Zen-Buddhismus: Meditativer Lebensstil zwischen sozialem Engagement und japanischem Nationalismus

Besprechung zweier Bücher im Rahmen eines Seminars an der TU Dortmund, Sommersemester 2012: Theorie und Praxis der Religionen bei Krieg und Frieden. Für die Rezension haben wir uns zwei Bücher, die den wichtigen Zusammenhang von meditativer Lebenspraxis, sozialer Verantwortung aber auch den Zusammenhang mit nationalistischen Auswüchsen des Zen-Buddhismus anzeigen:
  • „Barmherzigkeit aus der Stille – Zen und soziales Engagement“ von Ruben Habito (1990)
  •  „Zen, Nationalismus und Faschismus – eine unheimliche Allianz“ von Brian Victoria (1999)
Rezensentinnen: Julia Sänger und Hannah Abraham
Ruben Habito: Barmherzigkeit der Stille –
Zen und soziales Engagement.

Aus dem Amerikanischen von Niklaus Brantschen und Lilian Otto.
Mit einem Vorwort von Hugo M. Enomiya-Lassalle. München: Kösel 1990, 119 S.

— ISBN 3-466-20084-9
 Der ursprünglich philippinische Jesuitenpriester und seit langen Professor für Religionswissenschaft  und spirituelle Traditionen in Dallas/Texas, Ruben Habito (geb. 1947) ist zugleich Zen-Schüler, dessen Erleuchtung von einem japanischen Zen-Meister anerkannt wurde. Er liefert mit diesem Buch Berichte aus eigener Erfahrung, die den ursprünglich in China und Japan entwickelten Zen-Buddhismus sehr anschaulich näher bringen.  
Im Sinne einer inhaltlichen Konzentrierung haben wir uns bei diesem Buch für das Kapitel 8 „Zen und das neue Bewusstsein“ für unsere Buchkritik entschieden, in dem es um ein Gespräch zwischen Yamada Koun Roshi und P. Hugo Enomiya-Lassalle geht. Habito ist dabei der Interviewer. 
1960/70 kamen immer mehr Christen nach Kamakura, einer ca. 50 km südwestlich von  Tokio an der Sagami-Buchtgelegenen Stadt, um am Sesshin (eine Periode unterschiedlicher Länge mit konzentrierter Zen-Meditation) teilzunehmen, das von Yamada Koun Roshi praktiziert wurde. Christen und Buddhisten meditierten zusammen. Hugo Enomiya-Lassalle war damals der einzige Priester der daran teilnahm, weil er wusste, dass er etwas über Zen lernen müsse, wenn er die japanische Mentalität verstehen wollte.
Fazit: Durch die Intensität der Gesprächsteilnehmer, lässt sich deutlich festhalten, dass hier ein bemerkenswerter Fortschritt in der Beziehung von Zen-Buddhismus und Christentum erreicht wurde.
Im Blick auf das nun vorzustellende zweite Buch, ist es wichtig festzuhalten, dass in Japan in der Meiji-Zeit eine politische Veränderung stattfand, die auch erhebliche Auswirkungen auf das Verhältnis von Religion und Staat hatte: Die sog. Meiji-Periode wird zwischen 1868 und 1912 angesetzt. Sie beginnt mit einer Umformung des bisherigen Feudalstaats Japan in eine moderne imperiale Großmacht. Hier gewinnt der sich verstärkende Nationalismus auch religiöse Unterstützung – durch den traditionellen Shintoismus, aber auch durch den Buddhismus, und zwar in dem Sinne, dass die Religion den Staat schützt.
Brian (Daizen) A. Victoria:
Zen, Nationalismus und Krieg.
Eine unheimliche Allianz
.
Aus dem Englischen von Theo Kierdorf
in Zusammenarbeit mit Hildegard Höhr. Berlin: Theseus 1999, 400 S. — ISBN 3-89620-132-8
— Überarbeitete Rezension bei „Ein-Sichten“, zuerst erschienen in
RIG 6 (2000), S. 550–552:
Rz-Victoria
Um eine kritisch-ehrliche Betrachtung unterschiedlicher Facetten des Buddhismus und die Disziplin und Zen-buddhistische Strenge anzusprechen, die offensichtlich auch den japanischen Nationalismus z.T. ideologische untermauerte, sei dieses Buch besonders herausgehoben. 
Brian Victoria aus Neuseeland ist Zen-Priester, Menschenrechtler und Forscher des Zen-Buddhismus  Durch die in diesem Buch beschriebenen Informationen und Hintergründe, die Victoria teils aus eigener Erfahrung, teils aus Berichten von anderen Personen beschreibt, werden auch die kriegerischen und faschistischen Seiten einer im Grunde meditativen Spiritualtät durchleuchtet.
Für die inhaltliche Zuspitzung haben wir uns für Abschnitte des zweiten Kapitels des Buches mit dem Titel „Eine Zeit gesellschaftlichen und politischen Umbruchs“ entschieden, darin besonders auf die „Buddhistischen Reaktionen auf den Westen“(vgl. dazu. S. 31–35).

Fazit: Das gesamte Buch stellt darum in besonderer Weise heraus, wie zum einen der Zen-Buddhismus eine verantwortliche auf innere Ein-Sicht bezogene Lebensweise ermöglicht, auf der anderen Seite aber genau dies immer wieder instrumentalisiert werden kann. Auch wichtige Meister aus dem japanischen Zen-Buddhismus haben sich damit durchaus bewusst in eine faschistische Denkweise manövriert und nationalistisch-imperiales Auftreten im 20. Jahrhundert gefördert. Der 2. Weltkrieg, dessen Ende in Japan die Atombombenabwürfe von Hiroshima und Nagasaki markieren, ist dafür ein warnendes Zeichen.

Weitere rezensierte Bücher zum Zen-Buddhismus:
  •  Ursula Baatz:Erleuchtung trifft Christentum. Zen-Buddhismus trifft Christentum (2009): 
  •  Konstantin Wecker / Bernard Glassmann / Christa Spannbauer (Hg.):
    Es geht ums Tun und nicht ums Siegen (2011): 
    Rezension hier                                                                                                           

                                                                                                                                                   Rz-Zen-Buddhismus-SoSe 2012, 26.06.12