Buch des Monats November 2014: Kirchenreform und Kirchenkritik – Zur “Biografie” von Paul Zulehner

Rz-Zulehner-MitgiftPaul M. Zulehner: Mitgift. Autobigrafisches anderer Art.
Ostfildern: Patmos (Schwabenverlag 2014), 296 S., Abb., Lebenslauf
— ISBN 978-3-8436-0542-7

Schon der Titel dieses Buches ist ungewöhnlich – Mitgift. Es kommen sofort zwei sehr unterschiedliche Wortbedeutungen in den Sinn: die Mitgift als Brautgabe, ein besonderes Geschenk für ein gemeinsames Leben. Aber es kommt auch schnell die Assoziation bei der Worttrennung auf: Mit-Gift. Wer die theologische Laufbahn des katholischen Theologen Paul Zulehner etwas verfolgt hat, wird entdecken, dass er beides erlebt hat Gnadengeschenke, aber auch bösartige (vatikanische) Anfeindungen. Das wirft auch Schatten auf eine Kirche, die sich doch der göttlichen Wahrheit und der Frohen Botschaft des Heils verschrieben hat. Kein Wunder also, dass dieses sehr persönliche Buch des Autors keine Biografie im üblichen Sinn ist, sondern eine Art Zwischenbilanz, die zugleich erlebte Kirchengeschichte widerspiegelt.

Überblickt man dieses autobiografische Mosaik, so spüren die Lesenden, dass der als liberal und links immer wieder diskreditierte Zulehner zu den herausragenden Theologen in der Weiterentwicklung des 2. Vatikanums gehört. Er forderte ernsthaft grundlegende Veränderungen des Priesterberufs mit dem Pflichtzölibat, das er an sich selbst problematisch genug erfuhr. Gerade darum bedachte er Alternativen für eine zukunftsorientierte Kirche. Zulehner gehört damit in die Reihe derer, die mehr für die Glaubwürdigkeit der Kirche (nicht nur der katholischen) getan haben als jene sog. Bewahrer und vatikanischen Bremser, die nicht an überkommenen Strukturen rütteln wollten. Bescheiden stellt er seine vorläufige Lebensbilanz als Fragment darAber es tröstet ihn, „dass gerade große Komponisten Unvollendetes hinterlassen haben“ (S. 290f). Als einer, der gelernt hat, mit dem Mangel zu leben, geht er hoffnungsvoll dem finalen Empfang bei Gott entgegen … Ein faszinierendes Buch!

Ausführliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste

relpäd-Zulehner-Mitgift, 31.10.14    Creative Commons-Lizenz

Im Überschneidungsfeld von Theologie und Literatur: Die Bachl-Lectures

Gregor Rz-Hoff-Winkler_PoesieMaria Hoff / Ulrich Winkler (Hg.):
Poesie der Theologie:
Versuchsanordnungen zwischen Literatur und Theologie.
Bachl-Lectures 2007-2011 

Salzburger Theologische Studien Bd. 45. Innsbruck-Wien: Tyrolia 2012. 179 S.
— ISBN 978-3-7022-3192-7—

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Der katholische Dogmatiker und Ökumeniker Gottfried Bachl (geb. 1932 in Linz) gehört zu den weniger bekannten, aber doch wichtigen Theologen im deutschsprachigen Raum, weil er praktische Erfahrung und wissenschaftliche Theologie in vielfältiger Weise miteinander verbindet. So hat er sich nicht nur mit seinen theologiegeschichtlichen Veröffentlichungen einen Namen gemacht, sondern auch mit seinem engen Bezug zur Literatur. Die Salzburger Universität hat es unternommen, die Mehrzahl der sog. Bachl-Lectures zum 80. Geburtstag von Gottfried Bachl zu dokumentieren. Herausgekommen ist ein Kaleidoskop zwischen Theologie, Liturgie und Poesie. Damit wird zugleich ein Signal gesetzt, dass der religiöse Bereich ständige Veränderungen braucht, um durch unterschiedliche Sichtweisen, auch bewusste Irritationen, Glauben heute überzeugend zu leben.

