Buch des Monats August 2010 – Jacques Dupuis und der religiöse Pluralismus

Der belgische Jesuit Jacques Dupuis (1923-2004) ist durch sein theologisches Engagement bei der Begegnung der Religionen bekannt geworden. Der Vatikan versuchte mit einer Notifikation (2001) diese interreligiöse Offenheit auszubremsen. Das bereits 1997 in Englisch und Französisch erschienene Buch (Rezension hier), inzwischen Standardwerk einer christlichen Theologie der Religionen in Fortführung des 2. Vatikanischen Konzils, ist nun endlich in Deutsch verfügbar:

Jacques Dupuis
Unterwegs zu einer christlichen Theologie des religiösen Pluralismus.
Hg.: Ulrich Winkler, Vorwort Hans Waldenfels
mit dem Text der Notifikation und weiteren Stellungnahmen
Innsbruck / Wien: Tyrolia 2010
— Ausführliche Rezension hier —

Jacques Dupuis gelingt es mit diesem Werk, Geschichte und Systematik interreligiöser Begegnung so aufzuarbeiten, dass die  Unterschiede und Konvergenzen aus einer trinitarisch-christologischen Sicht heraus deutlich werden. Religiöser Pluralismus wird damit zur Chance vertiefter Begegnung religiöser Traditionen und ihrer Heilsangebote.

Islamische Reformkräfte – das Beispiel Indonesien

Angesichts der negativen Schlagzeilen, die "der" Islam immer wieder macht, lohnt der differenzierte Blick in den variantenreichtum des Islam, wie er sich mit reformerischem Gesicht in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten islamischen Land zeigt.

Es ist ausgesprochen wichtig, solche Reformentwicklungen auch in Europa wahrzunehmen und gleichzeitig solche Möglichkeiten als Gesprächsbasis zu benutzen:

Simone Gröschl:

Islamische Reformdiskurse in Indonesien.


Vom Neo-Modernismus

                         

zum "Netzwerk Liberaler Islam".

                    
Saarbrücken: VDM Dr. Müller (E-Book) 2010
         — Rezension hier —

      

In diesem sorgsam recherchierten Buch wird deutlich, dass interreligiöse Begegnungen für eine harmnische Gesellschaft ein wesentlicher Faktor bleiben.

 

Moral ohne Gott? Zur Bedeutung der Vernunft im Mittelalter

Der Atheismus gilt als ein Phänomen der Neuzeit. Dass aber schon mittelalterliche Theologen versucht haben, ethisches Handeln vernunftgemäß zu begründen – ohne Gott dabei direkt ins Spiel zu bringen –  logische Folgerungen dieser Art finden sich in dem Buch:

Gregor von Rimini (ca. 1300-1358):
Moralisches Handeln und rechte Vernunft.

Kommentar zu den Distinktionen des 2. Sentenzenbuches.
HBPh[MA] Bd. 22. Freiburg u.a.: Herder 2010
— Rezension hier —

Natürlich ist nicht die Leugnung Gottes bei diesem scholastischen Theologen ernsthaft in Erwägung  gezogen, aber als Hypothese kann es hilfreich sein, Gott einmal außer acht zu lassen und festzuhalten, dass ethische Debatten sehr wohl ohne eine Rückbindung an Gott auskommen – dank einer Vernunft, die in der Lage ist, „schlechtes Handeln“ (theologisch: Sünde) als solches aus sich heraus zu erkennen.

In der beeindruckenden Reihe Herders Bibliothek der Philosophie des Mittelalters (HBPh[MA]) werden übrigens eine Reihe von mittelalterlichen Denkern vorgestellt, deren geistesgeschichtliche Bedeutung oft unterschätzt wurde und wird.

Die INTR°A-Bibliothek hat übrigens im Kontext  mittelalterlicher (Religions)-Dialoge u.a. bereits vorgestellt:

  • Averroes: Über den Intellekt (HBPh[MA]) Bd. 15.
    Freiburg u.a.: Herder 2008
    — in Verbindung mit Annemarie Mayer: Drei-Religionen – ein Gott?  Ramon Llulls interreligiöser Diskussion über die Eigenschaften Gottes.
    Freiburg u.a.: Herder 2008 (Rezension hier)
  • Gilbert Crispin: Religionsgespräche mit einem Juden und einem Heiden. HBPh[MA] Bd. 1. Freiburg u.a.: Herder 2005
    (Rezension hier)

Tariq Ramadan und der Prophet Mohammed als Vorbild

Tariq Ramadan, Enkel des Gründers der Muslim-Bruderschaft Hassan al-Banna gehört zu denjenigen europäischen Philosophen und Islamwissenschaftlern, die sich mit ihren Vorträgen und Büchern für ein Islam-Verständnis einsetzen, das nicht einen speziellen Euro-Islam propagiert, sondern aufzeigt, wie der Islam in die Kultur des Westens hineingehört. Er fordert darum in seinem Buch "Radikale Reform" zeitgemäße Lesarten des Islam
(vgl. ufuq.de vom 09.06.09).

