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Himmelfahrt: Christus ist da, drinnen und draußen

„Was steht ihr da und schaut zum Himmel?“

Diese Frage der Engel scheint mir das Wichtigste zu sein in der Geschichte von Jesu Himmelfahrt. Ist Christus denn irgendwo da ganz weit oben? Entfernt von uns? Oder ist er nicht viel eher „zum Himmel aufgefahren“, damit er überall sein kann?

Was meint „Himmel“ eigentlich? „Himmel“ – das ist in biblischer Sprache und Vorstellung kein Raum irgendwo da oben. Sondern meint den „Raum“ der überwältigenden Güte und Unergründlichkeit Gottes. „Himmel“ – das beschreibt die Erfahrung der Gegenwart Gottes in unserer Welt. Himmel ist da, wo sich Gottes Wirklichkeit und unser Leben treffen, wo wir mit Gott in Berührung kommen, wo Gottes Liebe ist.

Manchmal fühlen wir uns ja mitten in unserem Leben „wie im Himmel“. Dann ist alles in Ordnung – oder mehr als das: Dann ist alles wunderbar. Denken Sie einen Moment an solch ein Erlebnis in Ihrem Leben. Wann haben Sie sich einmal „… wie im Himmel“ gefühlt? Haben Sie sich da Gott nahe gefühlt?

In der Himmelfahrtsgeschichte – da stehen die Jünger und Freundinnen und Freunde erst einmal auf unsicherem Boden, schauen in den Himmel und wissen nicht, wie es mit ihnen weitergehen soll – ohne dass Jesus nun greifbar und sichtbar bei ihnen ist.

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Doch dann trauen sie dem Boden, auf dem sie stehen, trauen sich, Schritte zu gehen – zurück in ihren Alltag – und sie spüren: Jesus ist da, wo wir sind.
Der Himmel berührt die Erde.
Jesus ist da, wo wir miteinander über ihn sprechen und auf ihn unsere Hoffnung setzen. Jesus ist da, wo wir von ihm erzählen und all die Geschichten, die wir mit ihm erlebt haben, miteinander teilen. Und sie erinnern sich daran, dass Jesus einmal gesagt hatte: Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.

Das feiern wir an Himmelfahrt. Nicht den Abschied, sondern den Beginn von etwas Neuem. Den Beginn der Erfahrung, dass Jesus überall sein kann, wo Menschen sich in seinem Namen versammeln – auch – wie wir es in diesen Wochen erleben – in der Verbundenheit des Gebets an verschiedenen Orten.

Im Glaubensbekenntnis bekennen wir, was wir an Himmelfahrt feiern: Jesus Christus – auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.

Jesus Christus ganz bei Gott – und doch ganz für uns da. In Gegenwart und Zukunft.

Zu richten wird er kommen … Manche empfinden bei dieser Aussage des Glaubensbekenntnisses Angst oder Beklemmung, denn sie denken an Jesus als strengen Richter, der die einen verurteilt und die anderen belohnt. Angesichts der eigenen Fehler und Schwächen, derer wir uns manchmal so schmerzlich bewusst werden, kann diese Erwartung schon Besorgnis auslösen: Werden wir überhaupt bestehen können?

Für mich klingt in der Erwartung, dass Jesus kommen wird zu richten etwas anderes mit – ein Wort jenseits juristischer Gerechtigkeitsvorstellungen. Ich verbinde mit dem „Richten“ Jesu das Wort „aufrichten“ – und das Wort „zurechtbringen“.

Dass Jesus kommt, die Menschen aufzurichten und die Verhältnisse zurechtzubringen, darauf hoffe ich alle Tage.
Hier und heute – und nicht erst in ferner Ewigkeit.
Jesus – im Himmel und auf Erden und überall da, wo Menschen sich nach ihm sehnen, wo Menschen darauf vertrauen, dass er da ist – der kommt, aufzurichten die, die mühselig und beladen sind, und zurechtzubringen all die Verhältnisse in unserer Welt, die so vielen Menschen Leid und Kummer bereiten. Das ist für mich die Botschaft des Festes „Christi Himmelfahrt”. Darum kann ich an Himmelfahrt getrost und voll Zuversicht singen: „Jesus Christus herrscht als König.”

Das heißt z.B.: Er „herrscht” auch in meinem Leben, er hat etwas zu sagen in meinem Leben, hat ein Mitspracherecht, auf ihn hoffe ich, auf ihn vertraue ich, von ihm lasse ich mich aufrichten und zurechtbringen.

Es tut gut, sich dessen zu vergewissern.
Dann brauchen uns irgendwelche anderen Mächte keine Angst mehr zu machen. Denn wir sind „von guten Mächten wunderbar geborgen“.

Ich wünsche uns allen, dass das Fest „Christi Himmelfahrt“ uns das spüren lässt:
Christus ist da, drinnen und draußen,
in unseren Kirchen und Häusern,
in unseren Herzen und überall,
wo wir an ihn denken und ihm vertrauen.
Er ist da, mitten unter uns,
und keine Macht dieser Welt kann uns scheiden
von der Macht seiner Liebe.  Amen.

Ihr Pfarrer Gerhard Saß