Lektion 5 – Das Lichtlinga (Erzählung)

Eines Tages gingen Brahma und Vishnu einen Pfad am Fluss Ganges entlang. Brahma kam aus der einen Richtung und Vishnu aus der anderen Richtung. Sie kamen zu einer Stelle, an der sie sich trafen.
Brahma sagte: „Würdest du bitte zur Seite treten, ich möchte vorbei gehen.“ Und Vishnu sagte: „Nun, du weißt doch dass ich der Beschützer des gesamten Universums bin, und ich denke, es wäre angemessen, wenn du für mich Platz machst.“ Brahma sagte: „Nun, weißt du, ich bin der Schöpfer des Universums, deshalb machst du mir Platz.“ Vishnu sagte: „Du wurdest im Lotus geboren, der aus meinem Bauchnabel kam, also machst du für mich den Weg frei.“

Und sie stritten miteinander darüber, wer für wen der Größte sei. Und weil sie keine Lösung fanden, wer für wen beiseitetreten sollte, entschieden sie sich dafür miteinander zu kämpfen.
Plötzlich erschien eine große Lichtsäule, die direkt zwischen den beiden Kämpfenden auftauchte. Sie ging hinauf bis durch die Wolken. Sie konnten das Ende nicht sehen.
Brahma und Vishnu sagten: „Lass uns das Ende dieser Lichtsäule finden.“ Und Brahma sagte: „Das ist gut, ich werde meinen Schwan nehmen und nach oben fliegen.“ Und Vishnu sagte: „Ich verwandle mich in einen Eber und wühle mich nach unten durch. Und der erste, der das Ende gefunden hat und hierher zurückkehrt, wird der Größte von uns beiden sein. “
Vishnu nahm die Gestalt eines Wildschweinebers an und fing an, neben der Lichtsäule in die Erde zu graben. Und er grub tiefer, tiefer und tiefer und schließlich sagte er: „Diese Lichtsäule hat kein Ende. Ich werde müde und hungrig. Ich kehre zurück, ich finde das Ende des Shiva Lingams nicht. Shiva ist unendlich.“ Und Vishnu kam zurück.
Brahma hingegen setzte sich auf seinen Schwan und flog hinauf, höher und höher. Er ging durch die Wolken. Er flog noch höher. Und er kam zu dem Punkt, an dem er dachte, er müsste bald am Ende der Lichtsäule sein. Da kam ein Windstoß und wehte eine Ketaki-Blume von der Spitze des Shiva Lingams herunter.
Brahma fing die Ketaki-Blume mit seiner Hand und sagte: „Hallo, kleine Blume, wo kommst du her?“ Und die Blume sagte: „Ich komme von der Spitze des Shiva Lingams. Ein Windstoß blies mich herunter.“ „Nun,“ sagte Brahma „das ist einfach wunderbar. Ich wollte gerade zur Spitze des Shiva Lingams gelangen, um eine kleine Blume wie dich zu bekommen! Ich habe eine Aufgabe für dich. “
Und die Blume sagte: „Was soll ich tun?“ Und Brahma sagte: „Nun, du sagst Vishnu einfach, dass ich dich von der Spitze des Shiva Lingams genommen habe.“ Und die Ketaki-Blume sagte: „Nun, Brahma, das ist nicht wahr. Ein Beter setzte mich auf den Shiva Lingam und ein Windstoß wehte mich von der Spitze des Shiva Lingams herunter. So kam ich in deine Hand.“ Brahma sagte: „Weißt du, wer ich bin? Ich bin der Schöpfer des Universums. Wenn du diese kleine Sache für mich tust, werde ich dafür sorgen, dass du unter allen Blumen verehrt wirst.“
Brahma steckte sich die Blume in die Tasche und kehrte zum Boden zurück. Brahma sah Vishnu schon dort stehen und warten. Er sagte: „Hallo Vishnu, hast du den tiefsten Punkt des Shiva Lingams gefunden?“ Und Vishnu sagte: „Nein. Ich ging so weit ich konnte hinunter. Dann wurde ich müde und hungrig und beschloss umzukehren. Ich konnte das Ende nicht finden. Wie ist es mit dir? Hast du den höchsten Punkt des Shiva Lingams gefunden?“
