"Erfahrungen im Land des Glaubens" bietet der neue Glaubenskurs der EKD.
Unter der Adresse www.online-glauben.de sind alle eingeladen, ihre Erfahrungen mit diesen "Entdeckungsreisen im Land des Glaubens" zu teilen.
Hier meine ersten Eindrücke:
"Entdeckungsreisen im Land des Glaubens" im Land des Glaubens hört sich spannend an. Ich denke an virtuelle Reisen, Adventuregames… mal sehen, was kommt.
Gleich zu Beginn kann ich mich entscheiden, eine geführte Tour zu machen, also quasi einen Reisebegleiter zu bekommen oder selbst zu erkunden. Ich will natürlich selbst erkunden. Ich klicke die entsprechende Option an. Eine Lightbox öffnet sich mit großen Bildmotiven. Beim Blättern durch die Bilder erschließt sich mir, dass jedes Bildmodtiv für eine thematische Station (Gott, SInn, Glaube…) steht. Neben dem Bild steht ein kurzer Text, der auch von wechselnden Stimmen vorgelesen wird.
Ein bisschen erinnert es mich das an Erklärfilmchen, wie man sie in manchen Museen oder Ausstellungen zu sehen bekommt, die Artefakte audiovisuell auf einem Monitor erläutern. Im Gegensatz zu einer realen Ausstellung, wo ein Betrachter sich selbst gegenüber dem eiegentlichen Betrachtungsgegenstand verorten muss, in Widerspruch und Korrespondnez mit den Ausstellungsstücken treten kann, und ihm dabei alle Freiräume der Interpretation gelassen werden, handelt es sich bei dem Spur 8 Projekt tatsächlich um 8 powerpointartige Präsentationen zu 8 Themen mit mit je 10 bis 50 Folien und dazugehörigen erklärenden Informationen. Einige Folien finde ich gut gemacht. Gerne hätte ich mir ein Bookmark auf die Folie gesetzt. Das geht aber leider nicht. Der Link führt immer an den Anfang des Vortrages.
Formal und inhaltlich ist Spur 8 also eine Informationsvermittlung der evangelischen Kirche, die eine Dokumentation evangelischer Glaubensinhalte für Internetnutzer bereithält. Die eigenen Fragestellungen des Besuchers in den Stationen selbst bleiben indes unberücksichtigt. Eigentlich könnte es eine Fernsehproduktion sein. Im Unterschied zum Fernsehen, muss der Benutzer gelegentlich den Weiterknopf klicken. Wie beim DVD-Player kann er auch einzelene Passagen beliebig oft wiederholen. Zu der recht reduzierten Interaktivität, kommen Funktionen, die den Glaubenskurs im Internet vom Glaubenskurs am Fernsehen unterscheiden, zumindest auf den ersten Blick.
Unter jeder Folie wird der Benutzer aufgefordert, eigene Gedanken auzuschreiben und mit anderen zu teilen. Anders als im Fernsehen sind die User nicht mit sich allein gelassen, sondern als Teil der großen Netzgemeinschaft nun auch eingeladen, sich Gedanken über den Glauben zu machen. Doch diese Möglichkeit wird bei Spur 8 äußerst reduziert genutzt.
