Station 6 – Elisabeth von Thüringen – Lückentext

Ludwig unterstützt Elisabeths Arbeit, wo er nur kann. Die anderen Ritter und Hofdamen auf der Wartburg schütteln jedoch oft den Kopf über Elisabeth und Ludwig. Und Ludwigs Bruder Heinrich spricht aus, was viele denken: „Elisabeth, du bist dumm, Du bist doch eine Landgräfin. Zieh schöne Kleider und Schmuck an, genieße das Leben! Was gehen dich die Armen unten in Eisenach an?“ – Elisabeth antwortet ihrem Schwager mit ruhiger Stimme:

„Ich sehe, dass die Bauern für ihre Kinder nicht genug zu essen haben. Aber wir auf der Burg haben viel, sehr viel. Das ist nicht recht. Gott lässt für alle Menschen und Tiere Nahrung wachsen. Gott will, dass alle satt werden und fröhlich sind und keine Not leiden. Von Jesus weiß ich, wie das geht. Jesus hat einmal gesagt: Alles das, was du meinen ärmsten und schwächsten Brüdern und Schwestern getan hast, das sehe ich, als ob du es mir getan hättest: Ich bin hungrig gewesen, und du hast mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und du hast mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und du hast mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und du hast mich aufgenommen. Ich bin in Lumpen dahergekommen, und du hast mir Kleider geschenkt. Ich bin krank gewesen, und du hast mich besucht. Du warst gut zu mir.“ Heinrich schweigt. Darauf hat er nichts mehr zu sagen. Ludwig aber nimmt Elisabeth in den Arm und sagt: „Ja, so ist es richtig. So möchte Gott, dass wir leben. Ich helfe dir dabei.“ Elisabeth schaut ihren Mann dankbar an. Sie ist froh, dass er sie versteht.

Die Zeit vergeht. Die beiden Kinder von Elisabeth und Ludwig wachsen heran, und als es wieder einmal Frühling wird, freuen sich Elisabeth und Ludwig auf ihr drittes Kind. Doch da kommt eines Tages eine schreckliche Nachricht: Der Kaiser ruft alle Ritter des Kaiserreiches in den Krieg. Ein kleines Kreuz ist das Zeichen, unter dem sie in einen Krieg ins Heilige Land ziehen sollen. Der Kaiser will mit den christlichen Rittern das Land, in dem Jesus gelebt hat, erobern. Er möchte selbst die Macht haben in dem Land, wo Jesus gelebt hat. Ludwig muss dem Ruf des Kaisers zum Kreuzzug folgen. Elisabeth ist todunglücklich.

Der Abschied fällt ihr bitter schwer. Bis an die Landesgrenze begleitet sie ihren Mann. Dann muss Elisabeth schweren Herzens umkehren. Traurig reitet sie auf die Wartburg zurück. Sie denkt an das Kind in ihrem Leib. Würde es seinen Vater jemals kennen lernen? Schon die Reise ins Heilige Land wird viele Gefahren bringen, und erst der Krieg! Elisabeth durchlebt traurige Wochen. Eines Tages kommt ein Bote und bringt Elisabeth Ludwigs Ring. „Er ist an einem schlimmen Fieber in Italien gestorben“, berichtet der Bote, „diesen Ring bringe ich dir als letzten Gruß von deinem Gatten.“ Ein unbändiger Schmerz ergreift Elisabeth. Ihre schlimme Ahnung ist Wirklichkeit geworden: Sie hat keinen Mann mehr, die Kinder haben ihren Vater verloren.

Nun wird Heinrich Herr auf der Burg. Beinahe jeden Tag fängt er Streit mit Elisabeth an, weil sie ihm zeigt, wie ungerecht er zu den Leuten ist, die für ihn arbeiten. „Entweder du hältst jetzt deinen Mund, oder du verschwindest hier von der Burg!“, droht er eines Tages. Elisabeth muss sich entscheiden. Sie will keine hart herzige stolze Herrin sein. Sie will ihren Reichtum mit den Armen teilen. Sie will, dass alle das Nötige haben. Diese Gedanken machen ihr Mut.

In einer sternklaren Nacht verlässt sie mit ihren drei Kindern heimlich die Wartburg. Sie tasten sich den wohlbekannten Waldweg nach Eisenach hinab. Als sie die ersten Lichter der Stadt sehen, wird Elisabeth ruhig und denkt zuversichtlich: „Gott wird mir sicher einen Menschen schicken, der uns weiterhilft.“

„Mama, sind wir bald da?“ schreckt ihr Töchterchen sie aus den Gedanken auf. „Ich bin müde.“ „Ja,“ antwortet die Mutter, „bald sind wir da. Das Stückchen kannst du noch gut laufen.“

