Religiosität in Europa und weltweit

Im Jahre 2007 präsentierte die Bertelsmannstiftung die ersten Ergebnisse des Religionsmonitors 2008. Das Handbuch der Religionen (HdR, Olzog-Verlag) nahm im Rahmen der Gesamtkonzeption diese Thematik auf. I (vgl. Grundlegende Artikel).

In einer Ergänzungslieferung, HdR EL 17, 2008 I-14.11.6, wurde dieses auf Deutschland und international bezogene Projekt ausführlich analysiert. Als Ergebnis wurde trotz der nicht überall bisher möglichen repräsentativen Erhebungen und erst vorläufiger Bilanzierung "ein religionsvergleichendes Projekt angeschoben wurde, das nicht nur für einzelne Länder, sondern sogar für die künftige Weltgesellschaft und den Einfluss religiöser Traditionen mit ihren variierenden Strömungen … nicht hoch genug eingeschätzt werden kann."

RPI-virtuell hat dazu weitere Informationen gesammelt. Auch im INTR°A-Tagebuch wurde bereits im Februar 2008 diese wichtige Untersuchung vorgestellt.

Koran, Befreiungstheologie und wahrhaft Muslim sein

Der südafrikanische islamische Theologe Farid Esack gehört zu den progressivsten Denkern und Koranauslegern. Auf dem Hintergrund des Kampfes gegen die Apartheid ist in Südafrika nicht nur eine interreligiöse Solidarität entstanden, sondern es hat sich auch eine befreiungstheologische Lesart des Korans entwickelt.

Im Rahmen eines Seminars an der TU Dortmund zum Thema "BrückenbauerInnen zwischen den Religionen" wurden auch zwei seiner Bücher ausführlich vorgestellt:

Qur’an, Liberation & Pluralism (1997)

On Being a Muslim (1999)

Beide Bücher haben bis heute nichts von ihrer versöhnenden Aktualität und Dialogbereitschaft verloren.

In ähnliche Richtung geht übrigens der Literaturwissenschaftler Nasr Abu Zaid, der wegen seiner literarkrisch und historisch ansetzenden Koran-Hermeneutik Ägypten verlassen musste und in die Niederlande ins Exil ging, wo er an der Universität Utrecht als Religionswissenschaftler lehrt (vgl. dazu sein Buch "Mohammed und die Zeichen Gottes" (INTR°A-Rezension).

 

Christentum in Afrika und im Nahen Osten

Christliche Flüchtlinge aus dem Nahen Osten und Afrika lenken den Blick auf Regionen, die zum einen zu den frühesten christlichen Gebieten gehörten und zum zum anderen durch Kolonialgeschichte und christliche Mission aus Europa geprägt sind.

Im vorliegenden hier besprochenen Buch des Rostocker Religionswissenschaftlers Klaus Hock wird die Christentumsgeschichte des westlichen Asiens und Afrikas vom Maghreb bis in den Süden nicht nur aufgearbeitet, sondern dargestellt wie plural und spannungsreich die Entwicklungen in den einzelnen Regionen verliefen oder verlaufen. Während die Christen im Orient immer weniger werden, nimmt das Christentum in Schwarzafrika, allerdings oft mit fundamentalistischen Tendenzen zu. Und die Auseiandersetzung mit dem Islam und den traditionalen Religionen gehört zu den Alltagsphänomenen.

Klaus Hock hat mit dieser Arbeit eine Lücke im Verstädnis von Ausbreitung und Identitätssuche eines eigenständigen Christentum im Nahen Osten und Afrika geschlossen. 

Hinführungen zur „Seele Afrikas“

"Wir treten in ein Ritual ein, um auf den Ruf der Seele zu antworten". Solche spirituelle orientierten Sprüche und andere durchweg
kurze Weisheitstexte, einmal ernst und besinnlich, das andere Mal heiter und von Erfahrungen des Alltags gesättigt findet man in dem Buch des Autorenehepaares Schuhmacher zum Thema der Weisheit Afrikas – unter dem Titel:  Wenn die Wurzeln sich umarmen.

