Jesus, ein Mensch “ohnegleichen”

Rz-Lenaers-JesusRoger Lenaers: Jesus von Nazareth, ein Mensch wie wir?
Kleve: Edition Anderswo 2015, 156 S. — ISBN 978-3-935861-38-0

Der flämische, bei Innsbruck lebende Philosoph, Theologe, Altphilologe und Jesuit (geb. 1925!) bedenkt mit seinem neuesten Buch ein „Gottesbild“ im Sinne eines göttlich-menschlichen Liebesverhältnisses, wie es in der Lebensgeschichte Jesu zu Ausdruck kommt. Er greift dazu folgende „Stationen“ auf: Geboren von einer Jungfrau, gelitten und gekreuzigt unter Pontius Pilatus, am Kreuz hingerichtet und begraben, am dritten Tag vom Tod auferstanden. Dies alles ist geprägt von mythologischem Denken. Im Sinne einer „modernen“ Interpretation der alten Texte versteht er Jesus darum nicht als vom Himmel herabgekommenen Gottessohn.

Der Jesuit zieht als Bilanz: Jesus ist „nicht nur ein Mensch wie wir“ (S. 152). Mit diesem auch auf jede Absolutheit verzichtende Reden sieht er sich auf der Linie des 2. Vatikanischen Konzils, das der Exklusivität des Christentums gegenüber anderen Glaubensweisen eine klare Absage erteilt hat, aber dennoch – Jesus ist „ohnegleichen“ (S. 153).

Vor uns liegt  ein gut zu lesendes Buch, das daran erinnert, welche erstaunliche neue Glaubenszugänge die exegetische Jesus-Forschung seit der Aufklärung erbracht hat. Es regt zu weiteren Nachfragen an.

Ausführliche Beschreibung: hier

Reinhard Kirste

Rz-Lenaers-Jesus, 06.10.15  Creative Commons-Lizenz

Der säkulare Staat vor den Herausforderungen einer multireligiösen Gesellschaft

Rz-Schleifer-Staat+ReligionJoseph Marko / Wolfgang Schleifer (Hg.): Staat und Religion.
9. Fakultätstag der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz,
16. Mai 2014.
Graz: Leykam 2014, 305 S. — ISBN 978-3-7011-0308-9 —

Als kontinuierliche Herausforderung, Chance und Spannungsfeld erweist sich das Verhältnis von Staat und Religion(en) in der modernen (säkularen) Gesellschaft. Mit der verstärkten Einwanderung von Muslimen in westliche Gesellschaften hat dieses Thema oft unerwartete, ungewöhnliche und für viele beunruhigende Perspektiven erfahren. Von daher war der interdisziplinär angelegte 9. Fakultätstag der Juristischen Fakultät der Universität Graz der Versuch, Strukturlinien im komplexen Zusammenhang von Staat und Religionen aufzuzeichnen.  Das gilt besonders für Themen wie Religionsfreiheit, Blasphemie, Scharia, Säkularismus und Demokratie.

Die Konferenz brachte die verschiedenen Entwicklungen des Religionsrechts zur Sprache. Durch die systematisierende Bearbeitung im Plenum und in den Arbeitsgruppen gerade im Blick auf den Islam konnte manches Vorurteil über das islamische Recht und die Scharia in Frage gestellt werden. Insgesamt ist durch die Verbindung von Rechtstheorie und religiöser Praxis bei der Darstellung durch die Mitwirkenden faktisch ein Orientierungsbuch entstanden. Von hier aus bietet es sich an, auch weiter anstehende Fragen im Sinne einer Werteordnung zu lösen, die auf der Basis des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates steht und sich zugleich kompatibel mit religiös geprägten Rechtsvorstellungen zeigt. Insofern bietet dieses Buch wichtige Anreize für die weitere Ausgestaltung des Rechts in multikulturellen und multireligiösen Gesellschaften.

Ausführliche Beschreibung: hier

Reinhard Kirste

Rz-Schleifer-Staat+Religion, 26.04.15    Creative Commons-Lizenz

 

Buch des Monats August 2014: Die islamische Philsophie und Europa

Rz-Yousefi-Islam-PhilHamid Reza Yousefi: Einführung in die islamische Philosophie.
Eine Geschichte des Denkens von den Anfängen bis zur Gegenwart.

UTB Philosophie Nr. 4082. Paderborn: Fink 2014, 240 S., Abb.

