Ich glaube an den Heiligen Geist,
die heilige katholische/christliche Kirche,
Gemeinschaft der Heiligen,
Vergebung der Sünden.
Was heißt überhaupt Heiliger Geist?
Greifbar und doch nicht greifbar, unsichtbar und doch mächtig, lebenswichtig wie die Luft, die man atmet, energiegeladen wie der Wind, der Sturm – das ist Geist. Alle Sprachen kennen ein Wort dafür, und ihre je verschieden geschlechtliche Zuordnung zeigt, daß der Geist nicht so einfach zu bestimmen ist: »der« Geist, Spiritus (lat.), »die« Ruach (hebr.), »das« Pneuma (griech.).
Die Ruach ist nach dem Schöpfungsbericht jener »Braus« oder »Sturm« Gottes, der sich über den Wassern bewegt. Und das Pneuma steht im Neuen Testament im Gegensatz zum »Fleisch«, zur geschaffenen, vergänglichen Wirklichkeit, und ist die von Gott ausgehende lebendige Kraft und Macht. Mächtig oder leise kann diese schöpferische oder auch richtende Gotteskraft die Menschen überkommen. »Heilig« ist der Geist, insofern er vom unheiligen Geist des Menschen unterschieden wird und als Geist des einzig Heiligen Gottes selbst angesehen werden muß.
Auch im Neuen Testament ist der Heilige Geist niemand anderer als Gott selbst und wird nicht als ein Drittes zwischen Gott und den Menschen verstanden. Mit Geist ist die persönliche Nähe Gottes selber zu den Menschen gemeint, sowenig abzutrennen von Gott wie der Sonnenstrahl von der Sonne.
Gott ist uns Menschen nahe im Geist: gegenwärtig im Geist, durch den Geist, ja, als Geist. Und der zu Gott aufgenommene und erhöhte Jesus Christus ist zu einem »lebendigmachenden Geist« (Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther, 1 Kor 15,45) geworden. Ja: »Der Herr (Kyrios, also Jesus, der Erhöhte) ist der Geist« (2 Kor 3,17); er ist jetzt in der Existenz- und Wirkweise des Geistes, und im Geist vermag er gegenwärtig zu sein. In der Begegnung von Gott, Kyrios und Geist mit den Glaubenden geht es um die eine und selbe Begegnung.
Pfingsten – ein historisches Ereignis?
Jesus hat das Reich Gottes verkündet; gekommen ist die Kirche. Dieses kesse Bonmot weist auf etwas Richtiges: Jesus hat keine religiöse Großorganisation gegründet. Erst nach Jesu Tod und Erweckung redet die Urchristenheit von »Versammlung«, »ekklesía« (griech.), »ecclesia« (lat.), »église« (fr.). »Kirche« im Sinn einer von Israel unterschiedenen Sondergemeinschaft ist eindeutig eine nachösterliche Größe.
»Ekklesia« ensteht dabei unter der Einwirkung des Geistes des auferweckten »Kyrios« oder »Herrn«, und das deutsche Wort »Kirche« leitet sich denn auch nicht zufällig vom griech. »Kyrios« ab. »Ekklesia« entsteht also nicht durch einen förmlichen Einsetzungs- und Gründungsakt.
»Ekklesia« ist nur dadurch, daß es immer wieder neu zum konkreten Ereignis des Zusammenkommens, der Versammlung und insbesondere der gottesdienstlichen Versammlung im Geiste Christi kommt. Das ist die theologische Legitimation der Kirche. Kirche wird also immer wieder dann Wirklichkeit, wenn Menschen in der Nachfolge Christi und im Gedächtnis an ihn – wo, wie und wann immer – zusammenkommen, zusammen beten, zusammen feiern, zusammen handeln.
Weder die Texte des Paulus noch des Markus und des Mattäus wissen etwas von einem besonderen historischen christlichen »Pfingsten«. Für Johannes fallen Ostern und Pfingsten, Auferstehung und Geistmitteilung sogar ausdrücklich zusammen. Wieder nur die Lukas zugeschriebene Apostelgeschichte kennt ein von Ostern getrenntes Ereignis der Geistsendung, und zwar am jüdischen Erntefest (Schawuot), das am 50. Tag (»Pentekoste«) nach dem Passahfest die Offenbarung Gottes am Sinai feiert. Für Lukas ist Pfingsten offenkundig der Tag, an dem der verheißene Geist Gottes auf die Menschen herabkommt. Pfingsten wird so zur Geburtsstunde der Gemeinde von Jerusalem, die nun alle Angst überwindet, mit dem öffentlichen Zeugnis für Jesus als Messias-Menschensohn beginnt und erste Missionserfolge hat. Pfingsten kann so aber auch als Ereignis der Konstitution der weltweiten Kirche verstanden werden, die in ihren verschiedenen Nationen und Sprachen potentiell präsent ist.
In der Kirche bleiben?
