Große Kino-Momente – Religulous.
Regie Larry Charles mit Bill Maher.
Dokumentarfilm, USA 2008, Deutschland 2009,
als DVD Oktober 2010, Laufzeit ca. 96 Minuten.
„Religulous“, so der Filmtitel, ist ein englisches Kunstwort, das sich aus den englischen Wörtern religion und ridiculous (lächerlich) zusammengesetzt.Der US-Amerikanische Dokumentarfilm aus dem Jahre 2008 kam im April 2009 nach Deutschland.
Mit einem Einspielergebnis von über 13 Millionen Dollar wurde Religulous zur erfolgreichsten filmischen Dokumentation des Jahres 2008.
Die englische und deutsche Fassung sind unter den verschiedenen Videoangeboten am Computer zu sehen. Die filmischen Szenen zeigen einer Reihe von Interviews mit Religionszugehörigen. Sie spiegeln deren Glaubensinhalte und setzen sich damit auseinander.
Das Drehbuch stammt von dem politischen Satiriker Bill Maher, der in Deutschland auch mit Late-Night-Talker Harald Schmidt verglichen wird. Bill Maher steht im Mittelpunkt des Films und erzählt von seinen Begegnungen mit Vertretern verschiedener religiöser Sichtweisen.
Trotz unterschiedlicher Einschätzung der Interview-Methoden Mahers, sind zwei Aspekte für ein Verständnis des Films von Bedeutung: Bill Maher sucht das Gespräch. Im Sinne von Goethes Märchen: „Was ist wichtiger als das Licht?“ fragte der König. „Das Gespräch“,antwortete die Schlange.[1]
Beginnend mit seinem eigenen religiösen Erleben im Elternhaus, eröffnet der Regisseur die Interviews mit seiner Mutter und Schwester.
Mahers Eingangsworte sind Thema und Ziel seiner Vorgehensweise: „Nun – als die Offenbarung geschrieben wurde, hatte allein Gott die Möglichkeit, die Welt zu zerstören. Doch inzwischen kann der Mensch das auch. Denn unglücklicherweise hatte er Mensch, bevor er lernte, vernünftig oder friedfertig zu sein, nukleare Waffen erfunden, und mit Umweltzerstörung katastrophalen Ausmaßes begonnen … Ich bin ganz ehrlich der Überzeugung, dass Religion dem Fortschritt der Menschheit höchst abträglich ist.“ Ihn selbst beschäftigt die Frage nach Religion Zeit seines Lebens. Schon in der Kindheit hat er Religion als unbequem und widersprüchlich, aber auch als tröstend erfahren. Offenbarten Glaubensformeln antwortet er mit logisch-folgenden Rückfragen. Oder mit Fassungslosigkeit, – wenn die Argumentation des Gesprächspartners das Phantastische erreicht: Der Leiter des Schöpfungsmuseums: „Wir sagen zusammengefasst: Der historische Ablauf der Bibel stimmt. Und es begann mit der Genesis.“ Derselbe Leiter einer wortwörtlichen Bibelauslegung: „Wenn die biblische Schöpfungsgeschichte nicht die Wahrheit ist, wie ist denn dann der Rest der Bibel zu verstehen?“. Ein Merkmal fundamentalistischer Einstellung, wird während homophober Hysterie einer ‚Straßenkämpferin‘ eingeblendet: „Nicht wir hassen die Schwulen. Gott hasst sie!“
Zeitweise gelingt es Maher, unterschiedliche Gespräche, mit Humor abzuschließen. Er formuliert: „Wo ist meine Brieftasche?“, und bringt die Runde zum Lachen. Andererseits zeigt er – filmisch festgehalten – wie schwarz-weiß Fanatismus Maher sichtbar erschüttern.
„Wenn ich sterbe, werde ich an einem schöneren Ort, werde ich bei Gott und Jesus sein“, formuliert ein bekehrter jüdischer Evangelikaler. Logische Gegenfrage Mahers: „Warum bringen Sie sich dann nicht um, damit Sie zu diesem besseren Ort gelangen?“ Je phantastischer die Wundergeschichte, desto logischer die Rückfrage, denkt man.
Maher sucht also, was den Film besonders auszeichnet, das Gespräch mit Menschen, deren Glaubensauffassungen ihn interessieren. Er ist mit der Argumentationsweise seiner Gesprächspartner auf Grund jahrelanger Erfahrung in Gesprächen vertraut. Das heißt: Maher kennt die Argumentationsweisen, bei denen besonders in solchen Gesprächen, der Intellekt gewöhnlich umschifft wird oder werden soll. Mit den gebräuchlichen Argumenten Glaubender kennt er sich aus. Damit gelingt es dem Regisseur, die Glaubens-Systeme und religiösen Einstellungen seiner Gesprächspartner, intellektuell redlich zu hinterfragen. Dabei stoßen, ein amerikanischer Senator, ein Jesus-Darsteller im Bibelmuseum sowie dessen Leiter, sichtlich an ihre Grenzen. Das wird filmisch ausgesprochen kunstvoll eingefangen.
Es wird deutlich: Maher weiß mit den Überzeugten und ihren Überzeugungen umzugehen. Seine langjährige Beschäftigung mit religiösen Einstellungen in seinem eigenen Leben und dem Leben seiner Mitmenschen, zeichnen ihn als hartnäckig Fragenden aus. Diese Rolle behält er während der Interviews bei. Als Agnostiker steht er für eine Weltanschauung, die insbesondere die prinzipielle Begrenztheit menschlichen Wissens betont.
Ohne Übertreibung kann bei Religulous, von einem filmischen Kunstwerk gesprochen werden, das zur wiederholten Betrachtung und zur Diskussion in Gemeindegruppen und im Religionsunterricht einlädt. Der Film unterhält zugleich in humorvoller Weise, die den Zugang zum Gespräch erleichtern.
Gerhard Kracht, Recklinghausen
Rz-Religulous, 23.02.12