Religionswissenschaft auf neuen Wegen

Der Historiker Michael Klöcker von der Universität zu Köln und der Religionswissenschaftler Udo Tworuschka von der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben unter dem Titel "Praktische Religionswissenschaft einen interdisziplinären Ansatz – zusammen mit einer Reihe von Fachleuten verschiedener Disziplinen – vorgelegt, in dem das religiöse Potenzial von Spiritualität sowie die Suchbewegungen nach Sinn, Lebens- und Weltgestaltung konkret im Sinne humanitärer Bildung aufgenommen wird.

Die Universität Jena hat dieses Vorhaben ausführlich vorgestellt.

Um es etwas zugespitzt zu sagen. Die Religionswissenschaft wagt sich zumindest in Teilen aus ihrem Elfenbeinturm heraus und benennt wichtige gesellschaftliche Handlungsfelder wie die Medien, die Alltagssprache, die Wirtschaft, den interreligiösen Dialog udn das interreligiöse Lernen.  Leseprobe hier 

Wege und Welten der Religionen - Titelabbildung Dies kommt übrigens auch in der Festschrift für Udo Tworuschla zum 60. Geburtstag zum Ausdruck: Wege und Welten der Religionen, wo die Beiträger und Gratulanten immer wieder auf den inneren Zusammenhang von Forschungen und Vermittlungen verweisen. Präsentation: hier

 

Transformation des Christentums durch Dialog

Der Protagonist religionspluralistischer Theologie, der Englander John Hick, hat das neue Buch des Münsteraner Professors für Religiöse Studien, Perry Schmidt-Leukel, Transformation by Integration (hier: Rezension) als ein aufregendes Buch deshalb bewertet, weil es eine neue Phase des interreligiösen Dialogs eröffnet.

Durch die Interaktion in der Begegnung von Menschen verschiedener Glaubensweisen, ändern sich festgefahrene Muster. Indem für das Verständnis des eigenen Glaubens die anderen Religionen komplementär wichtig werden und in die eigene religiöse Biografie einbezogen werden, entwickelt sich ein hoffnungsvolles Christentum für das Friedenswirken in der Gesellschaft. So gewinnt eine christliche religionpluralistische Theologie ganz aktuelle und konkrete Dimensionen.

Buch des Monats August 2009 – Hoffnungen auf das Ende der Gewalt von René Girard

Der bekannte Literaturwissenschaftler René Girard (geb. 1923) hat mit dem hier angezeigten Buch aufgezeigt, wie Gewaltkonflikte gelöst werden können:
René Girard / Ralf Miggelbrink:
Das Ende der Gewalt.
Analyse eines  Menschheitsverhängnisses
—Rezension hier —

Entscheidend ist die Erkenntnis, dass der Gott der (christlichen) Offenbarung nichts mit Gewalt zu tun hat und erst die rivalisierende Nachahmungstendenz – gerade auch in der Religion – die Gefährlichkeit des Opfergedankens “sakrifiziell” ausgestaltet hat. Das zeigen besonders die biblischen Geschichten des Alten und Neuen Testaments, die Girard als Belege anführt.
Wenn im Sinne von Girards mimetischer Theorie durch diese “Mimesis” auch die Aufhebung blutiger Opferrituale bewusst in Gang gesetzt werden kann, ist ein Weg zu einer friedlichen Zukunft der Menschheit ebenfalls möglich.


Friedensfähigkeit und Gewaltpotential der Religionen

Unter diesem Untertitel steht das Buch des bekannten Münchner Soziologen
Ulrich Beck: der eigene Gott (Frankfurt/M. 2009 – Rezension hier).

In seinem eher essayistisch strukturierten Buch bringt der Autor in scharfsinnigen Analysen zum Ausdruck, dass mit der zunehmenden Säkularisierung die Religion keineswegs aufgehört habe zu existieren. Vielmehr entwickeln sich eine von den religiösen Organisationen unabhängige und oft synkretistische neue religiöse Bewegungen im Sinne von Suchbewegungen hin zu neuen Transzendenerfahrungen. Da gleichzeitig auch religiöse Schübe der Individualisierung zu beobachten, hat der “eigene Gott” zwei Gesichter ein postmodernes, universalistisch offenes un dein fundamentalistisches. Nur eine “kosmopolitische Realität der Zweiten Moderne” wird Medthoden und Modelle zur Zivilisierung religiöser Konflikte entwickeln können.

