Franz von Assisi war völlig verwandelt. Er, der König der Feste und Gelage, suchte jetzt auf einmal die Gesellschaft von Bettlern. Sein ganzes Geld gab er für Almosen aus. Und als er kein Geld mehr hatte, verteilte er seine Mütze, sein Gewand und seinen Gürtel unter seinen neuen Freunden. Nachdem er alles weggegeben hatte, was er besaß, suchte er Zuflucht in einer Grotte. Er verbrachte viele Stunden im Gebet und flehte zu Gott: „Herr, was muss ich tun, um ein Heiliger zu werden?“
Auf der Straße, die von Assisi nach Spoleto führt, stand eine Kirche, die dem heiligen Damian geweiht war. Die Kirche war sehr alt. Sie war so klein, dass sie im Sommer kaum den Hafer auf den Feldern überragte. Sie drohte einzustürzen. Ihr Dach und ihre Mauern waren zerfallen, doch im Innern barg sie einen kostbaren Schatz: ein vergoldetes Kreuz mit einem Christus, der sanft auf alle herabsah, die hereintraten. Der Priester des Kirchleins stand oft vor dem Kreuz und seufzte: „Mein guter Jesus, sieh nur, in welchen Zustand der Schnee und der Wind dein Haus gebracht haben! Muss es so elend zerfallen?“
Eines Tages kam Franziskus an der Damianskirche in Assisi vorüber. Franziskus ging hinein. Er wollte beten. Franziskus warf sich nieder. Vor dem Bild des Gekreuzigten. Da war es ihm, als riefe einer seinen Namen und sagte:
„Bau meine Kirche wieder auf. Geh, Franziskus, richte meine Kirche wieder auf! Du siehst, sie zerfällt.“ Zu Tode war Franziskus erschrocken. Aber er war sofort bereit, den Auftrag auszuführen, denn das Kirchlein San Damiano war sehr baufällig.
Er eilte zum väterlichen Laden, holte ohne Wissen seines Vaters einige Tuchballen aus dem Laden, ritt nach Foligno und verkaufte Tuchballen und sein Pferd auf dem Markt. Den Erlös brachte er dem alten Priester, der das Kirchlein betreute. Er sollte damit die Reparaturarbeiten bezahlen. Der Priester lehnte misstrauisch ab. Er wusste wohl warum.
Franziskus legte darauf das Geld in eine Fensternische. Mittlerweile war der Vater nach Assisi zurückgekehrt, und als man ihn von dem Vorgefallenen unterrichtete, geriet er in heftigen Zorn. Er rief Verwandte und Freunde zusammen und begab sich nach San Damiano, um den unwürdigen Sohn zu ergreifen; der aber hatte sich in seine Höhle geflüchtet, wo er sich betend, fastend und unter Tränen einen Monat lang aufhielt.
Schließlich vertraute er auf Gottes Beistand und kehrte nach Hause zurück. Assisi empfing seinen gestern noch so gefeierten Helden mit Steinen und Hohngeschrei; Die Leute von Assisi hielte ihn für verrückt. Die Kinder bewarfen ihn mit Schmutz: Ein Gammler! Er wurde zum Gespött der Stadt. Sein Vater schämte sich. Er war zornig. Pietro Bernardone sperrte seinen Sohn in ein Verlies und bedrängte ihn, dass er sein Vorhaben, die Kirche San Damian aufzubauen, aufgeben sollte. Dann unternahm er eine Geschäftsreise und die Mutter befreite ihren Franziskus, der nach San Damiano zurückkehrte.
Als der Vater wieder nach Hause kam, erfolgte ein neuer Streit zwischen Vater und Sohn. Diesmal wollte Pietro Bernadone ein Ende machen und reichte beim Stadtrat die Klage ein.
Franziskus erschien nicht zum Prozess. Er ließ ausrichten: „Ein weltliches Gericht kann nicht über mich urteilen; ich stehe im Dienst Gottes.“ Daraufhin beschloss der Rat der Stadt, die Sache dem Bischof zu übergeben und der widerspenstige Sohn erklärte sich bereit, vor diesem zu erscheinen.
Eine große Menschenmenge versammelte sich am 10. April des Jahres 1206 auf dem Platz vor dem Bischofspalast, als Franziskus und sein Vater vor dem Bischof zusammentrafen. „Alles hat er von mir bekommen“, rief der Vater, „dieser Sohn ist undankbar!“. Nachdem der Bischof beide angehört hatte, sagte er zu Franziskus: „Es ist nicht recht, was du getan hast. Das Tuch hat deinem Vater gehört. Er hat viel gearbeitet, um es zu erwerben. Du musst es ihm zurückgeben!“ Da begriff Franziskus, dass er Gott nur dienen kann mit dem, was Gott ihm gegeben hat, und mit nichts anderem.
Franziskus seine Kleider aus. Nackt stand er da. Er gab die Kleider dem Vater: „Ich möchte nichts mehr haben, was dir gehört.“ Er richtete feierliche Worte an die Anwesenden: „Hört ihr alle und versteht es wohl: Bis jetzt nannte ich Pietro Bernardone meinen Vater; aber da ich nun den Vorsatz habe, dem Herrn zu dienen, gebe ich ihm das Geld zurück, um das er sich aufgeregt hat, nebst allen Kleidern, die ich aus seinem Eigentum besitze – von nun an will ich sagen: Vater unser, der du bist im Himmel.“ Später einmal sagte Franziskus: „Das war das Schwerste in meinem Leben.“