Die katholische und evangelische Kirche stecken heute in einer dramatischen Glaubwürdigkeitskrise. Aber die katholische Kirche steht wegen ihrer erneuten Erstarrung, der hierarchischen Herrschsucht, ihres lernunfähigen »Lehramts« und ihrer Unterdrückung der Freiheit des Christenmenschen noch mehr im Feuer der öffentlichen Kritik. Statt das unbiblische und inhumane mittelalterliche Zölibatsgesetz endlich abzuschaffen und verheiratete Pfarrer und auch Pfarrerinnen zuzulassen, ruft man verzweifelt nach den Laien und produziert illusionäre Seelsorgepläne, unter denen Pfarrer zusammenbrechen und nicht einmal Laien-Theologen die notwendigen Vollmachten erteilt werden. Alles in allem ist dies eine pastorale Katastrophenpolitik, für die sich die bischöflichen Verantwortlichen vor Gott und der Geschichte werden verantworten müssen, genauso wie ihre uneinsichtigen Vorgänger in der Reformationszeit.
Der Geist scheint sich heutzutage vielfach außerhalb (oder unterhalb) der Kircheninstitution niedergelassen zu haben – in einem Netzwerk von allen möglichen Gruppen: von Bibelkreisen, Jugendgruppen und Meditationszirkeln über Friedens- und Ökogruppen usw. Viele, die ihrer Kirche die Treue halten, haben sich in entscheidenden Sachfragen längst gegen den offiziellen Kurs der Hierarchie gestellt.
Warum in der Kirche bleiben? Kann man nicht Christ sein auch ohne Kirche?
Gewiß, aber man kann auch die Gemeinschaft der Glaubenden bejahen – trotz aller Schwächen und trotz allen Versagens der Hierarchie. Hier ausnahmsweise mein ganz persönlich gefärbtes Zeugnis: »Der Sprung vom Boot der Kirchengemeinschaft – für viele ein Akt der Ehrlichkeit und des Protestes – wäre für mich persönlich ein Akt des Verzagens und der Kapitulation. Zu viel habe ich in der Glaubensgemeinschaft, in die ich hineingewachsen bin, empfangen, als daß ich so einfach aussteigen könnte. Zu viel habe ich mich selbst für die Veränderung und Erneuerung engagiert, als daß ich die enttäuschen dürfte, die sich mit mir engagiert haben.« Kritische Loyalität zur Kirche – ja, denn:
Was ist Kirche?
Kirche ist auf keinen Fall gleichzusetzen mit »Hierarchie« (»heilige Herrschaft«). Im Neuen Testament erscheint grundsätzlich ein anderes Wort: »Diakonie« (Dienst).
Niemand braucht »an« die Kirche zu glauben! Im Apostolischen Glaubensbekenntnis steht: »Ich glaube an Gott, an Jesus Christus, an den Heiligen Geist«, aber dann »ich glaube die Kirche«. Mehr als eine Sprachnuance drückt dies theologisch den Fundamentalunterschied von Gott Vater, Sohn und Geist einerseits und Kirche andererseits aus. Ein Christ glaubt an Gott und an den Heiligen Geist; die Kirche dagegen ist als Menschengemeinschaft nur der Ort, wo der Geist Gottes wirkt oder durch Menschen wirken sollte. Kirche ist Gemeinschaft der an Jesus als den Christus Glaubenden – und das zugleich vor Ort (Ortskirche) und auf Weltebene (Gesamtkirche).
Grundfunktionen der Kirche: Verkündigung des Evangeliums als ihre allererste Aufgabe – Taufe ihr Aufnahmeritus – Eucharistie ihr Dankesmahl – täglicher Dienst an den Mitmenschen und der Gesellschaft. Schon die Ortskirche ist – biblisch ausgedrückt – Volk Gottes, Leib Christi, Tempel des Heiligen Geistes.
Kirche – apostolisch, aber undemokratisch?
Daß die Kirchen allzuoft autoritäre, manchmal gar totalitäre Institutionen sind, ist evident. Nach dem Neuen Testament aber soll Kirche geradezu eine Gemeinschaft in Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit sein, die im besten Sinne des Wortes verstandene demokratische Gemeinschaft unter Gottes Wort und im Geiste Jesu.
Apostolische Nachfolge in der Kirche ist kein besonderes Privileg weniger Berufener, sondern Auftrag an die ganze Kirche, an alle Christen und besonders die Kirchenleitung, »apostolischer« zu werden, d. h. sich um Treue zum Ursprung der Kirche zu bemühen.
Katholisch – Evangelisch?
»Katholische Kirche« meint ursprünglich völlig unpolemisch die ganze, die gesamte Kirche im Unterschied zu den Ortskirchen. Katholisch ist jeder, dem gelegen ist an der in allen Brüchen sich durchhaltenden Kontinuität von Glaube und Glaubensgemeinschaft in der Zeit und dem zweitens an der alle Gruppen, Nationen, Rassen und Klassen umfassenden Universalität von Glaube und Glaubensgemeinschaft im Raum gelegen ist.
»Evangelische Kirche« meint die primär am Evangelium Jesu Christi selbst orientierte Kirche. Evangelisch in der Grundhaltung ist nur, wem in allen kirchlichen Traditionen, Lehren und Praktiken besonders am ständigen kritischen Rückgriff auf das Evangelium und zweitens an der ständigen praktischen Reform nach den Normen dieses Evangeliums gelegen ist.