Und Brahma sagte: „Ja, das habe ich. Ich bin dort hinaufgegangen, ich habe Shiva begrüßt, ich habe einen segensreichen Blick auf den göttlichen Herrn getan. Ich bin zurückgekommen, um dir alles darüber zu erzählen.“ Vishnu sagte: „Warte mal eine Minute, da tief unten ist kein Ende. Wie konntest du ein Ende dort oben finden? Was für einen Beweis hast du?“ Und Brahma sagte: „Weißt du, ich wusste, dass du zweifeln würdest, also brachte ich diese Ketaki-Blume mit zum Beweis.“
Und Vishnu sagte: „Hey kleine Blume, wo kommst du her?“ Und die Blume sagte: „Ich komme von der Spitze des Shiva Lingams.“ Dann dachte Vishnu einen Augenblick lang nach und fragte: „Kleine Blume, Brahma hat dich von der Spitze des Shiva Lingams genommen?“ Die kleine Blume begann zu zittern und sagte: „Ja.“
In diesem Augenblick öffnete sich die Lichtsäule und Shiva erschien in seiner wahren Gestalt. Sowohl Brahma als auch Vishnu verneigten sich augenblicklich. Shiva war jedoch sehr wütend auf die kleine Blume, weil sie nicht die Wahrheit gesagt hatte. Er rief: „Du Lügnerin! Brahma hat dich nicht von der Spitze des Shiva Lingams geholt, niemand kann die Grenzen der Unendlichkeit ermessen. Ohne meine Gnade kann niemand die Spitze des Shiva Lingams erreichen! Niemals wieder soll man mir in einer Puja Ketakiblumen opfern.“
Dann wandte sich Shiva an den betrügerischen Brahma, der sich tief vor ihm verbeugte: „Um von den Göttern und den Menschen Verehrung zu erpressen, wolltest du auf schurkische Weise der größte und höchste Gott werden. Darum sollst du von niemandem verehrt werden und weder einen Tempel noch ein Fest haben. Und ich will auch kein Wort mehr aus dem Mund hören, aus dem die Lüge kam.“ Und so ergriff Shiva den lügenhaften fünften Kopf Brahmas bei den Haaren und schnitt ihn mit einem scharfen Schwert ab. Seitdem hat Brahma nur noch vier Köpfe.
Der Kopf aber blieb an Shivas Hand haften und fiel nicht auf den Boden. Denn Shiva hatte eine schwere Sünde begangen. Er floh an das Flussufer des Ganges, um Buße zu tun. Während Shiva Buße tat, kamen ihm viele Gedanken. Er war auf sich selbst böse, weil er Brahmas Kopf abgeschlagen hatte. Er war betrübt über seinen Ärger. Es musste einen Weg geben, wie man seinen Geist unter Kontrolle halten konnte. Da erkannte er, dass dieser Weg der Weg des Yoga war.
Shiva wollte diese Entdeckung nicht für sich behalten, sondern mit Vielen teilen. So begann er zu unterrichten, währenddessen lernte und experimentierte er selbst. Er verlangte kein Lehrgeld und erklärte seinen Schülern, dass sie immer wiedergeboren werden würden, aufgrund ihrer schlechten Taten. Er sprach darüber, dass man sich über die Folgen seines Handelns bewusst werden muss und über das Praktizieren von Achtsamkeit und Disziplin. Seine Studenten lauschten sprachlos. Sie folgten Shivas Anweisungen und waren verzückt. Jetzt erkannten sie das Geheimnis des Lebens. Sie waren in Frieden mit sich selbst. Die Studenten bauten sich an diesem Ort am Ufer des Flusses Ganges Wohnhäuser, Schulen und Tempel. So entstand die Stadt Varanasi.
Shiva wurde von seiner Sünde freigesprochen, aber als Teil seiner Buße musste er Brahmas Schädel überall mitnehmen. So blieb Shiva für immer ein suchender Asket.
Die Geschichte wird in den drei Puranas angegeben – Kurma Purana, Vayu Purana und Shiva Purana

Da sich Shiva am 14. Tag in den dunklen vierzehn Tagen des Monats Phalguna zum ersten Mal in Form eines Lingas manifestierte, ist der Tag äußerst günstig und wird als Mahashivaratri – die große Nacht von Shiva – gefeiert. Um diesen Anlass zu feiern, fasten die Anhänger von Lord Shiva während des Tages und beten die ganze Nacht zum Herrn.

Man sagt, dass die Verehrung von Lord Shiva auf Shivaratri Glück und Wohlstand beschert.