Dieses Buch macht überzeugend deutlich, wie notwendig das Gespräch zwischen Theologe und Literatur ist und unbedingt bleiben muss. Theologie lebt von der Sprache, darum braucht sie die Literatur. Dorothee Sölle hätte sicher – wie immer eigenständig – mit eingestimmt.

Reinhard Kirste

 

                                                                                                                       Rz-Hoff-Winkler_Poesie, 06.10.13    Creative Commons-Lizenz

 

Leitmotive des Politischen zwischen theologischer Absolutheit und philosophischer Freiheit

Rz-Meier-Schmitt-StraussHeinrich Meier: Carl Schmitt, Leo Strauss und “Der Begriff des Politischen”. Zu einem Dialog unter Abwesenden.
Stuttgart/Weimar: J.B. Metzler [1988], 2013, 3. erw. Aufl., 200 S., Namenverzeichnis
— ISBN: 978-3-476-02467-1—
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 Als Editor und Kommentator stellt der Münchner Philosoph Heinrich Meier zwei Konservative vor: den Katholiken Carl Schmitt aus dem sauerländischen Plettenberg (1888-1985) und Leo Strauss (1899–1973), deutsch-amerikanischer Philosoph jüdischer Herkunft, dessen elitär geprägte Anthropologie auch zu einer philosophischen Schulbildung führte. Nun hat der eine, Carl Schmitt als deutscher Staats- und Völkerrechtler wie auch als politischer Philosoph, einen weltbekannten, allerdings umstrittenen Ruf, gehörte er doch zu den juristischen „Chefideologen“ des Nationalsozialismus.

Aber auch Leo Strauss übt heftigste Kritik an der Moderne und einem säkular offenen Kulturverständnis, ja macht gar die Aufklärung, den Relativismus und den Liberalismus für die Zerstörung der (bisherigen) Philosophie verantwortlich. Er besinnt sich dabei auf das wahre Philosophieren bei Sokrates und Platon. M.a.W. die von ihm so titulierten destruktiven modernen Hauptströmungen verhindern Philosophie und damit das, worauf Philosophie seiner Meinung nach abzielt – auf die Tugend.

Strauss‘ Anmerkungen zum Begriff des Politischen bei Carl Schmitt (S. 97ff) sowie seine im Buch abgedruckten Drei Briefe an Carl Schmitt (S. 129ff)  zeigen u.a., dass Schmitt es nur  „unternimmt“ seine radikale Kritik am Liberalismus zu präzisieren und auch zu verschärfen.  Dessen Politische Theologie, die auf die Absolutheit der Offenbarung gegründet ist, lebt (noch) aus dem Dualismus des Freund-Feind-Denkens lebt, während Strauss eine Position jenseits des Liberalismus sucht.

Was ist das letztlich für ein Streit, den der politische Theologe Carl Schmitt mit dem Begriff des Politischen entfacht und den Philosophen als Feind charakterisiert? Ihm hält Strauss die eigene Politische Philosophie entgegen. Im Epilog (S. 153ff) führt Meier Jacques Derrida an, der sich in „Politiques de l’amitíe“ auch auf Schmitt bezieht. Hier scheint sich eine hoffnungsvolle Antwort zu zeigen, weil sich Derridas moralisches Interesse mit den Politiken der Freundschaft verbindet (S. 171f). Politische Philosophie zielt auf eine dialogische Polis, in der nicht eine unhinterfragbare Offenbarung das Leitmotiv sein darf. Es ist keineswegs gleichgültig, welche philosophischen Traditionen das politische Denken bestimmen. Imgrunde müsste hier auch ein Diskurs über eine „Politische Theologie“ einsetzen, wie sie zum einen der Systematiker Trutz Rendtorff (im Zusammenhang der Ernst-Troeltsch-Studien) führt und zum anderen intensiv und dramatisch in den (lateinamerikanischen) Theologien der Befreiung zum Ausdruck kommt.