Richtig verstanden schließen sich die beiden Grundhaltungen überhaupt nicht aus. Wahres Christsein bedeutet für eine wachsende Zahl von Zeitgenossen ökumenisches Christsein.
Eine »heilige« Kirche?
Die wirkliche Kirche ist eine sündige Kirche, weil sie aus fehlbaren, sündigen Menschen besteht. Die Heiligkeit der Kirche wird nicht durch ihre Glieder und deren moralisch-religiöses Tun und Lassen begründet. In der Bibel meint »heilig« das Ausgesondertsein von Gott und für Gott, im Gegensatz zum »Pro-fanen« (= »vor« dem geheiligten Bezirk Liegenden). Im Neuen Testament wird nie von einer »heiligen Kirche« geredet, wohl aber von Gemeinden, die als solche »die Heiligen« genannt werden. »Heiligkeit« als Grundhaltung eines jeden Menschen ist die ganzheitliche Orientierung am Willen des »heiligen« Gottes selber. Die konkrete Glaubensgemeinschaft, die sich Kirche nennt, ist also heilig und sündhaft zugleich.
Was meint »Gemeinschaft der Heiligen«?
Vom Neuen Testament her ist »Gemeinschaft der Heiligen« einfach als die Gemeinschaft der Gläubigen zu verstehen.
Da diese Formel aber erst im 5. Jahrhundert ins Apostolische Glaubensbekenntnis kam, ergeben sich noch zwei weitere Auslegungsmöglichkeiten:
die Teilhabe an dem Heiligen in der irdischen Kirche, also an den Sakramenten;
die Gemeinschaft mit den Heiligen im Himmel, also mit den Märtyrern und den übrigen Gerechten aller Zeiten.
Ursprünglich kommt die Heiligenverehrung aus der Kirche »von unten«, indem die Gläubigen bestimmte Märtyrer, dann auch herausragende »Bekenner« spontan verehrten. Erst im Zusammenhang der römischen Zentralisierung seit dem 10./11. Jahrhundert nahm sich Rom das Vorrecht der Heiligsprechung (»Kanonisierung«). Daß die Heiligenverehrung im Spätmittelalter zu ungeheuren Mißbräuchen (Reliquienkult, Ablaßwesen) führte, ist bekannt.
Wenn auch umstritten, ist das Gedenken an die »Heiligen« auch heute nicht einfach sinnlos. Verehrung bestimmter Heiliger kann der Stärkung des Glaubens dienen. Konkrete Vorbilder der Christusnachfolge können Lebensorientierung verschaffen. Die Einbeziehung der großen Geschichte der Christusnachfolge kann Solidarität über die Zeiten hinweg stiften.
Was meint »Vergebung der Sünden«?
Das Glaubensbekenntnis hält sich nicht lange mit einer allgemeinen Theorie des Bösen auf, dessen Herkunft noch niemand befriedigend aufgeklärt hat. Es setzt die Sündhaftigkeit des Menschen voraus, spricht aber von der Vergebbarkeit der Sünden.
Dies fällt bereits bei Jesus auf: Seine Verkündigung des Gottesreiches fordert entschieden »metanoia«, Umkehr von einem falschen sündhaften Weg. Und gleichzeitig bietet er allen »Sündern« zum Ärgernis der Frommen Gemeinschaft an und hält ganz konkret Tischgemeinschaft mit ihnen.
Das neutestamentlich Entscheidende ist: Die Umkehr kommt bereits von Gottes Gnade her und setzt Gottes Vergebung voraus. Sie ist nicht Konsequenz eines drückenden Gesetzes: »Du mußt!« Sie ist Konsequenz der fröhlichen Botschaft von Gottes angebotener Gnade: »Du darfst!« Die von Gott empfangene Vergebung soll an die Menschen weitergegeben werden (Mt 6,12).
Wie von Vater, Sohn und Geist reden?
An Gott, den Vater, glauben heißt, an den einen Gott, Schöpfer, Bewahrer und Vollender von Welt und Mensch glauben: Diesen Glauben an den einen Gott haben Judentum, Christentum und Islam gemeinsam.
An den Heiligen Geist glauben heißt, an Gottes wirksame Macht und Kraft in Mensch und Welt glauben: Auch dieser Glaube an Gottes Geist kann Juden, Christen und Muslimen gemeinsam sein.
An den Sohn Gottes glauben heißt, an des einen Gottes Offenbarung im Menschen Jesus von Nazaret glauben, der so Gottes Wort, Bild und Sohn ist. Über diese entscheidende Differenz müßte gerade unter den drei prophetischen Religionen weiter gesprochen werden.
Geist der Freiheit
Gottes Geist ist völlig eindeutig auch der Geist Jesu Christi und ist ein Geist der Freiheit. Niemand »besitzt« den Geist, und der Geist ist nie meine eigene Möglichkeit, sondern immer in glaubendem Vertrauen zu empfangende Kraft, Macht, Geschenk Gottes. »Komm, Heiliger Geist.«