Leitmotive des Politischen zwischen theologischer Absolutheit und philosophischer Freiheit

Rz-Meier-Schmitt-StraussHeinrich Meier: Carl Schmitt, Leo Strauss und „Der Begriff des Politischen“. Zu einem Dialog unter Abwesenden.
Stuttgart/Weimar: J.B. Metzler [1988], 2013, 3. erw. Aufl., 200 S., Namenverzeichnis
— ISBN: 978-3-476-02467-1—
Ausführliche Beschreibung: hier

 Als Editor und Kommentator stellt der Münchner Philosoph Heinrich Meier zwei Konservative vor: den Katholiken Carl Schmitt aus dem sauerländischen Plettenberg (1888-1985) und Leo Strauss (1899–1973), deutsch-amerikanischer Philosoph jüdischer Herkunft, dessen elitär geprägte Anthropologie auch zu einer philosophischen Schulbildung führte. Nun hat der eine, Carl Schmitt als deutscher Staats- und Völkerrechtler wie auch als politischer Philosoph, einen weltbekannten, allerdings umstrittenen Ruf, gehörte er doch zu den juristischen „Chefideologen“ des Nationalsozialismus.

Aber auch Leo Strauss übt heftigste Kritik an der Moderne und einem säkular offenen Kulturverständnis, ja macht gar die Aufklärung, den Relativismus und den Liberalismus für die Zerstörung der (bisherigen) Philosophie verantwortlich. Er besinnt sich dabei auf das wahre Philosophieren bei Sokrates und Platon. M.a.W. die von ihm so titulierten destruktiven modernen Hauptströmungen verhindern Philosophie und damit das, worauf Philosophie seiner Meinung nach abzielt – auf die Tugend.

Strauss‘ Anmerkungen zum Begriff des Politischen bei Carl Schmitt (S. 97ff) sowie seine im Buch abgedruckten Drei Briefe an Carl Schmitt (S. 129ff)  zeigen u.a., dass Schmitt es nur  „unternimmt“ seine radikale Kritik am Liberalismus zu präzisieren und auch zu verschärfen.  Dessen Politische Theologie, die auf die Absolutheit der Offenbarung gegründet ist, lebt (noch) aus dem Dualismus des Freund-Feind-Denkens lebt, während Strauss eine Position jenseits des Liberalismus sucht.

Was ist das letztlich für ein Streit, den der politische Theologe Carl Schmitt mit dem Begriff des Politischen entfacht und den Philosophen als Feind charakterisiert? Ihm hält Strauss die eigene Politische Philosophie entgegen. Im Epilog (S. 153ff) führt Meier Jacques Derrida an, der sich in „Politiques de l’amitíe“ auch auf Schmitt bezieht. Hier scheint sich eine hoffnungsvolle Antwort zu zeigen, weil sich Derridas moralisches Interesse mit den Politiken der Freundschaft verbindet (S. 171f). Politische Philosophie zielt auf eine dialogische Polis, in der nicht eine unhinterfragbare Offenbarung das Leitmotiv sein darf. Es ist keineswegs gleichgültig, welche philosophischen Traditionen das politische Denken bestimmen. Imgrunde müsste hier auch ein Diskurs über eine „Politische Theologie“ einsetzen, wie sie zum einen der Systematiker Trutz Rendtorff (im Zusammenhang der Ernst-Troeltsch-Studien) führt und zum anderen intensiv und dramatisch in den (lateinamerikanischen) Theologien der Befreiung zum Ausdruck kommt.

                                                                                                                                                            Reinhard Kirste

Rz-Meier-Schmitt-Strauss, 04.08.13      Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats Februar 2013: Islam ist Barmherzigkeit

Rz-Khorchide-islamMouhanad Khorchide: Islam ist Barmherzigkeit.
Grundzüge einer modernen Religion.

Freiburg u.a.: Herder 2012, 220 S. — ISBN 978-3451305726 —

Ausführliche Rezension: hier

 

Der Autor, Professor für Islamische Religionspädagogik und Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, versucht mit diesem Buch, einen positiven Akzent in die oft von Vorurteilen und Verdächtigungen geprägte Islam-Debatte zu bringen.
So  unterscheidet der Theologe sehr genau, was viele Muslime als Glaubenspraxis verinnerlicht haben und was der Koran wirklich intendiert.

Zum einen ist der Koran unter bestimmten zeitlichen Bedingungen entstanden, die man nicht einfach negieren kann. Zum Andern muss heute Auslegung den jeweiligen Kontext berücksichtigen. Zum Dritten muss nach dem hermeneutischen Leitmotiv für die Koran-Interpretation gefragt werden. Sorgsame Exegese belegt, dass dies offensichtlich die Barmherzigkeit ist. Positiv formuliert heißt das, dass der Islam eine Religion ist, die den Menschen nicht in ein enges Regel-Joch spannt, sondern ihn befreit, als vor und für Gott Verantwortlicher in dieser Welt zu leben.

Angesichts der immer noch gängigen dogmatisch engen Auslegung des Korans wagt Khorchide den Durchbruch zu einer menschenfreundlichen Koran-Hermeneutik. Dies ist ein ermutigendes Hoffnungszeichen im oft polemisch belasteten christlich-islamischen Dialog. Dieses Buch empfiehlt sich darum nicht nur für alle am Dialog Interessierten, sondern auch gerade den Islamkritikern als nicht zu negierende Diskussionsbasis.

Vgl. das vom Autor herauagegebene islamische Religionsbuch für die Grundschule: Miteinander 1/2

Reinhard Kirste
Rz-Khorchide-Islam, 31.01.13

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