— ISBN 978-3-8252-4082-0 —

Der Autor, Hamid Reza Yousefi, interkulturell orientierter Philosoph mit iranischen Wurzeln, hat sich schon seit Jahren zur Aufgabe gesetzt, die Philosophie in ihrer Interkulturalität näher zu untersuchen und zu beschreiben.
Mit diesem Buch füllt er nun eine erhebliche Lücke angesichts der üblichen westlich-einseitigen Einschätzungen zur europäischen Philosophiegeschichte.

Nun stellt Yousefi nicht einfach Kurzbiografien zu Leben, Werk und philosophischer Bedeutung einzelner Denker hintereinander, sondern nimmt im Grunde ein interkulturelles Strukturmuster der Orientierung wieder auf, das er bereits in seinem Buch „Die Bühnen des Denkens“ (2013) beschrieben hatte. Von daher macht er deutlich, dass Philosophie von einem Sehnsuchtsimpuls geprägt ist, der die Selbst-Auf-Klärung des Menschen und die der materiellen und geistigen Welt vorantreibt.

Man merkt diesem angenehm zu lesenden Buch an, wie sehr der Autor, europäisch-zentrierte Sichtweisen dahingehend ändern möchte, dass er in der Weite des Mittelmeerraum und des Mittleren Ostens den Quellgrund für visionäre Denk-Konstrukteure sieht. Geistige Lebenskraft kann nur aus dem engen Zusammenwirken östlicher und westlicher Denker auch gesellschaftlich, religiös und politisch wirksam werden.

Yousefi hat mit diesem Studienbuch eine wichtige „Orient-Erweiterung“ im Kontext europäischer Philosophie geleistet.

Ausführliche Beschreibung: hier

Reinhard Kirste

Rz-Yousefi-Phil-Islam, 31.07.14  Creative Commons-Lizenz

 

Buch des Monats Juli 2014: Konstantin Wecker – Engagement und Vision

Rz-Wecker-MönchKonstantin Wecker: Mönch und Krieger.
Auf der Suche nach einer Welt, die es noch nicht gibt.

Gütersloher Verlagshaus 2014, 288 S. — ISBN 978-3-579-07066-7

Konstantin Wecker (geb. 1947) gehört zu den Menschen, die die Spannungen und Extreme ihres Lebens in poetischer und politisch engagierter Weise in Text und Lied umsetzen.
Nun ist Biografisches von Prominenten durchaus im Trend. Vermutlich würde man auch dieses Buch schnell wieder beiseitelegen, wenn nicht das innere Ringen, die ehrliche Auseinandersetzung und das eigene quälende Scheitern zum Ausdruck kämen. Sie sind untrennbar verbunden mit der Sehnsucht nach Freiheit. Diese Sehn-Sucht zielt immer dahin, das innerste Potenzial des eigenen Menschseins ans Licht zu heben, ohne dabei dem Egozentrismus zu verfallen.

Konstantin Wecker hat von sich ein mutiges Lebensbild sprachlich beeindruckend gezeichnet. Er konturiert den friedlichen Kämpfer, den die Vision einer versöhnten Welt innerlich vorantreibt. Er verleiht damit der Verteidigung solidarischer Menschlichkeit eine besonders glaubwürdige Stimme – der wahrhaften Demokratie zu Ehren. Die Lektüre sei darum allen jungen und alten Suchenden besonders empfohlen.

Ausführliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste

 Rz-Wecker-Mönch, 30.06.14     Creative Commons-Lizenz

Die Frage nach Gott im Kinderbuch

Rz-Brenifier-GottOscar Brenifier und Jacques Després: Was, wenn Gott einer, keiner oder viele ist?
Stuttgart: Gabriel-Verlag (Thienemann) 2013, 32 S., Abb., Jugendsachbuch, geeignet für Kinder ab 12 Jahren
— ISBN 978-3-522-30345-3 —
Das mit kurzen Texten untermalte Bilderbuch reflektiert bzw. erörtert auf kinderfreundliche Art und Weise die Frage nach Gottes Existenz. Es geht hierbei nicht darum, einen Gottesbeweis oder eine Gotteskritik zu formulieren, sondern vielmehr die sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen präsenten Fragen, wie beispielsweise ‚Ist Gott mächtig oder machtlos? Sind Gott und Allah identisch?’, offen zu legen und generell zum Diskutieren und Nachdenken anzuregen.
In zwölf gegensätzlichen Illustrationen und Aussagen versucht Brenifier eine Aussage darüber zu treffen, was wir glauben bzw. nicht glauben und besonders wozu wir glauben.