Hans Küng und das gemeinsame Weltethos der Religionen

Der katholische Ökumeniker Hans Küng ist den Weg von der konfessionellen Offenheit hin zur interreligiösen Begegnung gegangen. Den Höhepunkt dieser umspannenden Arbeit ist das "Projekt Weltethos", das weltweit große Anerkennung von Vertretern der verschiedenen religiösen Traditionen gefunden hat. Dazu dienen auch Veröffentlichungen der verschiedensten Art, z.B.

Spurensuche – ein Multimediaprojekt seit 1999
     vgl. das Taschenbuch (in: Ein-Sichten, 26.10.08)

Wozu Weltethos?  Gespräche und Begründungen 

Insgeamt wid in medienwirksamen Tagungen und Vorträgen, aber auch in kleineren Projekten und Ausstellungender Gedanke weiter verbreitet, dass religiös verwurzelte Verantwortung dazu dienen muss, gemeinsam die Probleme der Welt anzugehen, denn ohne den Frieden zwischen den Religionen wird as auch keinen Weltfirden geben.

Nordrhein-Westfalen und das Ruhrgebiet – ein multireligiöser Kosmos

Zwei Bücher mit Bestands- und Veränderungsanalysen sind in relativ kurzen Zeitabständen auf den Markt gebracht worden. Beide behandeln die religiöse Vielfalt in Nordrhein-Westfalen bzw. eingeschränkter des in der Umstrukturierung begriffenen Ruhrgebiets.

Erich Geldbach / Peter Noss (Hg.): Vielfalt und religiöser Wandel. Lexikon der Religionsgemeinschaften im Ruhrgebiet. Essen: Klartext 2009,
608 S., Abb., Karten, Register (Rezension hier).

Markus Hero / Volkhard Krech / Helmut Zander (Hg.): Religiöse Vielfalt in Nordrhein-Westfalen. Empirische Befunde und Perspektiven der Globalisierung vor Ort. Paderborn: Schöningh 2008, 322 S., Statistiken, Lexikon der in NRW vertretenen Religionsgemeinschaften (Rezension hier).

Hinter beiden Bänden steckt eine jahrelange Arbeit fachlich
kompetenter AutorInnen, die eine Gruppe stärker an lexikalischer Zusammenstellung interessiert, die andere Gruppe mehr mit der Intention soziologischer Analyse und präziser Aufschlüsselung der erhobenen Daten, die beide im Umfeld der der Ruhr-Universität Bochum entstanden sind, aber erstaunlicherweise nicht in Kooperation miteiandner standen .

Beide Arbeitsgruppen haben versucht,
die Pluralität eines sowohl städtisch wie auch ländlich strukturierten Gebiets mit teilweise klassischen religiösen Schwerpunkten (katholisch oder evangelisch) in ihrer Veränderung wie ein farbiges Mosaik dazustellen dessen religiöse Vielfalt und Lebendigkeit  kaum zu überschauen ist.

Von der Aussagekraft her un der Aufarbeitung der  Datenfülle her dürfte vermutlich der Band über die “Religiöse Vielfalt in Nordrhein-Westfalen” die größere Langzeitwirkung haben.

Buch des Monats Juli 2009 – Religiöse Vielfalt und Religionsfrieden

Eine Reihe von Fachleuten der Philosophie, Theologie und Soziologie (besonders von Schweizer Unioversitäten) diskutieren in dem Band Religiöse Vielfalt und der Religionsfrieden. Herausforderungen für die Kirchen (TVZ Zürich)

Dieser Sammelband wird in einer Rezension als Buch des Monats Juli 2009 vorgestellt.

Das Ziel von Herausgebern und AutorInnen ist es, Moderne und Religion in einem demokratischen Staat angesichts der religiösen Pluralität zu analysieren und positiv und für eine friedvolle Gesellschaft aufzunehmen. Dabei beschränken sie sich auf West- und Mitteleuropa. Die Schweiz könnte in diesem Zusammenhang durchaus eine gewisse Schlüsselfunktion für die Herausarbeitung interreligiöser Kompetenz gewinnen.


Der Dialog muss weitergehen!

