Lektion 3 – Krishnas Geburt

Krishnas Geburt

In Mathura, der Stadt an der Yamuna, einem Nebenfluss des Ganges, herrschte einst der böse König Kansa. Er war sehr gierig und listig und wollte schon König sein, als sein Vater Ugrasena der eigentliche Herrscher war. Durch List und Betrug stahl Kansa seinem Vater den Thron und ließ ihn in ein Verlies werfen. Ugrasena war ein sehr barmherziger König gewesen, aber Kansa war das Gegenteil.

Es begann eine schwierige Zeit für die Menschen von Mathura, da Kansa ein sehr tyrannischer und grausamer König war. Er führte viele Kriege, sodass die friedliebenden Menschen von Mathura immer an Kämpfen mit anderen Königreichen beteiligt waren. Alle stöhnten unter Kansa und wünschten sich, dass der Gott Vishnu der Unterdrückung ein Ende bereite.

Dann kam der Tag, an dem Kansas Schwester Devaki heiratete. Die Menschen von Mathura begannen zu feiern, was sie nicht mehr getan hatten, seit Kansa Herrscher wurde. Devaki heiratete Vasudeva, den König des Nachbarlandes.

Vasudeva war bereits in seiner Heimat mit einer Frau namens Rohini verheiratet. Doch weil die Ehe kinderlos geblieben war und ein König doch einen Sohn als Thronfolger brauchte, nahm er Devaki zu seiner zweiten Ehefrau. Nebenbei würde es vielleicht auch endlich Frieden geben zwischen den beiden Königreichen. Kansa indessen war über diese Hochzeit überglücklich, weil er dachte, dass Vasudevas Königreich nun auch ihm gehören würde. Gleich nach der Hochzeitszeremonie wollte Kansa die beiden mit der Kutsche nach Hause fahren, um sie auf diese Weise zu ehren. Als Kansa sich auf den Wagen setzte, hörte er eine donnernde Stimme, die aus dem Himmel kam, sagen:

„Böser Kansa, dein Ende ist nahe. Der achte Sohn, den Devaki und Vasudeva bekommen werden, wird dich wegen deiner Bosheit töten.“
Zuerst war Kansa sehr erschrocken. Aber sogleich verwandelte sich seine Angst in Zorn. Er beschloss, seine Schwester Devaki auf der Stelle zu töten, denn auf diese Weise glaubte er die Erfüllung der göttlichen Voraussage verhindern zu können.

So zog er sein Schwert, um seine Schwester zu töten. König Vasudeva war entsetzt, als er sah, was Kansa tun wollte. Er fiel auf die Knie und bat: „Kansa, bitte töte deine Schwester nicht. Ich werde dir jedes Kind geben und du kannst die Kinder töten, aber bitte, lasse meine Frau, deine eigene Schwester leben.“ Kansa dachte eine Weile nach, dann sagte er: „In diesem Fall müsst ihr meine Gefangenen sein und in meinem Palast leben.“ König Vasudeva hatte keine andere Wahl, er musste dem zustimmen, was Kansa sagte, er konnte nicht mit Devaki in seine Heimat und zu seiner ersten Ehefrau Rohini zurückkehren. Kansa war froh, dass er seine Schwester Devaki, die die einzige Person in der Welt war, die er liebte, jetzt nicht mehr töten musste.

Kansa ergriff Devaki und Vasudeva und sperrte sie in die Kerker seines Palastgefängnisses.

Den Wachen wurde befohlen, die beiden jederzeit zu beobachten. Jedes Jahr wurde Devaki schwanger und jedes Jahr kam Kansa persönlich und tötete das Kind.

Jeden der sechs Jungen, die Devaki zur Welt brachte, tötete Kansa mit eigener Hand und dachte nicht daran, wie er seine Schwester damit quälte. Als Devaki ein siebtes Mal schwanger wurde, gelang es durch das Eingreifen der Götter, den Embryo auf wundersame Weise in den Bauch von Vasudevas erster Ehefrau Rohini zu verpflanzen. Der Junge, den Rohini dann zur Welt brachte, hieß Balarama. Bald darauf war Devaki erneut schwanger. Kansa war jetzt sehr erschrocken. Es würde die achte Schwangerschaft sein. Ist das Kind, das eine, von der die göttliche Stimme gesprochen hatte? Als die Zeit der Schwangerschaft zu Ende ging, hatte Kansa solche Angst, dass er nicht mehr essen und schlafen konnte.

Im Kerker weinte Devaki bei dem Gedanken an Kansa, der ihr Baby wieder töten würde, aber Vasudeva versuchte, sie zu beruhigen. Die Nacht war vorbei und es wurde Tag. Jeder in Mathura wusste, was mit den Babys bis jetzt passiert war, und sie wussten auch von der göttlichen Stimme, die sagte, dass dieses achte Kind Kansa töten würde. Jeder wartete gespannt darauf, was passieren würde.

Den Tag über wütete ein schrecklicher Sturm in Mathura. Dann wurde es Nacht. Um Mitternacht brachte Devaki ihren achten Sohn zur Welt und alles wurde still. Kaum war das Kind geboren, erfüllte ein blendend helles Licht die Gefängniszelle.