Das Buch ist weder katholisch, noch evangelisch, weder schiitisch, noch sunnitisch, auch nicht humanistisch oder buddhistisch, sondern präsentiert sich als konfessionsübergreifendes religionsphilosophisches Kinderbuch.
Obwohl der Titel erst 2013 veröffentlicht wurde, hat Brenifiers “Bilderbuch“ bereits eine Vielzahl an Preisen gewonnen, so u.a. den Deutschen Jugendliteraturpreis und den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis.
Die Illustrationen übertragen die sprachlich treffend formulierten Gegensätze in eine gleichsam treffende Bildsprache, indem die Bilder ähnlich simpel und konkret wirken wie die Texte.
Die Aussagen darüber, welche konträren Vorstellungen von Gott existieren, bestechen durch ihren einfachen und präzisen Charakter. Die 12 formulierten Gegensätze begegnen sich mit einer Offenheit, die sich in allen Perspektiven gemeinsam finden: Sie wollen Antworten auf Fragen des menschlichen Lebens geben. Es ist die Suche nach diesen Antworten, die jeder Sichtweise bzw. Vorstellung ihre Berechtigung erteilt und die Sehnsucht des Menschen nach Erklärungen seines Selbst in der Welt in den Mittelpunkt stellt.
Damit regen die Worte zum Nachdenken, Zweifeln und zu einer Auseinandersetzung mit religiöser Vielfalt an. Richtig und falsch werden nicht gegeneinander gesetzt, sondern ein Diskurs, ein Nachdenken und „Sich-Austauschen“ wird angeregt. Gleichzeitig wird aber auch die Entfernung der einzelnen Positionen zum Ausdruck gebracht, die mitunter zu weit auseinander liegen, um sich in einer Art „Kompromiss“ treffen zu können.
Sowohl Text und Bild schaffen in ihrer Komposition einen sehr gelungenen, ansprechenden Zugang zu der Frage nach Gott, die eine Pluralität an Antworten eröffnet und diese gleichberechtigt nebeneinander stellt.

Ausführliche Besprechung: hier

 Rezension von Anna Cristina Paldino und Jost Benedikt Rudloff
im Rahmen des Seminars „Interreligiöse Horizonte“
TU Dortmund, Sommersemester 2014

 

Rz-Brenifier-Gott, 24.04.14    Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats März 2014: Leuchtpunkte jüdischer Philosophie

Rz-Starobinski-Jud-PhilEsther Starobinski-Safran: Essais de philosophie juive.
Paris: Albin Michel 2014, 256 S. — ISBN 978-2-226-25387-3 —

Ausführliche Besprechung: hier

Die jüdische Philosophie spielt seit der Antike eine wesentliche Vermittlungsrolle im Mittelmeerraum. Sie hat auch wichtige Impulse für die Geisteskultur Europas und Deutschlands gesetzt. Esther Strarobinski-Safran, Tochter des Hauptrabbiners Alexandre Safran von Genf (1910-1948),   steckt mit den vorliegenden Essays entwicklungsgeschichtlich entscheidende Markierungspunkte der jüdischen Philosophie in 20 Jahrhunderten ab. Diese haben auch die politische Geschichte zum Teil nachhaltig beeinflusst.
Das Erstaunliche eines solchen Ganges am „Geländer“ großer jüdisch-philosophische Protagonisten sind die die Konvergenzen der hier vertretenen DenkerInnen – und dies trotz großer Zeitunterschiede. Diese Beziehungsnähe bewegt sich im Spannungsfeld von Vernunft und Offenbarung unter den philosophisch-theologischen Voraussetzungen des Monotheismus und in Bezug auf Einheit und Einzig(artig)keit Gottes.

Sie stellt im Einzelnen vor:
Philo von Alexandrien (um 15 v. Chr. bis ca. um 40 n. Chr.), das Buch Keter Malkhut (= die Krone des Königtums) von Ibn Gabirol (1021/22–1057), Moses Maimonides (1135/1138 –  1204 in Kairo), Benedikt (Baruch) Spinoza  (1632–1677), Hermann Cohen (1842–1918), Hannah Ahrendt (1906–1975), Moses Mendelssohn (1729-1786),  Franz Rosenzweig (1886–1929), Eugen Rosenstock-Huessy (1888–1973), Martin Buber (1878–1965 , Emmanuel Levinas (1906–1995),   Alexandre Safran (1910–2006) und Abraham Joshua Heschel (1907–1972)

Dieses Buch ist keine systematische Philosophiegschichte; es sind bewusst Essays. Aber diese Auswahl wirkt wie eine historische Lichterkette, deren Leuchtpunkte jüdische Philosophinnen und Philosophen sind, die in der Spannung von Vernunft und Offenbarung ein Gottesbild zeichnen, in dem Grenzen überschreitende Barmherzigkeit und Liebe im Zentrum des Denkens steht. Hier eröffnen sich interreligiöse Horizonte, zu denen jüdische Denker seit der Antike Wesentliches beigetragen haben. Es wäre schön, wenn es dieses Buch auch als deutsche Übersetzung gäbe.