Unter diesem Titel hat der österreichische Religionswissenschaftler Ernst Fürlinger einen Dokumentenband herausgebracht, der die Dialogbemühungen der katholischen Kirche auf höchster Ebene seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil beschreibt. Eine ausführliche Rezension zeichnet hier nach, wie sich die Konzilsdokumente  dabei faktisch als Kriterium für die weiteren, besonders päpstlichen, Inititiativen erweisen. Sie ermöglichen dem Herausgeber aber gleichzeitig auch kommentierende Kritik an bestimmten Äußerungen und Akzentverschiebungen zu üben, die besonders seit dem Pontifikat Benedikts XVI. aufällig wurden.

Ein unverzichtbares Buch für die interreligiöse Arbeit – nicht nur im Blick auf die katholische Kirche! 

Vgl. bereits erschienene Dokumentationen aus dem englischsprachigen Bereich: 

— Francesco Gioia (ed.): Pontificial Council For Interreligious Dialogue. Interreligious Dialogue. The Official Teaching of the Catholic Church (1963-1995). Boston: Pauline Books 1997

— Byron L. Sherwin / Harold Kasimov (eds.): John Paul OO and Interreligious Dialogue. Maryknoll, NY: Orbis 1999 

Offizielle katholische Dokumente zum Dialog mit dem Islam:

— CIBEDO (Hg.) / Timo Güzelmansur (Zusammenstellung) / Christian W. Troll (Einleitung): Die offiziellen Dokumente der katholischen Kirche zum Dialog mit dem Islam. Regensburg: Pustet 2009 

Christsein inmitten der Weltreligionen

Dies ist der Untertitel eines Buches, dessen Haupttitel "Der Glaube der Anderen" heißt und hier ausführlich rezensiert ist. Es wurde von dem katholischen Theologen und Lehrbeauftragten an der Univereswität Luzern, Christoph Gellner, geschrieben. Darüberhinaus kamen ihm bei dieser leicht zu lesenden Darstellung seine Erfahrungen als Leiter einer kirchlichen Weiterbildungseinrichtung zugute.

Angesichts der Migrantenströme und der Globalisierung sind die Religionen so nahe zusammen gerückt wie nie zuvor (vgl.dazu GEO kompakt Nr. 16/2008). Gellner geht so vor, dass er sich von einem christlichen Ausgangspunkt her auf den Dialog mit anderen Religionen ohne Werturteile einzulassen versucht. Dies geschieht in großer Offenheit auf der Basis der Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Insofern bleibt auch diese Begegnung einem eher inklusivistischen Verstehensmodell der "Anderen" verhaftet, mit dem aber die Begegnung mit den großen  monotheistischen Religionen und den religiösen Traditionen Asiens als Chance und Bereicherung des eigenen christlichen Glaubens empfunden wird.

Gewissermaßen eine Art weiterführendes Verstehensmodell stellt der 2008 erschienene Sammelband dar, herausgegeben von Reinhold Bernhardt / Perry Schmidt-Leukel: Multiple religiöse Identität. Aus verschiedenen religiösen Traditionen schöpfen (Rezension hier).

 

Europa im Orient – der Orient in Europa

Bereits 2006 brachte die Interreligiöse Arbeitsstelle (INTR°A) den 9. Band der Reihe "Religionen im Gespräch" (RIG 9) heraus. Damit kamen allerdings die Reihe dieser "Zwei-Jahresbücher" (RIG 1-9) als Druckfassung an ihr Ende. Seitdem stellt INTR°A verstärkt Materialien und Besprechungen im Internet vor, und zwar unter der Rubrik "Themen und Texte" und bei "Rezensionen".

RIG 9 wurde nicht nur mehrfach besprochen, sondern bildete wegen der dort angeschnittenen grundsätzlichen Fragen und praktischen Berichte auch die Arbeitsbasis mehrerere Seminare. Auch eine große Zahl von Büchern zu Themen der interreligiösen Begegnung wurden dort besprochen –  vgl. Übersicht über alle Rezensionen von 1990-2006.

Zwei ausführliche Besprechungen werden hier vorgestellt, die eine aus der Zeitschrift "Freies Christentum", die der Bund für Freies Christentum, regelmäßig herausbringt, die andere entstand in einem Seminar an der Technischen Universität Dortmund.