für die Autorin der Anknüpfungspunkt, um vom „Gebet der Aufmerksamkeit“ im 20. Jahrhundert zu sprechen, für das es immer wieder ganz vorsichtig mystische, philosophische und literarische Ortungsversuche gibt. Sie macht dies an dem Kontemplations-Verständnis von Walter Benjamin im Kontext von Franz Kafka, Simone Weil und Paul Celan deutlich.
Die Aktualität von Mystik in der Gegenwart hat die Autor/innen dazu bewogen, das Spannungsfeld von Sagbarem und Geheimnisvollem aus verschiedenen Blickwinkeln, aber doch mit einem gewissen liturgischen „Achtergewicht“ zu umschreiben. Auch wenn die Beiträger/innen bewusst im christlichen Horizont bleiben, wird in ihren Ausführungen doch eine Horizonterweiterung deutlich, die offensichtlich Meister Eckhart geschuldet ist: „Mystik verdankt sich der Sehnsucht der Menschen, über sich selbst und die Welt hinaus mit dem Unbedingten, dem Grund, Gott bzw. dem Göttlichen in einer Unio mystica zu sein“ (S. 7).
Die Leser/innen werden mit diesem Band sowohl historisch, gegenwartsbezogen als auch kirchlich-liturgisch anfragend auf die Vielfältigkeit spiritueller Ausdrucksformen im Christentum des Ostens wie des Westens verwiesen. Es lohnt durchaus, sich den eigenen christlichen Quellen anzunähern.

Reinhard Kirste, 31.01.2012
Buch des Monats Februar 2012 der INTR°A-Bibliothek