Als Übersetzer und Herausgeber nehmen  sie neben anderen vorgelegten Büchern  en gedanken auf, durch die Begegnung mit anderen Kulturen und Religionen selbst bereichert zu werden.  Mehr dazu in der Rezension.


Gottes Menschlichkeit im Koran

Der von Ägypten ins niederländische Exil emigrierte und dort seit 2004 lehrende Literaturwissenschaftler und Theologe Abu Zaid zeigt in seinem neuen Buch

Gottes Menschenwort. Für ein humanistisches Verständnis des Koran. Herder-Verlag 2009

dass gerade im Zusammenspiel
von Vernunft und Offenbarung die Schönheit und Menschenfreundlichkeit Gottes im Koran zum Ausdruck kommt.  Dies ist die wahre göttliche Botschaft, die unter veränderten geschichtlichen Bedingungen immer wieder neu verstanden werden muss. Im anderen Fall gibt es keine lebendige Kommunikation zwischen Gott und Mensch, für die der Koran ja das Schrift egworden Beispiel bildet. So begegnet im Koran allerdings ein universaler Anspruch. Es ist der von Gottes
Friedensabsichten für alle Menschen. Fundamentalisten haben mit solch einer Auslegungsweise ihre argumentative Mühe und darum ist sehr schnell der Vorwurf der Häresie bei der Hand. Abu Zaid dagegen wird nicht müde, diese humanistische
Lesart des Koran zu verbreiten.

Das zeigen übrigens auch seine anderen Beiträge und Bücher, von denen einige in der INTR°A-Bibliothek vorhanden sind. Dazu bereits eine Reihe von Besprechungen vor: 

Critique du discours religieux. Essais traduits de l’arabe par Mohamed Chairet. Arles (F): Actes Sud / Sindbad 1999.
Deutsche Ausgabe: Islam und Politik. Kritik
des religiösen Diskurses. Aus dem Arabischen von Chérifa Magdi. Einleitung
Navid Kermani. Frankfurt/M.: dipa 1992

  Ein Leben mit dem Islam. Aus dem
Arabischen von Chérifa Magdi. Erzählt von Navid Kermani. Freiburg u.a.: Herder
1999, auch als Herder Spektrum 5209, 2. Aufl. 2002

  (mit Hilal Sezgin): Mohammed und die
Zeichen Gottes. Der Koran und die Zukunft des Islam. Freiburg u.a.: Herder 2008


 


 

Goethes Faust – Brücke zwischen Orient und Okzident

Nicht nur Goethes West-östlicher Divan, sondern auch sein "Faust" hat als Teil der Weltlilteratur Brücken in den Orient geschlagen. Dies beweisen Faust-Rezeptionen, besonders in der arabischen Welt und in Asien. Wie umfassend und vielfältig der "Faust" Dichter, Comic-Schreiber und Literaturwissenschaftler inspiriert hat, davon berichtet das Buch


"Orient und Okzident. Zur Faustrezeption in nicht-christlichen Kulturen",

das der Präsident der Goethe-Gesellschaft. Jochen Golz und der chinesische Germanist Adrian Hsia heausgegeben haben. Die Rezension dieses Buches zeigt besonders, wie der "Faust" zu einem spannenden interreligiösen Lernfeld wird.

Wie Buddhisten andere Religionen sehen

150Der mit dem Sommersemester 2009 an der Universität Münster lehrende Religionswissenschaftler und Theologe Perry Schmidt-Leukel hat die Referate und Ergebnisse einer Tagung des Europäischen Netzwerks für Buddhistische Studien unter dem Titel: "Buddhist Attitudes to Other Religions" / Buddhistische Haltungen zu anderen Religionen herausgebracht. In einer ausführlichen Besprechung werden die dortigen verschiedenen Ansätze (hauptsächlich im Mahayana-Buddhismus) vorgestellt und die Chancen für den interreligiösen Dialog ausgelotet.

