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Nährwert, Mehrwert, Bildungswert…

Kreative Textarbeit – wozu machen wir das eigentlich?

Welchen Nährwert, Mehrwert, Bildungswert… kann es haben, wenn Schüler*innen sich kreativ und individuell mit Texten verschiedener Art auseinandersetzen?

M. a. W.: Was möchte ich im Religionsunterricht mit den kreativen Aufgaben zur Textarbeit erreichen?

Erzählende Texte und Ganzschriften

  • Die Aufgaben zu erzählenden Texten eignen sich gut, um sich Geschichten z. B.  aus der Bibel aus verschiedenen Perspektiven zu nähern und vielfältige eigene Interpretationen zu ermöglichen.
  • Viele der Impulse sehen vor, selber Texte verschiedener Gattungen zu verfassen. So wird das Verständnis für die Verschiedenheit und die besonderen Merkmale religiöser Sprachformen (Erzählung, Gebet, Lied, Gedicht…) weiterentwickelt.
  • Die kreativen Aufgaben regen dazu an, sich beim Lesen eines Textes etwas vorzustellen und diese Vorstellung auszudrücken – eine wichtige Voraussetzung, um beim Lesen und Hören von Texten aktiv dabei zu sein und ein persönliches Verhältnis zur Tradition aufzubauen.
  • Viele der Impulse beinhalten die Aufforderung zum Perspektivenwechsel. Die Schüler*innen werden  eingeladen, sich in Personen aus der Erzählung hineinzuversetzen oder verschiedene Leserperspektiven einzunehmen. Dies ist nicht nur für das Verständnis der Texte selber anregend, sondern auch eine gute Grundlage für Gespräche mit Vertretern verschiedener religiöser Gruppen oder Stile.
  • Die Anregungen zum freien Erzählen knüpfen an die lange mündliche Tradition der Texte an. Sie liefern Ideen dazu, selbstständig, kreativ und lebendig an diese Erzähltraditionen anzuschließen. Dass dabei zum Teil der Spaßfaktor recht hoch ist, tut der ernsthaften Auseinandersetzung mit den Erzählungen meiner Erfahrung nach keinen Abbruch.

Sachtexte

  • Die Aufgaben zu Sachtexten bieten sich in vielen Lernsituationen besonders für die Informierenphase an.
  • Je nach Einbettung kann die Recherche im Zentrum stehen. Ob im Netz, in der Bücherei oder mithilfe einer vorbereiteten „Lerntheke“ – die Wahl von Informationen, die die gestellte Frage beantworten helfen, kann mithilfe vieler Aufgaben geübt werden.
  • Mindestens als „Nebenwirkung“ wird die Recherche eine Rolle spielen – es sei denn, alle lesen den gleichen Text und wählen diesen nicht selber aus. Bei Portfolioarbeit ist dies eine Ausnahme.
  • Häufiger wird es jedoch darum gehen, aus den gefundenen oder angebotenen Informationen ein Produkt zu erstellen, das nicht per „copy & paste“ erstellt werden kann. So wird eine tiefere Auseinandersetzung mit den Inhalten angebahnt.

Argumentierende Texte

  • Aufgaben zu argumentierenden Texten erschließen verschiedene Sichtweisen auf eine Problemstellung. Dies passt bei vielen Lernarrangements besonders gut in die Planenphase, da argumentative Texte häufig eine Lösung für eine (aktuelle oder zur Entstehungszeit des Textes aktuelle) Problemstellung vorschlagen und begründen.
  • Die Aufgaben regen dazu an, sich die angebotene Perspektive zu erschließen und als eine unter mehreren möglichen Sichtweisen einzuordnen.
  • Außerdem geht es darum, in der Auseinandersetzung mit dem Text eine eigene Haltung zur Problemstellung zu entwickeln.

Für Schüler*innen kann es übrigens ziemlich erhellend sein, die einzelnen Texttypen unterscheiden zu lernen – eine sachliche Information von einer Meinung zu unterscheiden ist manchmal gar nicht so einfach.

Du unterrichtest nicht Religion, sondern ein anderes Fach? Welche Wirkungen erzielst du mit den Aufgabensammlungen? Teil deine Ideen im Kommentarfeld!

