Station 1 – Papiermodell Kirche

Es war das Jahr 1182. In Assisi wurde ein Junge geboren. Die Mutter war Pica Bernadone, eine gute Frau. Der Vater war der Tuchhändler Pietro Bernadone, ein Mann, der reich war, der nur ans Geld dachte. Der Junge hieß Giovanni. Doch sie nannten ihn Francesco, Franziskus.

Er hatte davon geträumt, als Sänger von einem Schloss zum anderen zu ziehen und schönen Frauen seine Gedichte und Lieder vorzutragen. Der gefühlvolle und feurige Jüngling hatte sich für die Heldengedichte und Ritterromane begeistert, die über die Alpen nach Italien kamen. Voller Entzücken hatte er den galanten Liedern gelauscht, welche die Troubadoure aus der Provence in Italien vortrugen; er hatte auch von den glänzenden Höfen in Florenz und in der Lombardei gehört, sie vielleicht sogar gesehen, wenn er seinen Vater auf Geschäftsreisen begleitete, wo große Herren und bezaubernde Damen unaufhörlich Feste veranstalteten, die ein Ohrenschmaus und eine Augenweide waren.

In Assisi scharte er die Jugend um sich: die eleganten jungen Leute, die den angesehensten Familien angehörten und die meiste Zeit mit Festgelagen und Umzügen verbrachten. Freilich war er kein Edelmann. Aber er gebot über zwei Werte, die noch mehr Gewicht haben als Adelstitel: Geld und ritterliches Benehmen. Kultiviert, liebenswürdig und gut gewachsen, verstand er es, Sympathien zu gewinnen. Da er sehr reich war, unterstützte er die verarmten Adligen und machte sie sich zu Schuldnern.

Dieser Umstand erregte die Verwunderung vieler; denn Herr Pietro galt als sehr geizig, und die Verschwendungssucht seines Sohnes muss ihm manche Sorge bereitet haben. Man darf jedoch nicht vergessen, dass der Triumph des jungen Mannes auch auf ihn zurückstrahlte. Für diesen Kaufmann bescheidener Herkunft, der sich wie die anderen prominenten Bürger seine Stellung durch Mühe und Schweiß erkaufen musste, war es offenbar ein stolzes Gefühl, dass sein eigenes Kind den Gipfel des lokalen Ruhms erklommen hatte und die Söhne der vornehmsten Familien an Ansehen übertraf. Die ganze Stadt kannte ihn als den Vater des Troubadours, und es liegt nahe, dass diese Berühmtheit auch Kunden in seinen Laden führte.

Franziskus lebte in den Tag hinein. Er trieb sich mit gleichgesinnten Freunden herum, Er gab viel Geld aus, verschwenderisch, gedankenlos. Er wollte es allen zuvortun in Scherzen, Späßen und jugendlichen Streichen, in lockeren Reden und Liedern, in Prunk, in aufwendigen Kleidern.

Auch von militärischem Ruhm träumte Franziskus. Als er 25 Jahre alt ist, gab es eine kriegerische Auseinandersetzung. Die Einwohner Assisis machten sich die Abwesenheit des Herzogs zunutze, stürmten die Zwingburg über der Stadt, zerstörten die Mauern und überwältigten die Wachen. Doch schon mischte sich die Stadt Perugia ein. Die Republik Assisi wollte von Forderungen jedoch nichts wissen, kam den Plänen des Feindes zuvor und suchte den Krieg in dessen eigenes Land zu tragen. Ihr Heer rückte bis zum Tiber vor; bei der Brücke San Giovanni kam es zum Gefecht. Die Bürgerwehr Assisis wurde vernichtend geschlagen; die Kriegsteilnehmer, die nicht den Tod fanden, sahen sich als Gefangene wieder. Unter ihnen befand sich Franziskus. Lange lag er im Kerker. Erst nach einem Jahr kam er aus dem Gefängnis frei.

Wieder daheim half der junge Franziskus seinem Vater beim Verkauf der Stoffe. Als er gerade mit einem vornehmen Ritter um den Preis für ein schönes Seidentuch feilschte, bat ihn ein Bettler um eine milde Gabe. Unwillig antwortete Franziskus, er solle gefälligst warten, bis der Handel mit dem Ritter abgeschlossen sei. Später, als er dem Bettler ein Geldstück geben will, war dieser verschwunden. Da bekam Franziskus ein schlechtes Gewissen, weil er sich dem Armen gegenüber so unbarmherzig verhalten hatte. Mensch ist Mensch, ob arm oder reich, und der Stärkere muss dem Schwächeren beistehen. Als er am späten Abend nach erfolgloser Suche zu Hause die Begebenheit erzählte, lachte ihn sein Vater aus. Er verstand nicht, warum sich sein Sohn wegen einer solchen Lappalie Sorgen machte.

Eines Tages entschloss sich Franziskus, dem päpstlichen Heer zu folgen, das zu einem Kriegszug nach Süditalien aufbrach. Er wollte seine Tapferkeit beweisen, um mit dem Ritterschlag ausgezeichnet zu werden. Sein Vater unterstützte diesen Plan und ließ ihm eine prächtige Ritterrüstung anfertigen. Kurz vor der Abreise traf Franziskus einen verarmten Adeligen, der auch am Kriegszug teilnehmen wollte, aber nur eine schäbige Ausrüstung besaß. Franziskus schenkte ihm seine neue Rüstung. Er selbst zog mit der alten in den Kampf.

Kaum war er aber in Spoleto angelangt wurde er krank und musste das Bett hüten. Er hörte eine Stimme in seiner Kammer die ihn fragte: „Wer kann dir am besten helfen, der Herr oder der Diener?“ Da antwortete Franziskus: „Der Herr.“ Und die Stimme fragte weiter: „Weshalb verlässt du dann den Herrn dem Diener zuliebe?“ Nun verstand Franziskus: „Herr, was soll ich tun?“ Und die Stimme antwortete: „Kehre zurück in deine Heimat; dort wird man dir sagen, was du tun sollst.“

Franziskus hatte in der Stimme Gott erkannt; so gehorchte er. Er kehrte heim nach Assisi. Den Traum von einem Leben als Ritter hatte er aufgegeben.

Nur langsam wurde er wieder gesund. Er war nachdenklich geworden. War das alles richtig? Mein bisheriges Leben? Nachdenklich ging Franziskus in den Straßen von Assisi umher. Was wird seine Aufgabe sein? Nach dem Erlebnis mit der Stimme wollte Franziskus allein sein. Er wollte seine Freunde nicht mehr treffen. Und nunmehr wartete er darauf, dass sich die Voraussage des Herrn erfüllte. „Was wird seine Aufgabe sein? Und wer wird sie ihm mitteilen?“