                                                                                                                                                            Reinhard Kirste

Rz-Meier-Schmitt-Strauss, 04.08.13      Creative Commons-Lizenz

Weltreligion Christentum – ökumenisches Lernen in der Oberstufe

Werner Trutwin: Weltreligionen – Christentum. Arbeitsbücher Sekundarstufe II.
Religion – Ethik – Philosophie.
München: Bayerischer Schulbuch Verlag (Patmos) 2012, 192 S. Abb. — ISBN 978-3-7627-0433-1
Völlige Neubearbeitung des bisherigen Heftes, das 1999 im Patmos-Verlag Düsseldorf erschien.

Mit diesem Band über die Vielfalt des Christentums ist nun die neubearbeitete Reihe für die Sekundarstufe II „Weltreligionen“ abgeschlossen.
Die bisherige Bände – Judentum,Islam, Hinduismus und Buddhismus – sind bereits unter „Ein-Sichten“ vorgestellt worden.

Der erfahrene Praktiker und Religionspädagoge Werner Trutwin behält auch bei diesem Arbeitsheft die gewählte Struktur zum Verständnis einer Religion bei, um damit zugleich eine gewisse Vergleichbarkeit im Blick auf die anderen Religionen zu ermöglichen.

Nach Anregungen für die unterrichtliche Arbeit im Kontext des Religionsunterrichts erwähnt Trutwin die „direkten“ Bezugsfächer „Ethik“ bzw. „Praktische Philosophie“. Er stellt dann einen klar strukturierten Kursunterricht in Religion vor.

Trutwin setzt gerade für die Schuke auf die positiven konfessionsökumenischen Erfahrungen. Zugleich wird die Begegnung der Religionen „auf Augenhöhe“ gerade für die Zukunft als eine unausweichliche Notwendigkeit postuliert. Damit ist hier ein religionsökumenisch offenes „Lehrbuch“ entstanden, das man als Christentum-Materialbasis mit seiner didaktischen und methodischen Vielfalt für den katholischen, evangelischen und islamischen Religionsunterricht nur wärmstens empfehlen kann.

                                                                                                                                                    Reinhard Kirste
Rz-Trutwin-Christentum, 03.08.12

Vernünftiger Glaube und religiöse Erfahrung – der Religionsphilosoph William James

Thörner, Katja: William James’ Konzept eines vernünftigen Glaubens auf der Basis religiöser Erfahrung.
Münchener philosophische Studien, NF Bd. 29.
Stuttgart: Kohlhammer 2011, 240 S., Register
zugleich Diss. 2009/2010
an der Hochschule für Philosophie, Philosophische Fakultät SJ, München
— ISBN 978-3-17-021718-8 — 

 Die hier vorliegende Dissertation bezieht sich schwerpunktmäßig auf einen philosophischen Bestseller aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts: „The Varieties of Religious Experience“ sowie „The Principles of Psychology“ von William James (1842-1910), der mit seinen philosophischen Vorlesungen insbesondere ein junges Publikum begeisterte. Hintergrund dieser Begeisterung dürfte die Tendenz in James‘ Denken gewesen sein, den Dogmatismus in die Grenzen zu verweisen. Das gilt sowohl für den Theismus wie für einen überbordenden Rationalismus. Denn dieser amerikanische Psychologe und Philosoph hat sich dadurch einen Namen gemacht, dass er seine rationalistisch angelegte Welterklärung weder monistisch noch dualistisch aufbaute, sondern einen metaphysischen Pluralismus favorisierte und mit religiöser Erfahrung verband. Das wäre dann ein erweiterter Vernunftbegriff, der mit Überlegungen einhergeht, dass die Welt kein Uni-versum, sondern ein Multi-versum ist, in dem das Individuum einen entsprechenden Platz findet.