Portfolio??? – Sinn und Zweck der Portfolioarbeit im Unterricht

 

 Haben Sie als Schülerin oder Schüler selber Hefte oder Mappen geführt? Kennen Sie den Brauch, diese von Zeit zu Zeit einzusammeln und zu kontrollieren, ob auch wirklich „alle alles“ eingefügt bzw. abgeheftet haben, was im Unterricht „gemacht“ wurde, und ob jeder Einzelne die gleichen Aufgaben vollständig abgearbeitet und erledigt hat? Man könnte fragen:

Das gab es doch immer schon… warum heißen diese Mappen nun „Portfolio“? Ist das nur ein neuer, schicker (bzw. hochgestochener) Name, oder steckt mehr dahinter? Was sollte drin sein, wenn „Portfolio“ draufsteht?

Portfolios zeigen meinen aktuellen individuellen „Stand der Kunst“

Ursprünglich war ein „Portfolio“ im Wortsinn eine Mappe, die man herumtragen kann – und der, der sie herumtrug, war Künstler. In der Mappe befanden sich Arbeitsproben, also Bilder, Zeichnungen, Entwürfe… Zweck der Mappe war, dass der Künstler sich damit vorstellt: bei Kunstliebhabern und Galeristen, aber auch bei anderen Künstlern, Meistern ihres Fachs, von denen er sich die nächsten Schritte der Ausbildung erhoffte. Die Arbeitsproben zeigen also: Das kann ich, dies ist meine individuelle „Technik“, so interpretiere ich persönlich die klassischen Standardaufgaben, so löse ich die kunstspezifischen Probleme, dies sind meine ganz speziellen, noch nie dagewesenen Ideen.

Wie sinnvoll ist eine solche Mappe, wenn jeder Künstler darin die gleichen Ergebnisse herumträgt (womöglich fotokopiert)? – Eben!

Kompetenzorientierter Unterricht ermöglicht Schülerinnen und Schülern, ihre Fähigkeiten – ihre fach- und bildungsgangspezifische „Kunst“ – weiterzuentwickeln. Das Portfolio verdient seinen Namen, wenn es den Stand dieser Entwicklung (oder je nach Portfoliotypauch einen längeren Entwicklungsweg) abbildet, eine individuelle Auseinandersetzung darüber ermöglicht und hilft, nächste Schritte in den Blick zu nehmen.

Deshalb:

Portfolios sind individuell. Je mehr die Schülerinnen und Schüler zwischen verschiedenen Aufgaben wählen und mit zunehmendem Grad der Selbststeuerung Vorhaben selber entwickeln können, desto mehr werden sie von Portfolioarbeit profitieren. Manche Produkte entstehen zwar aufgrund von Aufträgen, die für alle gleich sind (auch wenn das nach und nach zur Ausnahme werden wird), aber die Lösungen sind selbst entwickelt und nicht standardisiert. Auch für die Ergebnisse von Gruppenarbeiten gilt: Nur der je eigene Beitrag zum Gesamtergebnis sowie die individuelle Reflexion der Gruppenarbeit machen im Portfolio Sinn.

Übrigens müssen nicht alle Portfolios gleich viele Produkte enthalten. Sie geben als LehrerIn die Rahmenbedingungen vor – aber wenn es gut läuft und der Funke überspringt, werden Einzelne Ihre Erwartungen weit übertreffen. Dieses persönliche Engagement kann im Portfolio abgebildet werden.

 Portfolios enthalten Schülerprodukte. Texte verschiedener Art, Bilder, 3-D-Objekte, Fotos von größeren Produkten, vieles kann Platz im Portfolio finden (das muss auch gar nicht unbedingt eine „Mappe“ sein, übrigens, es gibt andere kreative Portfolioformen). Arbeitsblätter, Kopien, Ausdrucke fremder Werke gehören hingegen in eine andere Mappe (die althergebrachte) – im Portfolio haben sie keinen Sinn, weil sie nicht den eigenen Stand der Kunst abbilden.

Es gibt Ausnahmen, z. B. ausgefüllte Strukturhilfen und Reflexionsbögen, denn…

Portfolios enthalten reflexive Anteile. Mithilfe des Portfolios werden Schülerinnen in die Lage versetzt, über ihren persönlichen „Stil“ nachzudenken: Über Talente und Interessen, bevorzugte Lernwege, bevorzugte Umwege, Erfolge und nächste Schritte. Sie werden deshalb regelmäßig aufgefordert, in ein „Selbstgespräch über den Lernweg“ einzutreten und Teile dieses Selbstgespräches öffentlich zu machen. Zeitweise werden Sie sich in dieses Gespräch mit einbringen (schriftlich oder in Beratungsgesprächen) und/oder andere Mitglieder der Lerngruppe dazu anregen. Im Portfolio kann so im besten Fall eine Art Briefwechsel mit dem Leser entstehen.