Der Geist des Gottes Vishnu erhob sich aus dem kleinen Körper des Neugeborenen und offenbarte sich seinen Eltern. Durch seine Menschwerdung in diesem Kind werde die grausame Herrschaft von Kansa dem Ende entgegengehen, so verkündete die Stimme der Gottheit.

Devaki war so glücklich und verwirrt, dass sie ohnmächtig wurde, während ihr Mann nicht fassen konnte, was da geschah. Die göttliche Stimme, die damals mit Kansa gesprochen hatte, sprach nun mit Vasudeva. „Nimm deinen Jungen und bringe ihn über den Fluss Yamuna in das Königreich Gokul, das von deinem Bruder König Nanda regiert wird. Königin Yashoda, seine Frau, hat ein Mädchen geboren. Tausche die Babys und komme sofort mit dem Mädchen zurück. Niemand wird etwas von der Geburt deines achten Sohnes erfahren. „

Die Gefängniswärter fielen in einen tiefen Schlaf, Vasudevas Ketten zerbrachen und die Kerkertüren sprangen auf. Vasudeva nahm seinen Sohn, schlich aus dem Kerker. Obwohl er sich sehr schlecht dabei fühlte, seiner Frau das Baby wegzunehmen, hatte er keine andere Wahl. Er musste dies tun, um das Kind zu retten. Es regnete in Strömen, als er mit dem Kind den Fluss erreichte. Die Yamuna war durch den Regen und den Sturm zu einem reißenden Strom mit großen Wellen angeschwollen. Vasudeva hatte Angst, mit seinem Baby in den Armen, durch diesen Fluss zu gehen. Aber als er den ersten Schritt ins Wasser gesetzt hatte, wurde der Fluss ruhiger.

Plötzlich sah er, wie sich eine riesige schwarze
Kobra hinter ihm aufrichtete. Vasudeva war sehr erschrocken und dachte, er würde mit dem Baby sterben. Die Schlange aber spreizte ihre Nackenhaut über Vasudeva wie eine Haube, um das Baby vor dem Regen zu schützen. So durchwatete Vasudeva, das Kind hochhaltend, in einer Regennacht die gefährlich angeschwollene Yamuna. Bald darauf erreichte Vasudeva den Ort Gokul. Er fand das Haus von seinem Bruder, König Nanda, dessen Frau Yashoda soeben einem Töchterchen das Leben geschenkt hatte.

Yashoda lag nach der anstrengenden Entbindung noch im Schlaf, als Vasudeva heimlich ihr Kind gegen sein Kind austauschte.

Yashodas kleines Mädchen brachte er in den Palastkerker und legte es seiner Frau Devaki an die Seite. Sobald er das Baby auf den Gefängnisboden neben Devaki gelegt hatte, begann es aber zu schreien. Das Weinen des Säuglings weckte die Wachen aus ihrem Schlaf und bald darauf wurde dem König Kansa gemeldet, dass Devaki wieder ein Kind geboren habe. Kansa kam herbei und war bereit, das achte Kind von Devaki zu töten.

Devaki bat ihren Bruder, ihr das Baby zu lassen: „Kansa, mein Bruder, mein Achtgeborenes ist ein Mädchen, kein Junge wie die Stimme sagte. Mein Baby wird dich nicht töten. Sie ist deine Nichte, bitte verschone sie!“.
Doch dazu war Kansa war nicht bereit. Er liebte sich mehr als alles andere auf der Welt, und sein eigenes Leben war ihm am meisten wertvoll. So schnappte er sich das Baby. Gerade wollte er den Säugling gegen die Wand schmettern, da entglitt das Kind seiner Hand und entschwebte in Richtung der Gefängnisdecke. Ein blendend helles Licht erfüllte die Gefängniszelle.

Als das Licht schwächer wurde, erkannte Kansa, dass das Baby die Gestalt der Göttin Durga angenommen hatte.

„Dummer Kansa“, sagte Durga, „du kannst mich nicht umbringen, und der, der dich töten wird, ist schon geboren und lebendig. Eines Tages wird er dich finden und dich töten, egal was du tust. Hör auf damit, unschuldige Kinder zu töten!“.

Unterdessen gab es großen Jubel in Gokul. Jeder feierte die Geburt von König Nandas Sohn. Ganz Gokul hatte sich an diesem Tag festlich herausgeputzt. Die Straßen waren gefegt und alle Häuser waren mit Fahnen und Blumen geschmückt. Die Kühe wurden mit gelben Kurkumapulver beschmiert und mit Pfauenfedern und Girlanden geschmückt. Alle Menschen in Gokul tanzten vor Freude und strömten zu König Nandas Haus um das Baby zu sehen und ihm Geschenke zu machen. „Wie soll das Kind heißen?“, fragten die Menschen. Und Nanda antwortete: „Er wurde mitten in der dunklen Nacht geboren. Darum nenne ich ihn Dunkelblau, Krishna.“ Der böse Kansa aber gab indessen in der Hauptstadt Mathura den Befehl, jeden in den letzten zehn Tagen geborenen männlichen Säugling in seinem Reich zu töten. König Nanda und Königin Yasoda auf der anderen Seite des Flusses Yamuna hatten von dem Mordbefehl des Königs frühzeitig erfahren. Bevor die Soldaten bei ihnen erschienen, verließen sie mit ihrem Sohn Krishna ihr Haus und flüchteten für eine Weile in den Wald von Vrindavan, wo die Hirten ihre Kühe weideten.