Seine Propheten-Biografie ist darum weniger ein wissenshaftlicher Forschunbgsbericht als vielmehr im Sinne aktualisierender Lesart ein narratives Bekenntnis zu Mohammed:

Tariq Ramadan: Muhammad.
Auf den Spuren des Propheten.

Aus dem Englischen von Fiona Poppeler und Felicitas Schreiber
unter Mitwirkung von Kristiane Backer. München: Diedrichs 2009, 288 S.
— Rezension hier —

Die vorliegende ausführliche Buchbeschreibung und Bewertung, die im Rahmen eines Seminars an der TU Dortmund entstanden ist, ist gleichzeitig eine Empfehlung, sich mehr mit der Gründergestalt des Islam zu beschäftigen.

Wie schwierig die Haltung Tariq Ramadans wirklich zu beurteilen ist, zeigt die Tatsache, dass er im April 2010 zum ersten Mal nach sechs Jahren Verbot wieder in die USA einreisen durfte (Bericht der NZZ vom 12.04.10).

Auch zuvor hatte es schon mehrfach Auseinandersetzungen im seine Person gegeben (vgl. INTR°A-Tagebuch vom 28.08.09).

Menschlichkeit entdecken – im Christentum und im Islam

Viele sehen in den biblischen und koranischen Texten Ausbrüche und scheinbare Legitimierung von Gewalt. Daher lohnt es, die heiligen Texte von Christentum und Islam unter unter dem Gesichtpunkt der Menschlichkeit gemeinsam zu durchdenken. Dies hat eine christlich-islamische Arbeitsgruppe im religionsökumenischen Teamgeist getan:

Hans Grewel / Luise Becker / Peter Schreiner (Hg.):
Quellen der Menschlichkeit.
Bibel und Koran von Christen und Muslimen gedeutet.
München: Kösel 2010, 320 S., Abb., Glossar

— Rezension hier—

Die hier vorliegende didaktische Auswahl aus Bibel und Koran mit den entsprechenden Hinführungen und Kommentaren dürfte gerade für die Vorbereitung und Durchführung von religiösen Themen im Unterricht (nicht nur im Religionsunterricht) eine praktische interreligiöse Hilfe sein.

Wie wichtig solche christlich-islamische Verhältnisbestimmungen sind hatte der Jesuit Christian Troll sehr präzise beschrieben:

Christian W. Troll: Unterscheiden, um zu klären.
Orientierung im christlich-islamischen Dialog
Freiburg u.a.: Herder 2008

— Besprechungen hier — 

 

Begegnungen mit dem Orient – „Books Ex Oriente“

Der Orient gehört wesensmäßig zu unserem eigenen Kulturverständnis. Die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam stammen alle aus dem "Osten". Goethes Dichtung des West-östlichen Divan erinnert in besonderer Weise an die Zusammengehörigkeit von Ost und West.

Während der zu Suhrkamp gehörende
Verlag der Weltreligionen
ein großes Buchreihenprojekt inszeniert hat, versucht dies nun unter bescheideneren Bedingungen der Übersetzer und Verleger Axel Monte mit den "Books ex Oriente". Texte im Heftformat, die sich in eine Reihe "Ex Oriente" und in eine andere "Ex Occidente" gliedern. So wird deutlich, dass die Kulturbrücken zwischen Oriente und Okzident nicht nur sinnvoll sind, sondern der Verstärkung bedürfen.

Übersicht und Besprechungen hier

zu den bisherigen Heften. Renommierte Autoren aus Vergangenheit und Gegenwart behandeln
— jüdische und islamische Mystik
in der Entwicklungslinie
     von den Anfängen im Osten hin zu "jüdischen Pietisten" in Ägypten
     sowie die späteren Kabbalisten und Sabbatianer
— die "immerwährende Philosophie"
— indoeuropäische Märchen und Mythen
— die sog. Kriegermönche in Tibet und Bedeutungsgehalte der Apokalyptik

Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Böhme-Studien Bd. 1:
— Günther Bonheim und Petra Kattner im Auftrag des Internationalen Jacob-Böhme-Instituts (Hg.):
Mystik und Schriftkommentierung. Berlin: Weißensee-Verlag 2007.
Darin auch ein Beitrag von Axel Monte (S. 165-181): Die dritte Schrift – Islamische Mystik und ihr Verhältnis zur Schriftlichkeit.