Reinhard Kirste


Rz-Starobinski-Jud-Phil, 28.02.14      Creative Commons-Lizenz

Interreligiöse Beziehungen verstehen und vertiefen

Rz-Cheetham-InterrelDavid Cheetham / Douglas Pratt / David Thomas (eds.):
Understanding Interreligious Relations.
Oxford (UK) / New York (USA): Oxford University Press 2013, 464 p., ausführlicher Index

— ISBN 978-0-19-964585-5 —

Drei im interreligiösen Dialog engagierte Wissenschaftler haben diesen Band herausgegeben: David Cheetham und David Thomas von der Universität Birmingham und der neuseeländische Religionswissenschaftler Douglas Pratt, zur Zeit an der Universität Bern. Sie verstehen ihre Zusammenarbeit mit den anderen Forschern als Orientierungsarbeit angesichts der Begegnung von Religionen auf unterschiedlichen Ebenen. Sie betonen,  dass es um die Interaktion von religiösen Gemeinschaften in Geschichte und Gegenwart, um interreligiöses Engagement und um die wissenschaftliche-interdisziplinäre Aufarbeitung der damit zusammenhängenden Phänomene und Probleme geht.Die Leitfrage ist im Grunde, wie Religionen sich selbst und im Kontext der anderen in einer globalisierten und religiös-pluralen Welt wahrnehmen.

Das Buch teilt sich in zwei Teile, einen ersten grundsätzlichen (7 Beiträge), in dem von einer bzw. der (überwiegend christlichen) eigenen Religion der Blick insgesamt geweitet wird. Dem folgen im zweiten Teil 11 Themen und Diskussionspunkte im Kontext interreligiöser Beziehungen.

So entsteht ein differenzierter Einblick in die Vielfältigkeit interreligiölser Begegnungen mit teilweise sich schnell ändernden Kontexten, gesellschaftlichen Bedingungen und Trends. Hier kommt (inter-)religiöse Verantwortung nicht ohne eine „constructive theology“ aus (S. 400). Eine solche Theologie muss sich jeglicher Prädominanz enthalten, um den Dialog nicht zu gefährden, denn eine Religion braucht gerade in ein r globalisierten Welt immer die “andere”.

Die hier zusammengetragenen Erkenntnisse machen dieses voluminöse Buch zu einem wichtigen Merkposten im weltweiten interreligiösen Dialog.

Ausführliche Besprechung: hier

                                                                                                                                                                                        Reinhard Kirste

Rz-Cheetham-Interrel, 20.01.14    Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats April 2013: Faszination des Meisters

Rz-Renger-MeisterAlmut-Barbara Renger (Hg.): Meister und Schüler in Geschichte und Gegenwart.
Von Religionen der Antike bis zur modernen Esoterik.

Göttingen: V & R unipress 2012, 486 S., Namen- und Sachregister
— ISBN 978-3-89971-648-1 —

Hintergrund dieses Buches ist ein Forschungsprojekt an der Freien Universität Berlin zwischen 2009 und 2011 unter dem Thema “Meister und Schüler: Tradition – Transfer – Transformation” unter der Leitung der Professorin für antike Religion und Kultur, Almut-Barbara Renger. Die mit den genannten Stichworten angesprochenen Beziehungen führen in ganz unterschiedliche kulturelle, religiöse, historische und soziale Kontexte. Dadurch dass faktisch ein großer geschichtlicher Bogen von der antiken griechischen Tradition bis in die esoterischen Strömungen des 21. Jahrhunderts geschlagen wird, ergibt sich ein weitreichendes, faszinierendes Bild von Kontinuitäten und diversen Brüchen im Meister–Jünger/Lehrer–Schüler-Verhältnis.  Diesen Traditionsveränderungen nachzugehen, stellen die international kompetenten Fachautoren an jeweils einem Zeitabschnitt dar. So treten vor die Lesenden im Umfeld verschiedener Religionen eine Fülle von religiösen Bewegungen, und zwar mit entsprechenden Gemeinschaftsformen, mit der Herausbildung von Führungspersönlichkeiten und Schülerkreisen zwischen Charisma, Intellektualität, (Lehr-)Autorität und Spiritualität. Auf mögliche abweichende Verständnisse generell bei Meisterinnen und Jüngerinnen geht der Band nicht ein.

Es ist erstaunlich, wie vielfältig sich die Meister–Schüler–Beziehungen in Europa entwickelt haben. Dieses Buch gibt dafür wesentliche Einblicke.

