Religion und Gewalt als Thema des Unterrichts

Bundeszentrale für politische Bildung (bpb Hg.): Religion und Gewalt. Themenblätter im Unterricht Nr. 17, Frühjahr 2002, 10 S. 

Ankündigungstext der bpb: „Die großen Religionen wurden zu allen Zeiten zum Guten gebraucht und zum Schlechten missbraucht: Am Beispiel des Nahost-Konfliktes können diese Zusammenhänge verdeutlicht werden.“
Die hier vorgestellten Arbeitsblätter bieten Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit, anhand ausgewählter Beispielaufgaben den Themenschwerpunkt Nahostkonflikt im Unterricht behandeln zu können.
Zu Beginn erfolgt eine kurze Charakterisierung der verschiedenen Weltreligionen bezüglich ihrer vermeintlichen Universalansprüche. Im Anschluss findet ein kurzer geschichtlicher Abriss sowohl des Christentums als auch des Islam statt, in welchem wichtige Jahreszahlen und Begebenheiten genannt werden.

Die Definition des Begriffes Fundamentalistschließt daran an und führt zur ersten Arbeitsaufgabe. Es werden viele Fakten zum bestehenden Konflikt zwischen Israel und Palästina in loser Reihenfolge aufgeführt. Diese sollen von den Schülerinnen und Schülern nach ihrer subjektiven, respektive objektiven Aussagekraft in zwei entsprechenden Spalten geordnet werden. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte soll dann ein Rollenspiel stattfinden, in welchem die beiden Konfliktparteien mit den jeweils für sie passenden Argumenten diskutieren können.
Die Problematik dieser Aufgabenstellungwird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wie lange der Nahostkonflikt eigentlich schon schwelt und wie verschachtelt die Situation sich darstellt. Anhand einiger Stichpunkte kann der immensen Tragkraft und Hartnäckigkeit der realen Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern nämlich nicht adäquat Rechnung getragen werden. Zu differenziert fallen bei näherer Betrachtung die Positionen der beiden streitenden Parteien aus, als dass ein ordentlicher Zugang nur anhand einer Arbeitsaufgabe ohne konkretes Hintergrundwissen erfolgen könnte. Daher ist es unabdingbar, im Unterricht zunächst eine Einführung in das Thema Nahostkonfliktabzuhalten. Ohne eine ungefähre Kenntnis der Standpunkte beider Parteien dürfte es den Schülerinnen und Schülern schwerfallen, die auf dem Arbeitsblatt genannten Argumente nachvollziehen oder gar zuordnen zu können.
Es folgt das Gedicht „Nur“ des deutschen Schriftstellers und Journalisten Eugen Roth (1895-1976). Zu diesem gesellt sich eine Karikatur, welche von den Schülerinnen und Schülern nachfolgend unter anderem auf ihre Intention untersucht werden soll.
Die letzte Aufgabe des Arbeitsblattesmarkiert eine Auseinandersetzung mit dem Prinzip der „Goldenen Regel“. Diese taucht, unterschiedlich formuliert, in allen Weltreligionen auf. Es gilt herauszufinden, welche dieser Formulierungen am sinnvollsten erscheint und die Entscheidung dann auch zu erörtern.
Die Aufgabenstellung nötigt in diesem Fall keine grundlegenden Kenntnisse ab, sondern fordert von den Schülerinnen und Schülern vielmehr eine intuitive Wahrnehmung. Indem sie darstellen, warum sie sich für diese oder jene Version der goldenen Regel entschieden haben, bereiten sie den Boden für eine daran anschließende Diskussion rund um die sozialen und ethischen Prinzipien der entsprechenden Religion. Die Entscheidung soll dabei durchaus auf Grundlage persönlicher Erfahrungen erfolgen, da sich die Kinder und Jugendlichen auf diese Weise selbst einen Zugang zur Thematik legen können.
Zusammenfassend betrachtet fällt die Qualität dieser Themenblätter „durchwachsen“ aus. Die geschichtlichen Abrisse von Christentum und Islam geben ein zu sehr reduziertes Bild, um das zu behandelnde Thema zu vertiefen. Es fällt außerdem schwer, eine Beziehung zwischen den beiden Themenkomplexen Nahostkonflikt und „Goldene Regel“ herzustellen. Die Zusammenstellung erscheint ohne Vorkenntnisse etwas willkürlich. Somit können die gestellten Aufgaben nicht von vornherein als eine Einheit behandelt werden. Das Arbeitsblatt sollte erst herangezogen werden, wenn die Schülerinnen und Schüler bereits mit der Geschichte des Nahostkonfliktes vertraut gemacht wurden.
Die „Goldene Regel“ hingegen erscheint als generell gute Hinführung zu einer Diskussion im religiösen oder ethischen Kontext. Doch auch zur Vertiefung kann sie dienen, indem man, beispielsweise den Nahostkonflikt, auf ein etwaiges Vorhandensein des in der Regel aufgestellten Prinzips untersucht.
Sascha Göddenhoff
Im Rahmen eines Seminars an der TU Dortmund (SoSe 2012):
„Theorie und Praxis der Religionen bei Krieg und Frieden“
Rz-bpb-Krieg-Frieden-Göddenhoff, 21.05.12