Was dieses Buch für die Theologie und auch für den interreligiösen Dialog so anregend macht, ist neben religionspsychologischen und religionsphilosophischen Querverbindungen das von Thörner herausgehobene pluralistische Weltverständnis von James und seine Kritik am Absoluten/„Absoluten Geist“. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den Fragen:Inwiefern ist die Kraft des Universums wirklich personaler Natur (vgl. S. 218)?
Und: Könnte sich Personalität gerade angesichts der Komplexität des Universums doch nur als eine relative Hilfskonstruktion herausstellen?

 Ausführliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste

 Rz-Thörner-James, 28.07.12

Religionspädagogik als Autobiografie

Unter der Projektleitung von Rainer Lachmann (geb. 1940, Professor für Ev. Theologie, Religionspädagogik und Religionsdidaktik an der Universität Bamberg, seit 2005 emeritiert) und unter der Mitwirkung von Horst F. Rupp (geb. 1949, Professor für Ev. Theologie mit Schwerpunkt Religionspädagogik an der Universität Würzburg) wurde über Jahre hinweg an der Universität Bamberg die (auto-)biografische Forschung in religionspädagogischen Zusammenhängen vorangetrieben. Durch diese Initiative konnten eine beachtliche Zahl von Religionspädagog/innen gewonnen werden, die die Verknüpfung ihrer eigenen Biografie mit der Religionspädagogik und Didaktik beschrieben und entsprechende Schwerpunkte der eigenen Forschungsarbeit herausstellten. (Auto-)Biografieforschung eröffnet durch die subjektive Sicht der Beteiligten erweiterte Verständniswege der religionspädagogischen Konzepte sowohl evangelischer wie katholischer Autor/innen. Das Projekt wird unter leicht veränderten Bedingungen weiter fortgesetzt. Seit 1989 sind inzwischen 4 Bände erschienen. 

