Buch des Monats September 2012: Jenseits von Himmel und Hölle

John Shelby Spong: Jenseits von Himmel und Hölle. Eine neue Vision vom ewigen Leben. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Gerhard Klein.

Ostfildern: Patmos 2011, 221 S.  — ISBN 978-8436-0028-6 

Ausführliche Besprechung: hier

Kurzrezension
Der Autor dieses Buches, John Shelby Spong (geb. 1931), emeritierter anglikanischer Bischof, gehört zu den bekanntesten religiösen Autoren der USA. In seinen Büchern vertritt er mutige Thesen für ein erneuertes und gegenwärtiges Christentum jenseits des bisherigen Christentums.1 Spong versucht, eine postmoderne Weltsicht mit einem Glauben zu verbinden, der die Naturwissenschaft ebenso wie wichtige bibelexegetische Erkenntnisse ernst nimmt. Für das praktische Leben müssen diese auch ethisch im Sinne des Engagements für die Ausgegrenzten umgesetzt werden.

Als alter Mann, der nun sein letztes Buch veröffentlicht, ist ihm klar geworden, dass er dies nur als persönliche Beschreibung darlegen kann und nicht als christliche Theorie über Himmel und Hölle. Im Bedenken seiner eigenen Biografie untersucht Spong genauer sein zunehmendes religiöses Interesse, das bei ihm erhebliche Glaubensveränderungen bewirkte

Das den Autor lange prägende externe Religionsverständnis einer „Gottheit über uns“, möchte er überwinden zugunsten einer „Gottheit in uns“ (S. 128). Und so ist „das Göttliche, das wir immer suchten, eine Dimension des Menschlichen“ (S. 138). Man merkt, dass sich Spong mystischen Sichtweisen annähert. und letztlich ein Neuverständnis wahrhafter Dimension von Religion! 

Anm 1:  Rezension hier  zum Buch von J.Sh. Spong: Die Sünden der heiligen Schrift. Wie die Bibel zu lesen ist (2007)

                                                                                                                                                 Reinhard Kirste

 

 

Buch des Monats Juni 2012: Rudolf Otto und die Diskussion um das “Heilige”

Thorsten Dietz / Harald Matern (Hg.): Rudolf Otto. Religion und Subjekt.

Christentum und Kultur, Band 12. Zürich: TVZ 2012, 264 S, Register— ISBN 978-3-290-17608-2

Die Diskussion um das berühmte Buch des evangelischen Theologen und Religionswissenschaftlers Rudolf Otto (1869–1937) hat bis heute eine intensive Auseinandersetzung zur Folge. Otto hatte das „religiöse Gefühl“ für das „Heilige“ mit transzendentalphilosophischen und phänomenologischen Theorieelementen verbunden und eine für viele Fachkollegen fragwürdige  Kriteriologie dafür entwickelt. Im 1977 erschienenen Sammelband „Die Diskussion um das Heilige“ drückt der herausgebende Religionswissenschaftler Carsten Colpe sein Unbehagen u.a. folgendermaßen: aus1:
„Würde ich gefragt, wie ich … über das Problem selbst schreiben würde, dann hätte ich etwa zu antworten: Herauslösung von Ottos Heiligem aus der Zweideutigkeit zwischen psychologischem und transzendentem Apriori (mit Paus); Einführung einer wieder an Kant orientierten Bedingung der beiden Möglichkeiten: der erkenntnistheoretischen, das Heilige als formales Prinzip der Weltdeutung zu kategorisieren (mit Feigel …) und der ethischen, die Empirie des unfreien Willens innerhalb einer Ontologie des Bösen transzendental zu deduzieren (mit Ricœur …) …“


Das hier vorzustellende Buch, das die beiden Theologen Thorsten Dietz (Ev. Hochschule Tabor in Marburg) und Harald Matern (Universität Basel und Erlangen) herausgegeben haben, stellt das Ergebnis eines Forschungssymposiums zu Rudolf Otto vom Dezember 2010 in Marburg vor. Der Schwerpunkt hat sich hier – wie schon im Vorwort angesprochen – auf die Begründungszusammenhänge religiöser Subjektivität verschoben, und zwar in vierfacher Hinsicht: religionswissenschaftlich, religionsphilosophisch, religionspsychologisch und narrativ-theologisch. Dazu treten exemplarisch die Interpretationen und unmittelbaren Bezüge Ottos zu Martin Luther (1483–1546), Immanuel Kant (1724–1804), Friedrich Schleiermacher (1768–1834), Friedrich Jakob Fries (1743–1843), Nathan Söderblom (1866–1931), Wilhelm Wundt (1832–1920) und Paul Tillich (1886–1965).
Reinhard Kirste
Anm. 1: Carsten Colpe (Hg.): Die Diskussion um das „Heilige“. Wege der Forschung CCCV. Darmstadt 1977, S. XXV