“Welche Skills braucht man eigentlich für Religion?” fragt die Informatikerin, die Religionsunterricht entwickeln soll. – Ein interdisziplinares Gedankenexperiment zur Profilschärfung religiöser Bildung.
Programmierer:innen ticken oft etwas anders. Sie denken die Welt voller handelnder Subjekte und Objekte, die bestimmte Funktionen, Methoden und Eigenschaften haben. Mittels dieser können sie Informationen aus der Umwelt wahrnehmen und diese innerhalb ihrer eigenen Logik für weitere Funktionen und Prozesse aufbereiten oder in Handlungen umsetzen. Mit diesen Funktionen werden die Skills oder Fertigkeiten erschaffen, die eine Spielfigur, ein Roboter oder ein Lernprogramm dann einmal haben soll. Mit ihrer Hilfe werden komplexe Interaktionen möglich, die angemessen auf erkannte Situation reagieren.
Und was hat das Ganze mit Religionsunterricht zu tun? Vielleicht ist es nur eine ungewöhnliche und unzulässige oder provokative Betrachtungsweise, die die Frage aufwirft: Welche besonderen Skills hat ein religiöser Mensch? Wie funktioniert Religion? Was kann Religion? Kann man für Religion Handlungsmethoden und -optionen bereitstellen, die sich Lernende im Rahmen religiöser Bildung aneignen können? Formulierungen aus den Kompetenzmodellen fallen mir ein. Dabei fällt unserer Programmiererin auf, dass bei manchen Formulierungen nicht klar ist, welche Ergebnisse am Ende erwartet werden, und welche Form die Ergebnisse haben müssen, damit sie von anderen (Fächern) ver- und angewendet werden können.
Ein weiteres Problem sieht sie in der Ähnlichkeit mancher Formulierungen zu anderen Fächern. Gibt es zu erlernende Methoden und Handlungsmuster für Christen oder Muslime, die ganz ähnlich sind, wie in anderen Fächern und Fachbereichen. Wenn ja, würde eine Programmierin nach übergeordneten, abstrakteren Handlungsmustern suchen, die für möglichst viele andere Kontexte und Fächer Geltung haben und aus denen sich spezifische Methoden im konfessionellen Kontext ableiten lassen. Ähnliche Funktionen, die gleiches erledigen aber evtl. zu unterschiedliche Ergebnissen führen, sind aus Sicht einer Programmiererin ein Gräuel, sie sind häufig Ursache von Programmfehlern und bedeuten einen vielfachen Aufwand bei jedem Update. Deswegen würde eine Programmiererin nicht verstehen, wenn man in Religion fast das gleiche macht, wie in Deutsch, aber in Religion zu anderen Ergebnissen kommen möchte.
Vielleicht würde eine ProgrammierIn die Frage stellen, ob sich das “Texte Analysieren und Interpretieren” vielleicht doch leichter im Deutsch- oder Fremdsprachunterricht integrieren ließe. Historische Quellen zuordnen und kulturelle Kontexte erschließen wäre auch mit Methoden aus dem Geschichtsunterricht zu bewältigen und Religionskritik gibt es doch auch im Philosophieunterricht? Was also machen Reli-Skills aus, inwiefern sind sie besonders und können von denen anderer Fächer abgegrenzt werden? Wenn Methoden aus dem Bereich der Religion mehr als eine Erweiterung existierender Methoden anderer Fächer sind, sollte man Methoden definieren können, die eine eigene Instanz, also in unserem Fall ein eigenes Unterrichtfach evangelische Religion mit ganz eigenen Handlungsmustern und Trainingsmethoden erforderlich machen.
Hast du eine klare Vorstellung von dem, was Religion kann bzw. welche Handlungsoptionen Menschen zur Verfügung stehen, wenn sie eine religiöse Bildung durchlaufen haben?
Als ersten Schritt zu einer spezifischen Lern- und Lehrinstanz könnten wir typische Handlungen benennen, die geeignet sind, in gegebenen Situationen gewünschte Veränderungen in Gang zu setzen. So bekommt man eine Vorstellung von dem was Religion kann bzw. welche Handlungsoptionen Menschen zur Verfügung stehen, wenn sie eine religiöse Bildung durchlaufen haben. Ziel sind abstrakte Handlungsmuster, aus denen sich konkrete Handlungen in realistischen Anforderungssituationen ableiten lassen. Diese bilden wie die Formensammlung in der Mathematik einen Werkzeugkasten für religiöses Handeln.
Als Informatiker testet man jede Software, ob diese die beschriebenen Ergebnisse liefert. Zu guter Software gehören Tests, an denen man feststellen kann, ob das Programm wie gewünscht funktioniert. Das ist wichtig, weil sich die technische Umgebung und auch die Anforderungen an das Programm ständig ändern. Evtl. müssen Methoden angepasst werden, muss sich, um bei der Metapher zu bleiben, auch Religion heute an veränderte Normen, Sprache, Formate und Vorgehensweisen anpassen, damit sie im Konzert mit anderen Instanzen (Fachbereiche) noch funktioniert. Die Programmiererin fragt: „An welchen typischen Anwendungen kann man überprüfen, ob die zu erlernenden Methoden auch funktionieren und die gewünschten Ziele erreicht werden?“ Typische Anwendungsfälle in Religion sind vor allem Alltagssituationen, Ereignisse des Lebens, die globale, kulturelle, verrückte(?) Welt in der wir leben, Menschen, die Entscheidungen treffen und sich zusammentun oder sich voneinander entfernen, die uns wütend und glücklich machen, die wir oft nicht verstehen und Gefühle, Gedanken über diese Welt, dass alles vielleicht ganz anders (zu verstehen) ist…
Welche Methoden und Handlungoptionen stehen mir zur Verfügung, wenn es darum geht alltägliche Herausforderungen zu meistern und uns dem Leben zu stellen? Eine Programmiererin denkt in Funktionen und Methoden, mittels derer sich Probleme am Ende eines Programmdurchlaufs lösen lassen, kritische Zustände vermieden werden, Handlungen in Gang gesetzt oder verloren gegangene Verbindungen neu aufgebaut werden können. Junge Menschen auf das Leben vorzubereiten, heißt, ihnen hilfreiche Skills vorzustellen und ihnen helfen diese zu trainieren. Vielleicht fang ich gleich mal damit an, in einer Mindmap aufzuschreiben, was hilfreiche Handlungsoptionen sein könnten:
Ist gar nicht so schwer, handlungsleitentende Muster zu entdecken, denke ich. Vielleicht mag die eine oder der andere meine Mindmap ergänzen, kommentieren. Kopieren ist natürlich auch erlaubt. Ich bin auf die Rückmeldungen gespannt.
Direkt in der Midmap anschauen: Mindmap