  •  Rainer Lachmann / Horst F. Rupp (Hg.), Lebensweg und religiöse Erziehung. Religionspädagogik als Autobiographie. Band 1 und 2. Weinheim: Beltz 1989
  •  Als Band 3: Dietrich Steinwede “So viel Gott strömt über. Streiflichter eines Lebens”.
    Mit einer Einstimmung bearbeitet und herausgegeben von Rainer Lachmann. Studien zur Theologie Bd. 20. Würzburg: Mittelstädt 2000
Der hier vorzustellende 4. Band erweitert die religionspädagogischen Intentionen nun stärker unter dem Bildungsbegriff, aber auch im Blick auf mögliche Zielgruppen. 
Die Herausgeber, beide von der Universität Würzburg, schreiben darum in ihrer Hinführung zu den einzelnen Autoren: „Erklärtes Ziel … ist es nun aufzuzeigen inwiefern (auto-)biografisches Lernen generell und das Lernen an (Auto-)Biographien in der Fluchtlinie einer als bildend zu charakterisierenden religionspädagogischen Konzeption liegen“ (S. 12). Neben einer knappen Auseinandersetzung mit bereits vorhandenen Bildungsansätzen sollen die narrativ geprägten Darstellungen Leser/innen und Rezipient/innen ermutigen, im „religionspädagogischen Lernen an und durch (auto-)biographische Erinnerungsdokumente“ „mehrperspektivische Zugänge zum religionspädagogischen Leben im Feld zwischen Beruf und Leben und … unterschiedliche Wirklichkeiten wahrzunehmen …“ (S. 33). Dies ermöglicht auch eine eigene Positionierung.
Es folgen nun 19 autobiografische Texte bekannter überwiegend schon emeritierter Religionspädagogen (es ist nur eine Frau dabei!), die jeweils auch als Herausforderung für das eigene Bildungsverständnis zu lesen sind und die grundlegende Frage nach der Religionspädagogik als Kommunikationswissenschaft in unterschiedlicher Weise ansprechen.
Die alphabetisch nach den Personen geordneten Artikel sind mit einer Kurzbiografie einschließlich der beruflichen Stationen, Ehrungen, Publikationen usw. ergänzt. Eine Zuordnung der einzelnen Beiträge nach inhaltlichen Kriterien wäre vermutlich (wie schon in den andern Bänden) zu schwierig gewesen.
  • Der aus einem hessischen evangelischen Pfarrhaus stammende Gottfried Adam (bis 2006 an der Universität Wien) spricht darüber, wie die Lebensbedeutsamkeit des Evangeliums von der Menschenfreundlichkeit Gottes zu dolmetschen sei, und zwar an der Universität, in der Gemeindepädagogik, an Förderschulen, in der Kinderbibelforschung und im diakonisch-sozialen Lernen. 
  •  Karl Foitzik (bis 2003 an der Augustana-Hochschule Neuendettelsau) geht auf die Kommunikationsstrukturen des Evangeliums „mitten in der Lebenswelt“ ein. Die Gemeindepädagogik liegt ihm dabei durchgängig am Herzen. 
  • Hans Grewel (ebenfalls Pfarrersohn, am Niederrhein und im Bergischen Land aufgewachsen, bis 2006 an der Universität Dortmund) berichtet von seinen Zugängen zur Religionspädagogik im Horizont religionspädagogischer Auf- und Umbrüche und seinem Interesse die Grundfragen des Glaubens und der Theologie wachzuhalten.
  • Engelbert Groß (niederrheinisch-katholisch geprägt und bis 2004 an der Universität Eichstätt-Ingolstadt) sieht seine Aufgabe (als Lehrer an Schule und Hochschule), Mit-Vorbereitender einer „Eine-Welt-Religionspädagogik“ zu sein.
  •  Helmut Hanisch (schlesisches „Flüchtlingskind“, bis 2008 an der Universität Leipzig) bringt seine deutschen Ost-West-Erfahrungen, besonders in die Mitgestaltung des Religionsunterrichts in Sachsen nach der Wende 1989 ein. 
  •  Horst Heinemann (Kind der „vaterlosen Generation“, bis 2006 an der Universität Kassel) bedenkt im Kontext seines beruflichen Lebenslaufes die Bedeutung von Kinderbibeln. 
  • Georg Hilger (bis 2005 an der Universität Regensburg), rheinisch-katholisch sozialisiert, nutzte die vielen Wege in die Religionspädagogik, ihre Praxisfähigkeit und schulische Reichweite, aber auch im Blick zum Aufbau einer Schulpastoral. 
  • Der aus einem evangelischen Pfarrhaus in Thüringen kommende Raimund Hoenen (bis 2004 an der Universität Halle-Wittenberg) zeichnet in gewisser Weise den Weg der „Christenlehre“ in der DDR bis hin zum Postulat öffentlicher Schulen mit religiöser Bildung nach. 
  • Religionspädagogik in der Spannung zwischen säkularer Postmoderne und Relevanz der Religionspädagogik und des Religionsunterrichts ist letztlich das Thema von Friedrich Johannsen (ev.-lutherischer Pastor, bis 2011 an der Universität Hannover).