Die Möglichkeit, einen Eintrag im "Forum" zu machen, verspricht zunächst, dass meine Gedanken und Erfahrungen im Land des Glaubens erwünscht und wichtig sein könnten. Aber zu was? Zu welchen Fragen? Ich habe in den vielen Folien noch keine Frage an mich gehört. Auch Ärger und Widerspruch war nicht nötig. Die Aufforderung zum selber Schreiben lautet vielleicht auch deshalb nur "Meine Gedanken zu dem Motiv". Was für ein Motiv? Das Bild? Ach ja, die Bilder. "Sehr hübsch". Das schreiben zumindest die anderen. Was sonst? Mal angenommen, ich schreibe hier auch etwas, wie geht dann die Kommunikation weiter? Ich schau mir ein wenig die Technik an. Offenbar ist dieses Instrument nie mit potientiellen Nutzergruppen getestet worden. Die Funktionsweise des sonst optisch ansprechenden "Forums" ist für Diskussionen schlicht unbrauchbar: Jede Folie in den Folienvorträgen hat zwar ein eigenes Forum (insgesamt ca. 500 Forenseiten), das man aber über den Browser gar nicht direkt ansteuern kann! Stattdessen muss man jedesmal den Vortrag von ANfang an durchblättern, um zu einer Diskussionseite mit dem eigenen Beitrag zu gelangen. Vielleicht ist es eher als eine Funktion für Pastoren im Ruhestand gedacht, die an dieser Stelle einen weiteren Beitrag verfassen können, der nicht weiter besprochen werden muss. Was würde passieren, wenn hier jemand Not mit einem Inhalt hat und das in dem Forum äußert? frage ich mich. Wie würde er erfahren und verfolgen können, wenn andere darauf reagieren? Gäb es eine Möglichkeit, eine eigene Glaubenserfahrungen und -überzeugungen entgegen zu halten? Warum werden nicht die inzwischen üblichen Techniken wie Blogtrackbacks oder echte Diskussionsforen gewählt, zumal diese Technik kostenlos im Web zur Verfügung steht.
Aber für den Fall eigener Fragen gibt es ja tatsächlich einen anderen vorgesehenen Weg auf der Webseite: Unter jeder Folie wird dem Besucher die Option angeboten, "mit jemanden sprechen" zu können. Wenn ich diese Funktion wähle, öffnet sich ein Formular, in dem ich aus einer Liste einen Ansprechpartner wählen kann, dem ich auf diesem Weg eine Email sende. Bei anderen Seiten macht mich so etwas misstrauisch: Sektenverdacht drängt sich auf. Kann sich evangelische Kirche nicht mehr leisten, ihre zentralen Inhalte öffentlich zu diskutieren? Man bietet mir an zu Fragen zu stellen und mit mir zu reden, aber nicht öffentlich und auch nur unter vie Augen.
Das in Spur 8 verwendete Realisierungskonzept scheint nicht in erster Linie mündige Internetuser als Zielpublikum ansprechen zu wollen. Im wesentlichen beschränken sich die Handlungs- und Erfahrungsoptionen der virtuellen Reise auf das Weiterschalten zur nächsten Folie. Sicher steckt viel wertvolle Arbeit im Design und und Umsetzung der einzelnen Vorträge. Was die Anliegen der Mitreisenden betrifft, ist auch dieses Angebot eher entäuschend und bekommt dadurch am Ende doch eher den Geschmack eine Kaffeefahrt.
Muss sich missionarische Verkündigungsarbeit vielleicht doch stärker mit konnektivistischen und sozialkonstruktivistischen Bildungsansätzen des Netzlernens auseinandersetzen, damit sie aus dem frommen Nischendasein herauskommt?
Offenbar "ja". Es könnte hinter diesem wenig konnektivistischen Ansatz auch ein ernst zu nehmendes Problem stecken. Seit Beginn der dritten Phase des #mmc13 überlege ich, wie sich ein auch zeitlich nicht begrenzter MOOC auf der Basis einer offenen rpi-virtuell Gruppe mit dem Thema "Theologie" realisieren ließe. Sofort schwebten mir zwei Bedenken vor:
Erstens: Keiner macht mit, der Aufwand rentiert sich nicht, die Sache verläuft im Sande.
Zweitens: Es interessieren sich viele Leute dafür – und je mehr es sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der MOOC auch diskutierwütige&dekonstruktive Religionsgegner anlockt, denen es ein Vergnügen wäre, einen theologischen Diskurs kaputtzutrollen (solche trolligen Diskurse, die irgendwann in Hitlervergleichen enden, habe ich schon zur Genüge erlebt). Irgendwann muss man als Moderator dann eben aufgeben – oder Leute bannen, Kommunikationsbarrieren hochziehen … dieses Dilemma wird in dem von dir dargestellten Glaubenskurs von vornherein ausgeschlossen.
*gg* "Howgh, ich habe gesprochen. Für eine Replik bin ich zu alt."