Sie erreichen die ersten Häuser von Eisenach. Im dritten Haus brennt Licht. Elisabeth kennt die Familie gut. Erst neulich hat sie dort das kranke Kind versorgt. Sie klopft an die Tür. Der Bauer öffnet. Als er die Landgräfin mit ihren drei Kindern draußen stehen sieht, macht er die Tür schnell wieder zu. Auch bei den anderen Familien geht es ihnen nicht besser. Keiner will Elisabeth mit ihren Kindern aufnehmen. „Mama, warum lässt uns keiner herein?“ fragt der Älteste. „Ich weiß es auch nicht“, sagt die Mutter. „Vielleicht haben sie davon gehört, dass Heinrich uns auf der Burg nicht will. Sie fürchten sich wohlmöglich auch vor Heinrich, und getrauen sich nicht, uns bei sich zu haben.“ Bei sich denkt Elisabeth: Wie hartherzig Menschen doch sein können. Allen habe ich geholfen, und uns hilft niemand? Das kann doch nicht möglich sein!“ Schon am Ende der Stadt angekommen, macht sie wieder einen Versuch. Mürrisch zeigt ihr ein alter Mann einen baufälligen Schuppen. „Hier kannst du übernachten“, sagt er barsch. Elisabeth sucht eine trockene Ecke in dem ehemaligen Schweinestall und macht aus Stroh für sich und die Kinder ein Lager. Die Kleinen sind sehr müde. Sie schlafen gleich ein. Elisabeth hört die nahe Turmuhr zwölfmal schlagen. Ein entscheidender Tag ist zu ende. Über Elisabeths Gesicht huscht ein kleines Lächeln. „Auch wenn wir hier nur auf Stroh liegen, bin ich froh. Von Heinrich muss ich mir nicht mehr sagen lassen, was ich tun darf und was nicht. Jetzt kann ich tun, was gerecht ist. Was Gott möchte, das tue ich.“ Als der Morgen dämmert, geht Elisabeth mit den Kindern zu der nahen Klosterkirche. Sie klopft an die Pforte. Ein Mönch in brauner Kutte öffnet eine Handbreit die Tür. Erstaunt blickt er sie an. „Elisabeth, Mutter der Armen, so früh am Morgen?“ „Ja, ich möchte mit euch zusammen Gott ein Loblied singen. Ich will Gott danken, dass er mir den Mut gegeben hat, die Wartburg zu verlassen. Jetzt kann ich mich besser um die notleidenden Menschen kümmern“, sagte Elisabeth zu dem Pförtner. „Mein Leben soll ganz Gott gehören, ganz diesen Menschen hier unten.“ „Dann kommt nur herein,“ fordert sie der Klosterbruder freundlich auf, „und bleibt bei uns, solange es nötig ist.“ Gemeinsam mit den Klosterbrüdern gehen sie in die Kirche, zünden Kerzen an und singen Gott ein Loblied in lateinischer Sprache: Ubi caritas et amor, Deus ibi est. „Das heißt auf Deutsch“, sagt Elisabeth zu den Kindern: „Wo die Liebe wohnt, da wohnt auch Gott. Spürt ihr es?“ lächelt sie den Kindern zu. „Jetzt wohnen wir bei Gott.“

Noch einige Zeit blieb Elisabeth mit ihren Kindern in Eisenach. Dann legte ihr ein Freund, Konrad von Marburg, nahe, sie solle ihr Leben ganz und gar Gott weihen und auf alles Weltliche verzichten. Das wollte Elisabeth in jedem Fall, schließlich wollte sie nur Gott und Jesus dienen und den von ihm so geliebten Armen.

Selbst im fernen Ungarn sprach es sich herum, wie kümmerlich Elisabeth nun lebte. Der Vater sandte deshalb einen Grafen mit großem Gefolge nach Thüringen. Als der Graf die Königstochter besuchte, saß sie gerade am Spinnrad. Von dem geringen Lohn, den sie für die Wolle bekam, musste sie alles kaufen, was sie brauchte. „Noch nie hat eine Prinzessin am Spinnrad gearbeitet!“, rief der Bote des ungarischen Königs. Dann erblickte er das zerrissene, mit vielen Flicken ausgebesserte Kleid der Fürstin und erschrak. Vergeblich beschwor er Elisabeth, doch mit ihm in die Heimat zurückzukehren. Aber Elisabeth weigerte sich hartnäckig.