 Chancen der Portfolioarbeit

Sowohl LernerInnen als auch LehrerInnen können von gelingender Portfolioarbeit profitieren:

Schülerinnen und Schüler können ihre individuellen Talente und Stärken einsetzen, um Probleme zu lösen. Sie können sich mit Vorhaben beschäftigen, die zu ihrem aktuellen Leistungsstand passen und den nächsten Entwicklungsschritt ermöglichen (statt gelangweilt zu warten, bis alle „auf dem gleichen Stand“ sind, oder diesem gleichen Stand hoffnungslos hinterherzuhecheln…). Dafür benötigen Sie anregende Lernsituationen und vielfältige Arbeitsanregungen, die aktive Auseinandersetzung erfordern.

Schülerinnen und Schüler bekommen im Rahmen der Portfolioarbeit regelmäßig persönliche Aufmerksamkeit und passende Beratung – können sich allerdings auch kaum noch „verstecken“, um Kritik zu entgehen (weshalb ein sensibler, wertschätzender Umgang hier besonders wichtig ist). Sie lernen etwas über das eigene Lernverhalten und können sich ggf. für Modifikationen entscheiden.

Lehrerinnen und Lehrer können mithilfe der Portfolios den Überblick über vielfältige Lernprozesse gewinnen und/oder behalten. Selbst wenn zeitweise jeder etwas anderes tut: Da alle mit der Erstellung von Handlungsprodukten in irgendeiner Form beschäftigt sind, gibt es auf jeden Fall „handgreifliche“ Ergebnisse, die dokumentiert werden und über die gesprochen werden kann.

Der in der Portfolioarbeit eröffnete Rahmen, innerhalb dessen die Schüler ihre Lernwege selbst steuern, kann auf die Bedürfnisse der Gruppe zugeschnitten werden. Dafür gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sowohl im Blick auf dem Typ des Portfolios, als auch im Blick auf Umfang und Komplexität der Auswahlangebotes sowie auf die Einbettung in den Unterricht. Entsprechend variiert auch der Vorbereitungsaufwand. Übrigens: Je komplexer die Angebote, desto mehr Vorbereitung können die SchülerInnen selber leisten…

Portfolios ermöglichen Lehrerinnen und Lehrern die Einschätzung des je individuellen Kompetenzstandes und die Würdigung individueller Entwicklung. Aber Vorsicht: Gelegentlich besteht die Begründung für die Einführung von Portfolioarbeit darin, dadurch eine Klassenarbeit „ersetzen“ zu wollen bzw. ein Produkt zu erhalten, das zur Notenfindung dient. Wenn der Benotungsaspekt aber zu sehr betont wird, erstickt er viele positive Effekte der Portfolioarbeit im Keim. Die Fragen der Würdigung und Bewertung von Portfolios wollen daher gut überlegt sein – auch um eigene Überforderung in Bewertungsphasen möglichst zu vermeiden.

 Unterstützungsangebote für Ihre Portfolioarbeit

Sie sehen: Der Einsatz von Portfolios im Unterricht kann ein komplexes Vorhaben darstellen, das einige Vorüberlegungen erfordert. Ich rate Ihnen daher nicht, sich blind in diese Arbeit zu stürzen – aber bitte lassen Sie sich auch nicht abschrecken, denn die Portfoliomethode ist (mit Bedacht eingesetzt) meiner Ansicht und Erfahrung nach eines der wirksamsten Instrumente im kompetenzorientierten Unterricht. Und der Spaßfaktor ist nicht zu unterschätzen…

Nach und nach erscheinen hier im Blog Anregungen, Beispiele etc. pp. minderstens zu den fetten kursiven Stichworten – ich bin gespannt darauf, ob jemand da draußen etwas damit anfangen kann 😉

Weiterführende Literatur:

Netzwerk Portfolioarbeit : Was gehört zu guter Portfolioarbeit?

Thomas Häcker: Wurzeln der Portfolioarbeit. Woraus das Konzept erwachsen ist.

In: Ilse Brunner, Thomas Häcker, Felix Winter (Hg:): Das Handbuch Portfolioarbeit. 3. Auflage Seelze 2009, S. 27 f.

Ilse Brunner: Stärken suchen und Talente fördern. Pädagogische Elemente einer neuen Lernkultur mit Portfolio (ebd. 73 – 78)

 

Beitragsbild: Tim Reckmann/pixelio.de