Chancen für den Polytheismus?

Rz-Dillon-PolytheismSteven Dillon: The Case for Polytheism    
Winchester (UK) / Washington (USA): iff Books 2015 (John Hunt Publishing) 2015, IX, 86 S.         
— ISBN: 978 1 78279 735 7 —

Steven Dillon, der eine Zeit lang sogar in einem Römisch-katholischen Seminar überwiegend Philosophie studierte, schreibt seit mehreren Jahren philosophische Essays. Er arbeitet als Krankenpfleger in einem Altersheim in South Dakota.

Im vorliegenden Buch versucht er, den entscheidenden Sinn- und Lebensfragen dadurch nachzugehen, dass er sich mit monotheistischen und polytheistischen Gottesverständnissen auseinandersetzt. Er versucht eine Art natürlicher Theologie zu entwickeln, die er aus den monotheistischen Beurteilungsmustern herausholen will.  Er bekennt von Anfang an, dass er im Grunde ein „Heide“ sei, der nicht den Glauben der großen Religionen diskreditieren, sondern philosophisch die Möglichkeit der vielen Götter als Denkmuster für die eigene Lebensorientierung verdeutlichen will. Er tut dies nun in vier Schritten, in denen besonders nach der „Wahrheit“ und den positiven wie negativen Eigenschaften der Götter gefragt wird.

1. What is a God?
2. Is there a God? 
3.  How many Gods are there?
4. Are the Gods Good?

5. Unanswered Questions. 

Der Autor umgeht eine entscheidende Frage: Können die vielen vom Autor geschätzten Götter nicht auch als Wesenseigenschaften eines Gottes gesehen werden können bzw. eines Göttlichen oder einer letzten Realität (im Sinne von „the Real“ von John Hick)? Darum erscheint es mir überhaupt nicht sinnvoll, den Polytheismus in den Gegensatz zum Monotheismus zu stellen. Dennoch regt sein „polytheistisches“ Plädoyer an, dogmatische Festsetzungen und Spekulationen angesichts des Gottesgeheimnisses und letzter Wirklichkeitserfahrung zu überprüfen und auch die Zuordnungen von Theismus, Monotheismus, Polytheismus und Atheismus im besten Sinne frag-würdig erscheinen zu lassen.

Ausführliche Beschreibung: hier

Reinhard Kirste

Rz-Dillon-Polytheism, 26.02.15    Creative Commons-Lizenz

Die göttliche Kraft der Heilkräuter

Ursula Stumpf: Pflanzengöttinnen und ihre Heilkräuter.
Naturkraft schöpfen, Heilwissen nutzen.

Stuttgart: Franckh-Kosmos 2010, 159 S., Abb., Register
— ISBN 978-3-440-12236-5

Die Apothekerin und Heilkräuter-Kundige Ursula Stumpf hat 1998 eine eigene Heilkräuterschule in Karlsruhe gegründet. Als Heilpraktikerin ist ihr der Zusammenhang von Natur und Mensch besonders wichtig. So sind ihre „Kräuterweisheiten“ mehr als nur Gesundheitsrezepte. Dies schätzen inzwischen viele Menschen, die ihr  bei Vorträgen, Kräutergängen und Seminaren begegnen oder ihre Sendungen im Fernsehen anschauen.
An diesem Buch ist nun besonders auffällig, dass die Autorin gewissermaßen die „göttliche Seele“ der Pflanzen zur Sprache bringen will. Die LeserInnen werden so von den Pflanzen selbst angeredet, ermutigt, ermahnt, beruhigt.
Ursula Stumpf kommt auf alte vorchristliche Traditionen zurück und teilt den pflanzlichen Jahreskreislauf zwischen Werden, Reifen und Vergehen 12 Göttinnen zu. Bekannte und weniger bekannte Natur-Göttinnen werden mit „ihren“ Heilkräutern zusammen aufgezeigt. Allerdings wirft diese bunte Göttinnen-Galerie eine Reihe religionswissenschaftlicher Fragen auf, und sicher ist manches mythologisch nicht zutreffend. Das gilt besonders für Ostara, die sog. Frühlingsgöttin, die die Gebrüder Grimm ins Spiel gebracht haben. Auch bei „Frau Holle“ müsste bedacht werden, dass sie wahrscheinlich identisch mit der alpenländischen Perchta ist. Dennoch lässt sich in solcher Zusammenstellung die wesensmäßige Verbindung von Kosmos, Natur und Mensch in besonderer Weise (wieder) herstellen.
Im Buch werden aus der reichhaltigen Vegetation insgesamt 46 in Mitteleuropa beheimatete florale Kostbarkeiten vorgestellt. Die Autorin sieht sie auf das Seelenleben, den Geist und den Körper gleichermaßen ausgerichtet. Sie benutzt dazu folgendes Strukturschema: Ein besinnliches Dichterwort zur Einstimmung, Assoziationen mit der zugeordneten Göttin, Nacherzählung mit entsprechenden Sagen und Geschichten und Hintergrundinformationen zur vorgestellten Pflanze mit ihren Heil-Essenzen.
Dann äußern die Kräuter „selbst“ ausführlich ihre Botschaftzu den Heilwirkungen. Diese sind je nach der Komposition ihrer Inhaltsstoffe unterschiedlicher Art – zwischen beruhigend, anregend, Schmerz mindernd usw. und beziehen sich z.T. auf ganz konkrete Krankheiten und Gebrechen. Einige der Rezepturen sind nicht nur leicht umzusetzen, sondern bringen die Naturkräfte zur Wirkung. Die beigefügten Fotos geben einen guten zusätzlichen Einblick.
Es sei noch einmal ausdrücklich betont: Dies ist kein Buch, um kompetent in die Bedeutungen bestimmter Göttinnen in alten Kulturen eingeführt zu werden und wohl von der Autorin auch nicht beabsichtigt. Der Zugang zu diesem Buch ist eher ein poetischer, heilsam meditativer und körperlich wirksamer.
Die Künstlerin Helga Emmering-Christ aus Karlsruhe hat überdies besondere Fotocollagen der „Monatsgöttinnen“ beigesteuert. Ursula Stumpf legt insgesamt einen Wegweiser vor, der die stillen und kraftvollen, heilenden Helden der Natur hervorragend entdecken lässt. Es ist eine schöne durchaus auch meditative Lektüre gerade für die Wintermonate, um sich vorbereitend auf alles im Frühjahr wieder Sprießende zu freuen, das die blühende Natur dann reichlich hervorbringt.
Reinhard Kirste
Rz-Stumpf-Pflanzen, 05.02.12