Station 3 – Lerndomino (Elisabeth von Thüringen)

Lerndomino

Die Landgräfin hat es nicht einfach mit Elisabeths Erziehung. Denn als sich Elisabeth eingewöhnt hat und alles auf der Burg kennt, wird sie ein lebhaftes, fast wildes Mädchen. Sie treibt sich in der ganzen Burg herum und ist dauernd mit den Jungen und mit den Kindern der Knechte und Mägde unterwegs.

Manchmal denkt die Landgräfin: „Aus dem Kind wird nie eine richtige Gräfin,“ und sie beklagt sich bei ihrem Mann: „Vielleicht hätten wir Elisabeth gar nicht hierherholen sollen. Jetzt habe ich meine Plage mit dem Mädchen.“ Aber der Landgraf sagt nur: „Hab Geduld! Sie wird schon noch eine Dame werden. Mit dem Edelfräulein Guda hat sie sich doch gut angefreundet. Guda wird ihr vormachen, wie sich eine Dame benehmen soll.“

Aber es ist eher umgekehrt: Guda lernt von Elisabeth, was man auf der Burg alles entdecken kann und wird von ihr überall mit hingeschleppt, in den Garten, in die Ställe, in die Küche. Die beiden sind mit allen Menschen, die dort arbeiten, gut Freund, und sie erleben und lernen viel über die Tiere im Stall, über Blumen und Gemüse, und wie man Feuer macht und kocht. Von der Köchin lernen sie witzige Lieder, und der Stallbursche weiß viele spannende Geschichten. Am schönsten ist es im Stall, wenn Tierkinder zur Welt kommen.

Landgräfin Sophie braucht tatsächlich viel Geduld, bis Elisabeth bei ihr stillsitzt und das Sticken lernt. Sie ermahnt Elisabeth: „Renne nicht so herum wie die Gassenkinder! Binde deine Haarschleife ordentlich!“ Sie zeigt Elisabeth wie sie sich bewegen soll, nämlich ruhig und aufrecht. Sie setzt ihr einen schweren Reifen auf den Kopf und lässt sie im Zimmer herumgehen. „Damit du einmal mit Anstand eine Krone tragen kannst“, sagt sie. Elisabeth lernt das alles gar nicht gern. Sie will keine feine Dame sein; sie will nicht vornehm und etwas Besonderes sein.

In jeder freien Minute entwischt Elisabeth nach draußen, wo es ihr viel besser gefällt. Im Garten darf sie beim Säen und Gießen mitmachen. Heimlich hat sie vom Gärtner ein kleines Beet für sich erbettelt. Als die Radieschen reif sind, teilt sie die mit den Gärtnerskindern. Oft schleicht Elisabeth auch zu den Bettlern am Burgtor. Für sie findet Elisabeth immer etwas in der Speisekammer, das ihnen gut schmeckt. Nur erwischen lassen darf sich Elisabeth nicht dabei. Sonst würde die Gräfin sie in ihr Zimmer sperren. Elisabeth findet nicht, dass sie ungehorsam ist. Warum soll sie nicht mit den Leuten zusammen sein, die für sie sorgen? Warum soll sie den Armen nichts abgeben, wenn die sich darüber freuen?

Eines Tages passiert etwas Schlimmes. Es ist Sonntag. Die Landgräfin hat Elisabeth zum Kirchgang herausgeputzt. Elisabeth trägt ein perlenbesticktes Seidenkleid, Halsketten, Ringe, Armbänder und auf dem Kopf zum ersten Mal eine kleine goldene Krone. Stolz führt die Landgräfin Elisabeth in die Kirche. Das Mädchen geht ruhig und hält sich aufrecht. Sie gehen den ganzen Gang vor bis zum Altar. Alle Hälse recken sich nach Elisabeth. „Seht nur, wie vornehm! – Guck mal, eine Krone!“

Aber Elisabeth hört nicht das erstaunte Murmeln der Leute und sieht auch nicht, wie die Frauen die Köpfe zusammenstecken. Ihre Augen sind auf das Kreuz gerichtet. Da hängt Jesus, nur mit einem Tuch bekleidet und mit einer Dornenkrone auf dem Kopf. Elisabeth bleibt vor dem Kreuz Jesu stehen. Sie greift nach ihrer kleinen Krone, nimmt sie ab und legt sie vor dem Kreuz auf den Boden. Sie flüstert: „Jesus, du hast keine goldene Krone, ich will auch keine goldene Krone tragen.“ Dazu legt sie allen anderen Schmuck, die Ketten, die Armreifen und Fingerringe. „Jesus will ich ähnlich sein“, sagt Elisabeth leise. Erst jetzt geht sie zu ihrem Platz neben der Landgräfin. Die Leute staunen: So etwas hat es in Eisenach noch nie gegeben. Eine Prinzessin, die ihre Krone vor dem Kreuz Jesu ablegt! Was hat das zu bedeuten? Die Landgräfin ist vor Zorn rot im Gesicht. Fest schaut sie geradeaus. Nach dem Segen packt sie energisch Elisabeths Hand und eilt mit ihr aus der Kirche.

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