Weiteres in der ausführlichen Beschreibung

Reinhard Kirste, Rz-Renger-Meister
23.03.13

Buch des Monats November 2012: Interkulturelle Erweiterung der “Moderne”

Hans Schelkshorn / Jameleddine Ben Abdeljelil (Hg.): Die Moderne im interkulturellen Diskurs. Perspektiven aus dem arabischen, lateinamerikanischen und europäischen Denken.
Göttingen: Velbrück Wissenschaft 2012, 250 S. — ISBN 978-3-942393-33-1

Ausführliche Besprechung: hier

Schon unter den Bedingungen des Kolonialismus entwickelten sich im 19. Jahrhundert in Lateinamerika und Asien eigenständige Debatten, „in denen die Herausforderungen der westlichen Zivilisation mit den eigenen kulturellen Traditionen vermittelt“ wurden bzw. in Verbindung gebracht werden sollten. Es ging und geht dabei immer noch darum, ob und wie sich das Denken an veränderte Bedingungen anpassen kann und muss. Diese dortigen Diskurse wurden allerdings in Europa und in Nordamerika lange Zeit kaum wahrgenommen, und Afrika trat überhaupt erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ins westliche Blickfeld. Erst die verstärkte Globalisierung änderte hier sowohl Blick- wie Denkrichtung. Der sog. Arabische Frühling ist das aktuellste Zeichen über das Problemfeld „Moderne“ im Kontext von Interkulturalität und zeigt zugleich, wie notwendig ein solches Buch wie das vorliegende ist.
Weil der eurozentristische Blick kulturell weiter die Runde macht, halten die Autoren einer solch einseitigen Wahrnehmung eine Konzentrierung auf den arabischen und lateinamerikanischen Raum entgegen – Gegendiskurse, die aus der Begegnung eigenständigen indigener Weisheit und entsprechender Denktraditionen entstehen. Die aufgezwungenen (post-)kolonialen Strukturen in diesen Ländern haben die durch den „Westen“ bedrohten Kulturen in einen Überlebenskampf gezwungen. Diese Auseinandersetzung eröffnet jedoch zugleich Sehweisen, auf die die europäische Moderne reagieren muss. Dies kann nur sinnvoll auf der Ebene der Gleichwertigkeit geschehen. Im Grunde müsste in der Fortsetzung dieser Diskussion noch Asien insgesamt und das Afrika südlich der Sahara mit einbezogen werden.

Reinhard Kirste

Rz-Schelkshorn-Moderne, 31.10.12

Stéphane Hessel: Empörung – Engagement – Friedensaufruf

Der 93jährige Stéphane Hessel hatte 2010 mit seinem Essay “Empört Euch!” in Frankreich eine machtvolle Diskussion entfacht, weil er mit intellektueller Schärfe den Verrat von demokratisch-freiheitlichen Grundwerten und gesellschaftliche Ausgrenzung einzelner Gruppen als zunehmend skandalös empfindet:

Stéphane Hessel: Empört Euch!
Aus dem Französischen von Michael Kogon.
Berlin: Ullstein 2011, 2. Aufl.

— Rezension hier —

 

Man hat zu Stéphane Hessel gesagt: “Empörung reicht nicht, wo bleibt das Engagement?” Der Mitverfasser der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte” von 1948 legte nach. Im März erschien in Frankreich: “Engagez-vous!”

Die  deutsche Ausgabe erschien im Juli 2011:
                  Engagiert Euch! 

Die Berliner Zeitung hatte nach dem Erscheinen in Frankreich am 17.03.2011 anerkennend geschrieben, wie eindrucksvoll der Autor Empörung in Engagement umzuwandeln vermag: 
Rezension hier

In der schon erwähnten knappen, aber nicht minder präzisen Art erschien im Frühjahr 2012 ein weiteres Bändchen, das ein Gespräch von Stéphane Hessel mit dem Dalai Lama über die Notwendigkeit des friedlichen Zusammenlebens bringt. In einer “Kartografie des Geistes” entsteht, wie das menschliche Bewusstsein voranschreiten kann und sich dadurch gleichermaßen säkular und religiös der Frieden voranbringen lässt.

Es wäre gut auf diese gestandenen “Friedensarbeiter” zu hören, wie sie um der Menschenrechte willen rufen: 


Declarons la paix! Wir erklären den Frieden!

 Dalai-Lama / Stéphane Hessel: Déclarons la paix!
Pour un progrès de l’esprit.
Barcelone: Indigène 2012, 46 S.

Eine deutsche Übersetzung ist in Vorbereitung.