Annäherungen an den Koran – Vielfalt neuerer Übersetzungen

Es gibt inzwischen eine ganze Reihe deutscher Koran-Ausgaben und Übersetzungen
(vgl. Wikipedia zum Koran insgesamt).

Zuweilen hat man den Eindruck, dass deutsche Verlage um die beste Übersetzung wetteifern. Sie versuchen dabei Authentizität im Blick auf das arabische Original und wissenschaftliche Korrektheit miteinander zu verbinden. Die Ergebnisse sind recht unterschiedlich.

Der Herder-Verlag hat 2009 mit der Übersetzung von Ahmad Milad Karimi auch noch einen Islamwissenschaftler, Bernhard Uhde, für das Poetische des Koran betonende deutsche Ausgabe gewonnen.
Die vorliegende Rezension, verbunden mit einem Vergleich einiger Suren aus der Koranausgabe von Max Henning (Hugendubel 1999) bezieht sich auch auf die Ausgabe von Muhammad Asad (s.u.).

Der Patmos-Verlag ist einen anderen Weg gegangen (ebenfalls 2009). Er hat die englische Koranausgabe des berühmten Konvertiten Muhammad Asad, alias Leopold Weiss zusammen mit dessen Kommentar ins Deutsche übertragen lassen. Herausgekommen ist eine sprachlich nicht immer ganz befriedigende, aber unter historischen Gesichtspunkten wichtige Ausgabe, deren Bedeutung durch Asads wenig orthodoxen Kommentar noch steigt (Rezension hier).

Nun ist auch die Koran-Übersetzung von Hartmut Bobzin fertig (C.H. Beck München 2010). Im Interview beschreibt er seine Motivation und die Typik seiner Übertragung ins Deutsche. — (Rezension hier)
Der Schriftsteller Stefan Weidner hält sie trotz einer Reihe von Schwerfälligkeiten für die derzeit beste deutsche Koranübersetzung, wie er in Qantara.de schreibt.

2009 kam eine weitere ausführliche Übersetzung heraus, der im Anhang noch weitere Beiträge zu einem sachgemäßen Koranverständnis hinzugefügt wurden: Ali Ünal: Der Koran und seine Übersetzung mit Kommentar und Anmerkungen, eine Übertragung aus dem Englischen von Fatima Grimm und Wilhelm Willeke (Offenbach: Fontäne 2009) — (Rezension hier)

Überhaupt lohnt ein Überblick der beachtlichen Zahl von Koranausgaben mit Hadithen, Kommentaren und Vergleichen von Bibel unbd Koran (Details hier), die hier in einer orientierenden Zusammenstellung präsentiert werden.

Vielfalt des Orients – Festschrift für Peter Heine

Einblicke in die Vielfalt des Orients und den vom Mittelmeer bis Indien bietet die von fachkompetenten FreundInnen, SchülerInnen und KollegInnen herausgegebene Festschrift für den renommierten Islamwissenschaftler Peter Heine zu dessen 65. Geburtstag. 

Anke Bentzin / Henner Fürtig / Thomas Krüppner / Riem Spielhaus (Hg.):
Zwischen Orient und Okzident.

Studien zu Mobilität von Wissen, Konzepten und Praktiken.
Festschrift für Peter Heine
Freiburg u.a.: Herder 2010,368 S. 

In Anspielung an das Goethe-Zitat aus dem West-östlichen Divan: "Orient und Okzident sind nicht mehr zu trennen" bedeutet die Lektüre dieser Artikelvielzahl zugleich eine geografisch und geschichtlich orientierte Reise in die Vielfalt des Orients zwischen Antike und Gegenwart. Grundsätzliches zur (islamischen) Religionsauslegung ("Aushandlungen"!) bis in die Praxis von Scharia und Kopftuchfragen, Wissentransfer und Identitätsprobleme sowie Globalisierung damals und heute eröffenen auch viele bisher nicht gesehene und ungewöhnliche Perspektiven (etwa bei der Kulinarik).  

Buch des Monats September 2010 – Islamkritik ohne Polemik

Angesichts sich immer wiederholender Phasen undifferenzierter und gehässiger Islamkritik, zuletzt besonders durch die Auftritte und das Buch von Bundesbank-Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin, sollten auch andere Stimmen gehört werden. Eine solch andere Stimmenvielfalt hat der Islam- und Politikwissenschaftler Thorsten Gerald Schneiders als Fortsetzung des Bandes “Islamfeindlichkeit” (vgl. Beitrag und Rezension bei INTR°A) zusammengetragen, und zwar in:

Thorsten Gerald Schneiders (Hg.):
Islamverherrlichung. Wenn die Kritik zum Tabu wird.