Wer oder was ist Gott? John Hick und der religiöse Pluralismus

Der englische Theologe und Religionsphilosoph John Hick (geb 1922) hat wie kaum ein anderer die Debatte um eine religionspluralistische Theologie der Religionen weltweit angestoßen. Als Vordenker eines religiösen Pluralismus, der nicht die Vermischung der Religionen will, sondern sie gerade als unterschiedliche, aber dennoch gleichwertige Heilswege akzeptiert, hat der interreligiöse Dialog durch ihn eine neue Qualität bekommen (Texte von Hick und Rezensionen hier bei rpi-virtuell).

In seinem November 2008 erschienen Buch "Who or What is God?"  (hier die Rezension) lässt er verschiedenen Gesichtspunkte so Revue passieren, dass er die Frage nach Gott im Blick auf die Suche nach der Wahrheit und im Blick auf Gerechtigkeit und Frieden in den vorgelegten Aufsätzen differenziert und konkretisiert.

 

Das Wissen der Schamanen und die Moderne

Der Ethnologe und Journalist Geseko von Lüpke legt mit diesem
„Gesprächswerk“ ein ungewöhnliches Buch vor, weil hier in einer Dichte und globalen Unterschiedlichkeit Gespräche aufgezeichnet wurden, die der Autor mit 17 Schamanen auf allen Kontinenten und in einem überschaubaren
Zeitraum von heute geführt hat. Das wirft ein neues nachdenklich machendes Licht auf das vielfältige Phänomen des
Schamanismus, so die Tendenz der  Buchbesprechung.

Die interviewten Schamanen und Schamaninnen bezeugen mit ihren Ritualen, (bis hin zu Ekstase un dTrance) Hinwendung zu den alten Traditiuonen und ihrer Heil-Praxis die Verbindung von Mikrokosmos und Makrokosmus und damit
eine tief gegründete Einheit des Kosmos, auf die sie im Sinne heilsamer
Veränderung hinarbeiten. Menschen dieser Kraft und Sensibilität – und
sicher manchmal auch befremdenden Art – sollten wahrhaftig mehr gehört werden, weil dadurch das verhältnis von altem Wissen und traditioneller Weisheit sowie moderner Wissenschaft neue Konturen gewinnt.

Orthodoxe Spiritualität – Der Geist des Ostens im Westen

Die östliche Theologie findet gerade im Blick auf den Islam
im deutschsprachigen Raum oft nicht die genügende Würdigung. Deshalb ist es dem
„Ostkirchengeschichtler“ Martin Tamcke von der Universität Göttingen zu danken, dass er zum einen  geschrieben hat

Im Geist des Ostens leben.
Orthodoxe Spiritualität und ihre Aufnahme im Westen 

und zum andern im Rahmen eines Symposiums mit jungen
ForscherInnen eine ausgesprochen  aufschlussreiche Palette orthodoxer und orientalischer
Theologie herausgegeben hat, und zwar unter dem Titel:

Christliche Gotteslehre im Orient seit dem Aufkommen des Islams bis zur Gegenwart.

Gerade in einer Zusammenschau der beiden Bücher (vorgestellt durch eine ausführliche Besprechung) erweitert sich das Spektrum interkonfessionellen und interreligiösen Denkens
durch die hier geleistete sachlich-empathische und zukunftsweisender Forschungsarbeit.

So machen beide Titel deutlich: Die aufeinander Gewiesenheit des orthodoxen
Ostens und des (lateinischen) Westens, diese unbedingte Komplementarität
erinnert uns: Wir brauchen auch weiterhin den Geist des Ostens im Westen. Das gilt für uns Christen im Wsten, aber auch für die geschichte und Gegenwart des christlcih-islamsicehn Dialogs.