Elisabeth hatte von einem Mann gehört, der Franziskus hieß, in Italien lebte und ebenso wie sie all seinen Reichtum abgelehnt hatte, um Jesus nachzufolgen. Seine Idee von der Armut verbreitete sich schnell und so waren ihr schon damals in Eisenach einige von Franziskus Anhänger begegnet. Elisabeth war sofort überzeugt gewesen, dass dieser Weg der Armut der richtige war und hatte den Männern dabei geholfen ein Kloster in Eisenach für sie zu bauen. Jetzt, wo sie eine freie Frau war, wurde Franziskus ein immer größeres Vorbild für sie.
Und so entschied sich Elisabeth ihre geliebten Kinder zu verlassen. Sie musste ihr Herz frei machen für Gott, so glaubte sie. Den Platz in ihrem Herzen haben aber bis dahin ihre drei Kinder eingenommen. Um Gott ganz frei dienen zu können, gab sie ihre zweijährige Tochter Gertrud und die anderen beiden Kinder, Sophie und Hermann, in das Kloster Altenberg bei Wetzlar. Die Nonnen haben sich gut um sie gekümmert und Elisabeth konnte ihre Kinder hin und wieder besuchen. Elisabeth selber zog in die Stadt Marburg, die 50 Km vom Kloster entfernt war. „Hier gibt es viel Not“, sagte Konrad von Marburg zu Elisabeth „Es wäre gut, wir hätten ein Spital.“ Es sollte ein Ort sein, wo jeder kommen konnte, der zu essen, zu trinken, Wärme oder Medizin benötigte. Konrad meinte, so könne man den Menschen viel besser und langfristiger helfen, als ihnen nur Geld in die Hand zu drücken.

Elisabeth war einverstanden. In Marburg begannen die Bauarbeiten für ein großes Hospital. Viele Monate später wurde es eröffnet.
Die Kapelle im Hospital weihte Konrad dem Franziskus. Und dann kam der große Moment: Konrad übergab Elisabeth – und mit ihr auch anderen Frauen – das Gewand der Hospitalschwestern.

Konrad kümmerte sich fortan um das Organisatorische und Elisabeth und die anderen Hospitalschwestern kümmerten sich um die Menschen. Gemeinsam versorgten und pflegten sie die Kranken. Sie teilen ihr ganzes Leben mit den Notleidenden. Elisabeth scheut sich vor nichts. Vor keiner Krankheit ekelt sie sich, sie fürchtet keine Ansteckung. Den armen Menschen tut es gut, dass Elisabeth freundlich zu ihnen ist, dass sie für jeden ein gutes Wort hat. Bei allem hat sie immer Jesu Wort im Sinn: „Wenn ihr meinen ärmsten Schwestern und Brüdern Gutes tut, ist das Gott recht.“ Sehr viele Menschen waren in dieser Zeit auf Hilfe angewiesen. Manchmal gab es im Spital kaum noch einen Platz. Kaum atmen konnte man, so schlecht war die Luft von all der Krankheit und dem Leid.
Wenn es Dinge gab, die sich die Hospitalschwestern nicht zutrauten, vor denen sie sich ekelten oder die zu schwer zu ertragen waren oder wenn sie Angst vor ansteckenden Krankheiten hatten, dann kam Elisabeth. Sie schickte dann die Hospitalschwestern zu anderen Kranken und tat selbst die schweren Dinge, die getan werden mussten. Dabei versuchte sie immer zu lächeln und jedem Kranken das Gefühl von Geborgenheit zu geben. Wenn Elisabeth jemanden pflegte, schien es um die beiden herum nichts und niemand anderes mehr zu geben.

Eines Tages kam ein kleiner Junge ins Spital. Er war total verdreckt. Seine Haare waren struppig und verklebt, sein Kopf war voller Schuppen. Liebevoll badete Elisabeth den Jungen und behandelte seinen schlimmen Ausschlag mit Salbe. Der Junge lachte sie an, lange nicht hatte er ein sauberes Bett gehabt und ein richtiges, gekochtes Essen. Bald war er wieder gesund. Er ging nicht mehr von Elisabeths Seite. „Ich bleibe bei dir“, sagte er; und er wurde ein treuer Helfer im Spital.

Elisabeth arbeitete mehr als sie Kräfte hatte. „Elisabeth, du musst auf dich achten“, sagten ihre Hospitalschwestern. Sie hatten bemerkt, wie Elisabeth immer dünner und blasser geworden war. Aber Elisabeth hörte nicht auf ihre Freundinnen. Tag und Nacht war sie für die Kranken auf den Beinen.

An einem Herbstmorgen ist Elisabeth sehr schwach. Sie kann nicht aufstehen. Jetzt pflegt ihre Freundin sie liebevoll. Auch der Junge kommt oft an ihr Bett: mal bringt er einen Becher frisches Wasser vom Brunnen, mal eine Blume vom Garten. Elisabeth lächelt ihm zu. Sprechen kostet sie zu viel Kraft. Alle wissen es: Elisabeth ist selbst sterbenskrank. Kurz bevor sie stirbt, sagt sie zu Guda mit einem friedlichen Gesicht: „Auch wenn ich jetzt sterbe, so bin ich doch froh: Ich habe viele Menschen glücklich gemacht. Für mich gibt es nichts Schöneres auf der Welt.“

Als Elisabeth gestorben war, sagten die Menschen über sie: „Sie war eine Jüngerin Jesu.“ Nicht lange danach wurde sie „Heilige Elisabeth“ genannt.

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