Wiesbaden: VS-Verlag 2010

— Rezension hier —

Der Titel ist etwas missverständlich, denn es geht in dieser Zusammenstellungen von christlich und muslimisch geprägten Fachautoren darum, die falschen Fronten der Islamkritik abzubauen. Dabei werden Schwachstellen und Ärgernisse sowohl in der Vergangenheit und Gegenwart nicht verschwiegen. Es tut jedoch gut, wenn die durchaus gängige inkriminierende Begleitmusik beim Themenfeld “Islam, Muslime, Einwanderung, Integration” durch selbst ernannte Experten hier nicht zu hören ist.

Verwundete Glaubensgewissheit und Gewaltreaktionen in der Begegnung von Christentum und Islam

Verunsicherung des eigenen Glaubens stellt religiöse Gewissheiten in Frage und kann leicht in Aggression umschlagen. Das haben Christentum und Islam in Geschichte und Gegenwart oft genug erlebt und erleben es immer wieder. Gleichzeitig wird die Begegnung zwischen diesen beiden monotheistischen Religionen durch die oft gewaltsam erhobenen Ansprüche belastet und macht immer wieder die gegenseitig erlittenen Verwundungen offenbar. Das hat ein  Herausgeberteam von den Universitäten Münster und Paderborn ermutigt, diesen Verwundungen genauer nachzugehen:

Jürgen Werbick / Muhammad Sven Kalisch / Klaus von Stosch (Hg.):
Verwundete Gewissheit.
Strategien zum Umgang mit Verunsicherung im Christentum und im Islam.

Beiträge zur komparativen Theologie Bd. 1
Paderborn u.a.: Schöningh 2010
— Rezension hier —

Die in einem solchen Rahmen angestellten Vergleiche sind darum nicht nur ein innertheologisches Beschäftigungsspiel, sondern diese können friedenspädagogische Orientierungen geben.

Buch des Monats August 2010 – Jacques Dupuis und der religiöse Pluralismus

Der belgische Jesuit Jacques Dupuis (1923-2004) ist durch sein theologisches Engagement bei der Begegnung der Religionen bekannt geworden. Der Vatikan versuchte mit einer Notifikation (2001) diese interreligiöse Offenheit auszubremsen. Das bereits 1997 in Englisch und Französisch erschienene Buch (Rezension hier), inzwischen Standardwerk einer christlichen Theologie der Religionen in Fortführung des 2. Vatikanischen Konzils, ist nun endlich in Deutsch verfügbar:

Jacques Dupuis
Unterwegs zu einer christlichen Theologie des religiösen Pluralismus.
Hg.: Ulrich Winkler, Vorwort Hans Waldenfels
mit dem Text der Notifikation und weiteren Stellungnahmen
Innsbruck / Wien: Tyrolia 2010
— Ausführliche Rezension hier —

Jacques Dupuis gelingt es mit diesem Werk, Geschichte und Systematik interreligiöser Begegnung so aufzuarbeiten, dass die  Unterschiede und Konvergenzen aus einer trinitarisch-christologischen Sicht heraus deutlich werden. Religiöser Pluralismus wird damit zur Chance vertiefter Begegnung religiöser Traditionen und ihrer Heilsangebote.

Buch des Monats Juli 2010 – Religiöse Grundlagen der Menschenrechte

An der Achtung für der Würde des “Anderen” entscheidet sich serh deutlich, wie es die Religionen grundsätzlich und praktisch mit den Menschenrechten und der Menschenwürde handeln. Die religiöse Geschichte der Menschenrechte ist für alle Religionen nicht unbedingt ein Ruhmesblatt. Die katholische Theologin Katharina Ceming versucht nun, den “Ernstfall” Menschenrechte (auch im Blick auf Frauenrechte) durch die verschiedenen Religionen durchzudenken. Dabei ist ihr ein beeindruckendes Werk gelungen:

Katharina Ceming:
Ernstfall Menschenrechte.
Die Würde des Menschen und die Weltreligionen
München: Kösel 2010
— Rezension hier —

Katharina Ceming hat die Zusammenhänge von Spiritualität und Ethik schon mehrfach aufgenommen und dabei Gemeinsamkeiten der Religionen immer wieder herausgehoben.
Hier sei an das Buch erinnert:
Sorge dich nicht um morgen –

Die Bergpredigt buddhistisch gelesen.

München: Kösel 2009
Rezension hier —

Besonders durch das von von ihr gegründete Institut: Quelle des guten Lebens nimmt diese Überlegungen kontinierlich und lebenspraktisch auf.
Die INTR°A-Bibliothek hat dieses Buch wegen seiner religiös-aktuellen Bedeutung zum Buch des Monats Juli 2010 gewählt.

