Lektion 4 – Kindersegnung (Erzählung)

Was ist Segen?

Was würde Gott den Kindern Gutes wünschen?

Jeschua mag Kinder

Jeden Tag konnte man Jeschua jetzt in Kafarnaum treffen. Seine neuen Freunde Johannes, Andreas, Simon und Levi waren auch immer bei ihm. „Wir sind jetzt die Schüler von Rabbi Jeschua“, sagten sie stolz. Jeschua redete mit den Menschen und half ihnen. Immer mehr Leute kamen zusammen, weil sie ihm zuhören wollten, wenn er von Gott erzählte. Heute waren sogar der Rabbi und andere kluge Männer dabei. Es herrschte ein großes Gedränge auf dem Marktplatz! Benjamin und Julius waren mal wieder ganz vorn, weil sie sich so gut durchschlängeln konnten. Auf einmal wurde es hinter ihnen sehr unruhig. Sie reckten die Hälse: Was war denn nun wieder los? „Schau mal, Benjamin, da ist ja deine Mutter mit Hanna und Sara. Was wollen die denn hier?“ In diesem Augenblick drängten sich einige Mütter mit ihren Kindern nach vorn. Die ganz kleinen wurden von ihren Geschwistern auf dem Arm getragen, die größeren klammerten sich ängstlich an ihre Mütter. Einige Kinder plapperten, andere weinten, weil sie Angst vor den vielen Leuten hatten … – man konnte sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. „Jetzt gebt doch mal Ruhe“, schrie der Rabbi streng und fuchtelte wild mit den Fäusten, „bringt eure Kinder fort. Die stören nur! Hier geht es um ernste Glaubensfragen – da haben Frauen und Kinder überhaupt nichts zu suchen!“ Julius stieß Benjamin an: „Vorsicht – dem platzt gleich der Schädel! Wie der sich aufregt!“ „So einen roten Kopf habe ich lange nicht gesehen“, kicherte Benjamin.

Auch Johannes und die anderen Freunde von Jeschua wollten die Mütter mit ihren Kindern fortschicken: „Ihr seht doch, die Leute wollen Jeschua zuhören“, riefen sie unfreundlich. „Ihr habt mit euren kreischenden Bälgern hier nichts verloren!“ Aber die Mütter ließen sich nicht einfach abweisen. Jeschua hatte die Unruhe auch bemerkt und fragte eine Mutter freundlich: „Was wollt ihr denn?“ Zuerst sagte niemand etwas, aber dann fasste sich Susanna, die Tochter des Bürgermeisters Manasse, ein Herz: „Jeschua, wir glauben, dass du von Gott kommst. Darum möchten wir, dass du unsere Kinder segnest.“ Als die Männer das hörten, regten sich viele fürchterlich auf: „Unerhört! Frauen haben hier nichts zu suchen!“ Und der Rabbi brüllte noch einmal: „Euer Platz ist zu Hause. Geht jetzt heim und nehmt eure kleinen Gören mit!“ Aber die Frauen blieben einfach stehen. Jeschua hob die Hand und lächelte: „Bringt eure Kinder nur her. Und ihr zwei, wollt ihr auch kommen?“ Julius und Benjamin schauten sich erschrocken um: Waren etwa sie gemeint? „Ja, euch meine ich“, sagte Jeschua, „habt keine Angst! Ihr seid ja sonst auch fast immer bei mir.“ Alle Kinder standen um Jeschua herum. Er sprach mit ihnen, nahm sie in die Arme und sagte ihnen, was Gott ihnen Gutes wünscht. Auf dem Platz war es ganz still geworden. Jeschua sagte: „Ihr könnt etwas von euren Kindern lernen. Sie sind nicht misstrauisch, sondern kommen gern zu mir; sie freuen sich, wenn jemand sie liebhat, und stoßen ihn nicht zurück. Wenn alle Menschen sich so verhalten würden, könnten wir besser miteinander leben. Darum möchte Gott, dass alle so sind wie diese Kinder – auch die Erwachsenen!“ Aber der Schreiner Jonathan wollte sich nicht beruhigen: „Das ist völliger Unsinn!“ rief er, „so kleine Kinder verstehen doch nichts. Die können wir hier nicht brauchen.“ „Ganz richtig“ murmelten einige, aber der Töpfer Ephraim sagte: „Sprich endlich weiter, Rabbi, erzähl uns von Gott!“ „Gut. Hört zu!“ sagte Jeschua und setzte Hanna vorsichtig auf den Boden. „Seht, was ich in der Hand habe – ihr wisst schon, es ist Samen der Senfstaude. Dieses Samenkorn ist zwar kleiner als alle anderen; wenn es aber herangewachsen ist, so ist es größer als die Gartengewächse und wird ein Baum, so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten. So ist es auch mit dem Reich Gottes.“