  • Gewissermaßen Urgestein christlich geprägter Religionspädagogik spiegelt sich in Hans-Bernhard Kaufmann(zwischen Breslau, Kiel, Loccum und Münster) ein spannendes Leben, beginnend mit Erfahrungen im Nationalsozialismus und einem persönlichen Weg in die Hoffnungskraft christlichen Glaubens im Kontext theologisch-didaktischer Fragestellungen.
  • Besonders die religionspädagogische Entwicklung in Münster nimmt Roland Kollmann (vom katholischen Volksschullehrer in Essen, über die Universität Münster, dann bis 2000 an der Universität Dortmund) autobiografisch auf.
  • Der vaterlos bei Marburg aufwachsende Rainer Lachmann und theologisch und pädagogisch von „Marburg“ geprägt, kommen doch vielfältige Ortserfahrungen für den eigenen Glauben (didaktische und theologische!) zum Zuge. 
  • Und wieder ein Pfarrersohn: Johannes Lähnemann aus Niedersachsen: Sein persönlicher Glaube, verbunden mit einem religionsdidaktisch-dialogischen Konzept, gewinnt an den Orten seines Wirkens (in Westfalen und dann an den Universitäten Lüneburg und bis 2007 an der Universität Nürnberg) interreligiöse Weite. 
  • Und noch ein Pfarrersohn, diesmal aus Hessen, Jürgen Lott (bis 2011 an der Universität Bremen)- er gehört zu den Förderern eines konfessionsunabhängigen, an Kultur orientierten Religionsunterrichts im Sinne einer „lebensweltorientierten Religionspädagogik“ (S. 299).
  • In Reinhold Mokrosch (bis 2005 an der Universität Osnabrück) schwingt nicht nur eine aktualisierende Lutherrezeption mit, sondern ein theologischer Weg, der erst langsam, aber dann umso intensiver in eine sich interreligiös weitende Religionspädagogik im Sinne einer Friedenspädagogik und Werteentwicklung führt. 
  • Reiner Preul (Universitäten Tübingen und Marburg, bis 2005 an der Universität Kiel) gehört zu denjenigen Lehrern der Praktischen Theologie, die sich für eine „bildungstheoretisch fundierte Religionspädagogik“ stark machen.
  • Die den Religionsunterricht in Niedersachsen theoretisch wie praktisch mitprägende Lehrerin Anna-Katharina Szagun (1992–2005 Universität Rostock), auch aus einem Pfarrhaus stammend, erzählt ihre „vielfältig gebrochene“ Biografie (S. 342), darin die entscheidende Begegnung mit Dorothee Sölle (S. 342) und Aufbrüche hin zu pädagogischen Konzepten, die mit dem übenden Vollzug unmittelbar zusammengespannt werden. 
  • Auch Wolfram Weiße (Leiter der Akademie der Weltreligionen, Hamburg) kann auf Lehrererfahrungen zurückgreifen. Sie bestimmen den schon lange in der Hansestadt Lebenden wesentlich unter den Gesichtspunkten den Multikulturalität und der interreligiösen Erziehung. So öffnet sich für ihn der Horizont zu einem internationalen und dialogoffenen Christentum, im Sinne einer friedensengagierten Ökumene der Religionen. 
  • Zum Schluss beschreibt Rainer Winkel, der Gründungsrektor der Freien Schule Essen und der faktisch gescheiterten Reformschule, der Evangelischen Gesamtschule Gelsenkirchen-Bismarck, seine durch diese Ereignisse geprägte pädagogisch-religiöse Entwicklung. In seiner Lebensbeschreibung schwingt trotz mancher Rückschläge ein kindliches, aber keineswegs einfallsloses Gottesvertrauen mit. Es ist ein Vertrauen, das durch die Aufklärung ging und die Hoffnung zum Lebensprinzip macht.
Bilanz: Mit diesem 4. Band liegt nicht nur ein spannendes Mosaik engagierter katholischer und evangelischer Religionspädagogen vor. Vielmehr zeigt gerade die Vielfalt der auch unterschiedlich geschriebenen Lebenseindrücke die innovative und reformerische Kraft für eine dialogoffene Religionspädagogik und -didaktik, die aus der reflexiven Bearbeitung des eigenen Lebensweges erwachsen kann. Das ist sicher nicht nur für die Autoren aufschlussreich, die diese biografischen Skizzen geschrieben haben, sondern auch für jene, die aus dieser Lektüre Anregungen und Orientierungshilfen für eigenes Unterrichten in Kirchengemeinde, Schule und Hochschule gewinnen wollen. Religionspädagogische Konzepte leben offensichtlich nicht nur von der systematisch-didaktischen Kraft ihrer Autoren, sondern auch von der Reflexion des eigenen Lebensweges.
                                                                                                                                                                                          
Auf der INTR°A-Rezensionsseite „Ein-Sichten“ wurde bereits besprochen:  

Horst F. Rupp / Klaas Huizing (Hg.): Religion im Plural.   
Forum zur Pädagogik und Didaktik der Religion Bd. 3. Würzburg: Königshausen & Neumann 2011    

Reinhard Kirste
Rz-Rupp-Relpäd, 27.05.2012