 

Islamische Reformkräfte – das Beispiel Indonesien

Angesichts der negativen Schlagzeilen, die "der" Islam immer wieder macht, lohnt der differenzierte Blick in den variantenreichtum des Islam, wie er sich mit reformerischem Gesicht in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten islamischen Land zeigt.

Es ist ausgesprochen wichtig, solche Reformentwicklungen auch in Europa wahrzunehmen und gleichzeitig solche Möglichkeiten als Gesprächsbasis zu benutzen:

Simone Gröschl:

Islamische Reformdiskurse in Indonesien.


Vom Neo-Modernismus

                         

zum "Netzwerk Liberaler Islam".

                    
Saarbrücken: VDM Dr. Müller (E-Book) 2010
         — Rezension hier —

      

In diesem sorgsam recherchierten Buch wird deutlich, dass interreligiöse Begegnungen für eine harmnische Gesellschaft ein wesentlicher Faktor bleiben.

 

Tariq Ramadan und der Prophet Mohammed als Vorbild

Tariq Ramadan, Enkel des Gründers der Muslim-Bruderschaft Hassan al-Banna gehört zu denjenigen europäischen Philosophen und Islamwissenschaftlern, die sich mit ihren Vorträgen und Büchern für ein Islam-Verständnis einsetzen, das nicht einen speziellen Euro-Islam propagiert, sondern aufzeigt, wie der Islam in die Kultur des Westens hineingehört. Er fordert darum in seinem Buch "Radikale Reform" zeitgemäße Lesarten des Islam
(vgl. ufuq.de vom 09.06.09).

Seine Propheten-Biografie ist darum weniger ein wissenshaftlicher Forschunbgsbericht als vielmehr im Sinne aktualisierender Lesart ein narratives Bekenntnis zu Mohammed:

Tariq Ramadan: Muhammad.
Auf den Spuren des Propheten.

Aus dem Englischen von Fiona Poppeler und Felicitas Schreiber
unter Mitwirkung von Kristiane Backer. München: Diedrichs 2009, 288 S.
— Rezension hier —

Die vorliegende ausführliche Buchbeschreibung und Bewertung, die im Rahmen eines Seminars an der TU Dortmund entstanden ist, ist gleichzeitig eine Empfehlung, sich mehr mit der Gründergestalt des Islam zu beschäftigen.

Wie schwierig die Haltung Tariq Ramadans wirklich zu beurteilen ist, zeigt die Tatsache, dass er im April 2010 zum ersten Mal nach sechs Jahren Verbot wieder in die USA einreisen durfte (Bericht der NZZ vom 12.04.10).

Auch zuvor hatte es schon mehrfach Auseinandersetzungen im seine Person gegeben (vgl. INTR°A-Tagebuch vom 28.08.09).

Herausforderung für interreligiöse Bildung – gerade in der Schule

Kompetenz Religion ist in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft nach der Meinung einer größer werdenden Zahl von TheologInnen und PädagogInnen unterschiedlicher Konfessionen und Religionen eine unandingbare Notwendigkeit.


In dem gleichnamigen Buch haben AutorInnen aus dem "Forum für religiöse Bildung", kurz: "interreligion(e)s eine Zwischenbilanz gezogen und visionäre Impulse gesetzt:

Aaron Schart / Andreas Obermann (Hg.):
Kompetenz Religion.
Religiöse Bildung im Spannungsfeld von Konfessionalität und Pluralität.

Nordhausen: Bautz 2010, 292 S.
— Rezension hier —

So wird deutlich, dass Dialog und Begegnung der Religionen  nicht nur das Hobby von einigen wenigen "Multikulturellen" sein kann, sondern "Schlüsselkompetenz Religion" als pädagogische Notwendigkeit für die Schule und einen veränderten Religionsunterricht umgesetzt werden muss.

Berlin – sakrale Entdeckungen

Spiritualität sucht auch architektonischen Ausdruck. Große Städte verbreiten hier ein eigenes, sehr unterschiedliches Flair. Von Berlin vermutet man eher, dass die religiösen Gebäude eine Randfunktion haben oder höchstens Repräsentationsbauten sind. Ein durchaus anderes und zudem facettenreiches Bild bietet der Band

            
Thomas Götz / Peter Eichhorn:
                
Berlin. Sakrale Orte.

             
Berlin: Grebennikov 2010, 160 S.,
             
500 Farbfotos und Abbildungen
— Rezension hier —

Aber nicht nur die Kirchen aus den verschiedenen Jahrhunderten bis in die Gegenwart kommen ins Bild, sondern auch die Synagogen, Tempel und Moscheen der "Anderen".