Strukturen polemischer Begegnung zwischen Christentum und Islam

Der hier vorzustellende Band aus der Reihe des CORPUS ISLAMO-CHRISTIANUM (CISC) führt die LeserInnen wie all die anderen Titel zurück in die Antike.

Schriften zum Islam von Arethas und Euthymios Zigabenos und Fragmente der griechischen Koranübersetzung (Harrassowitz 2009)


— Rezension hier —

Auch wenn uns hier ein wissenschaftlich sorgfältig edierte und orientierend kommenteirte Textsammlung vorgestellt wird, lohnt der Bliock hinein nicht nur für Fachwissenschaftler. Denn die frühe Begegnung von Christentum und Islam zeigt (leider auch), dass sich die alten Auseinandersetzungsmuster offensichtlich bis in die Gegenwart erhalten haben.

 

Mystik und Moral in den Weltreligionen – Religionen im Gespräch (RIG)

Die Buchreihe "Religionen im Gespräch" (RIG) nimmt die verschiedenen Schwerpunkte interreligiöser Begegnungsmöglichkeiten auf
(vgl. Gesamt-Inhaltsverzeichnisse RIG 1-9).
Die Rezensionen von RIG 1-9 geben einen Einblick in interreligiöse Entwicklungen.

Der Zusammenhang von Mystik, Spiritualität, Moral und Ethik stellt sich in diesem Zusammenhang als besonders spannend dar. In einigen Bänden konzentrierten sich diese Themen in der folgenden Weise:

— RIG 4 (1996): Wertewandel und religiöse Umbrüche
— RIG 5 (1998): Die dialogische Kraft des Mystischen
— RIG 7 (2002): Neue Herausforderungen für den interreligiösen Dialog
— RIG 8 (2004): Wegmarken zur Transzendenz
— RIG 9 (2006): Europa im Orient – der Orient in Europa

 Einzelne Beiträge aus RIG 1-9 sind als PDF-Datei abrufbar.

Weiteres Material zur Mystik innerhalb der Religionen: Links + PDF 

Im INTR°A-Textarchiv werden wichtige Materialien zum interreligiösen Dialog, zur Begegnung der Religionen, Spiritualität, ethischen Fragen und Globalisierung gesammelt (Aktualisierung, 02.12.09). 

 

Buch des Monats September 2009 – Islambilder zwischen Reformation und Aufklärung

Aus einem interdisziplinären Projekt an der Universität Augsburg 2007 ist ein insofern spannendes Buch hervorgegangen, als die Vielfalt der Einstellungen zum Islam von der Reformation bis zur frühen Neuzeit teilweise an ungewöhnlichen Einzelbeispielen aufgezeigt wird. So gibt es u.a. erstaunliche Annäherungen zwischen Unitarismus und Islam:

Dietrich Klein / Birte Platow (Hg.):
Wahrnehmung des Islam zwischen Reformation und Aufklärung
Mänchen: W. Fink 2008
— Rezension hier —

Die ForscherInnen haben nicht nur ein weniger bekanntes Feld gründlich bearbeitet, sie haben auch deutlich machen können, wie Auseiandersetzung und Begegnung mit dem Islam in dieser Geschichtsepoche auch heutige Dialoge zwischen Christen und Muslimen beeinflusst.

Moscheen in Deutschland – Konflikte und Chancen

Wo eine Moschee neu gebaut wird, gibt es meistens Proteste, die teilweise überregionale Dimensionen annhemen, wenn diese Moschee repäsentativen Charakter bekommt und in einer Stadt deutlich sichtbar wird. Der Moscheebau in Köln-Ehrenfeld ist dafür typisch (beunruhigend).

Bärbel-Beinhauer Köhler, und Claus Leggewie, beide an kulturell sensiblen Orten angesiedelt, die eine an der Universität Frankfurt, der andere am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen, analysieren nicht nur die Geschichte und Gegenwart in der deutschen Moschee“entwicklung“. Sie bieten vielmehr –  zusammen mit einem Fotografen und dem Architekten der modernen Penzberger Moschee – Lehrstücke für eine sinnvolle Einbindung nicht nur der Moscheebauten ins Stadtbild, sondern auch für die Beheimatung der eingewanderten Muslime.

Bärbel Beinhauer-Köhler / Claus Leggewie:
Moscheen in Deutschland.
Religiöse Heimat und gesellschaftliche Herausforderung
München: C.H. Beck 2009
— Rezension hier —