Jetzt hatte der Bauer Saul endgültig genug: „Fängst du schon wieder mit deinen Geschichten von der Landwirtschaft an? Dafür brauche ich keine Predigt!“ Das fanden andere auch, und viele drehten sich auf der Stelle um, schüttelten den Kopf und gingen nach Hause. Die Frauen standen noch zusammen und redeten leise miteinander. Auch ein paar Männer blieben bei Jeschua stehen. Sie wussten nicht so recht, was sie von der Sache halten sollten. Benjamin und Julius sahen sich stumm an. Dann sagte Benjamin halblaut: „Das ist die beste Geschichte, die ich seit langem von einem Erwachsenen gehört habe! Toll – das mit dem Wachsen.“ Jakob, der alte Hirte, drehte sich zu Benjamin um: „Ja, hat mir auch gut gefallen, die Geschichte! Bei euch Jungen sieht man ja richtig, wie es mit dem Wachsen vorangeht. Eure Kleider sind immer gleich wieder zu klein, und neue Sandalen lohnen sich für euch erst gar nicht.“ „Ja, ja, das stimmt schon. Aber das ist alles nicht so wichtig“, fiel Julius ihm ins Wort. „Wir wachsen nämlich auch im Kopf!“ Jakob nickte bedächtig: „Ich kann mir schon denken, was du meinst.“ „Ja, Jakob, du verstehst uns schon. Aber die anderen Erwachsenen, die denken doch, wir sind klein und dumm und kapieren nie was. Und schon gar nicht, wenn es um ihre ernsten Gespräche geht: Um Politik und Glauben und …!“ Benjamin sah bedrückt aus. Julius sagte nichts. „Eigentlich hat er recht“, dachte er, „wenn ich ehrlich bin, komme ich mir manchmal wie ein unwichtiges Samenkörnchen vor.“ Der alte Jakob schien seine Gedanken zu erraten: „Niemand denkt daran, dass aus solch einem kleinen Samenkörnchen eine große, prächtige Pflanze werden kann. – Ich freue mich richtig, dass Jeschua von euch Kindern so viel erwartet. Denkt nur immer wieder an diese Geschichte, wenn ihr nicht beachtet werdet. Aber auch, wenn ihr euch selber nichts mehr zutraut, müsst ihr an die große Senfstaude denken!“ Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: „Ja, ja, ihr habt es gut. Euer Leben liegt noch vor euch. Für mich ist da nichts mehr zu erwarten.“ „Meinst du?“ Jeschua stand auf einmal hinter ihnen. „Erwartest du denn wirklich gar nichts mehr?“ „Hm, also …“, murmelte Jakob, „was soll ich denn groß erwarten? Du weißt doch, wie die Leute von uns Hirten denken. Und dann in meinem Alter …“ „Ja, da hast du schon recht, Jakob.“ Jeschua nickte. „Und trotzdem kannst du noch wachsen. Aber du musst es auch glauben. Wenn du denkst, es gibt nichts Neues und Interessantes mehr für dich, dann wird dein Leben schnell langweilig, und es passiert wirklich nichts mehr. Aber wenn du neugierig bleibst, wie deine beiden Freunde Benjamin und Julius hier, dann entdeckst du immer wieder etwas, das du nicht kennst – und dann kann sich auch bei dir noch vieles verändern. Dafür ist es ganz egal, ob jemand ein König oder ein Bettler ist, ob er gesund ist oder krank, angesehen oder verachtet.“ „Das stimmt!“ dachte Benjamin. „Das Senfkorn war ja auch zuerst ganz unscheinbar – und später ist ein schöner Baum aus ihm geworden.“ Jeschua nickte den dreien zu und ging wieder zu den Frauen hinüber.