René Girard – Überwindung der Gewalt im Christentum

Der  französische Literaturwissenschaftler Réne Girard (25.12.1923 – 04.11.2015) sieht im Christentum die Chance zur Überwindung der Gewalt. Diese personifiziert sich in der Macht „Satans“. Auch wenn in der Kirchengeschichte oft genug das „mimetische Muster“, also die Nachahmung um der Begierde willen oft genug in Gewaltsamkeiten ausartete, so gilt hier: Jesus am Kreuz hat den daraus folgenden Opfermechanismus durchbrochen. Das zeichnet das Christentum in besonderer Weise aus.

René Girard:
Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz.
Eine kritische Apologie des Christentums
Frankfurt/M. und Leipzig: Verlag der Weltreligionen 2008
Deutsch zuerst erschienen: München: Carl Hanser 2002
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Dieses Buch bedeutet einen Zwischenschritt, den Girard ausführlich geleistet hat, in:
Das Ende der Gewalt. Analyse des Menschheitsverhängnisses
Freiburg u.a.: Herder 2009.  Deutsche Erstausgabe in Auszügen: Freiburg u.a.: Herder 1983
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Reinhard Kirste

bearb. 07.11.2015Creative Commons-Lizenz

Innerislamische Kontroversen über den Umgang mit Gewalt

Medienwirksam erscheint „der“ Islam überwiegend negativ besetzt. Er gilt bei vielen als eine gewalttätige Religion. Dabei wird übersehen, wie intensiv und breit gefächert die zeitgenössischen Positionen sind zum Thema Gewalt und Konfliktlösung sowie über den mehr oder minder toleranten Umgang mit Andersgläubige oder „Ungläubigen.“ Nach rückwärts argumentierende und progressive Theoretiker bilden eine extreme Spannbreite im Sinne einer Neuauslegung der Tradition. Eine Gruppe Islamwissenschaftler um den Jenauer Arabisten Tilman Seidensticker versuchen hier Einblick in die innerislamischen Debatten zu geben.
Tilman Seidensticker (Hg.):
Zeitgenössische islamische Positionen zu Koexistenz und Gewalt
Wiesbaden: Harrassowitz 2011
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— Ausführliche Besprechung hier —

 

Endzeitglaube und Gewalt im Islam und im Christentum

Im Rahmen der von Klaus Stosch von der Universität Paderborn herausgegebenen Reihe „Beiträge zur Komparativen Theologie“ gehen Theologinnen und Theologen, Religionswissenschaftler/innen und Philosoph/innen aus dem Christentum und dem Islam im 3. Band den Fragen der Vollendungsgewissheiten nach. Unter eschatologischen, besonders apokalyptischen Vorzeichen und entsprechenden Verunsicherungen verband und verbindet sich letzte Glaubensgewissheiten oft genug mit Gewalt gegen Andersdenkende und Andersgläubige. Wie gehen angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen Christen und Muslime im Blick auf die endgültige menschliche Vollendung um?

Jürgen Werbick, Sven Kalisch, Klaus von Stosch (Hg.):
Glaubensgewissheit und Gewalt
Eschatologische Erkundungen in Islam und Christentum
Beiträge zur Komparativen Theologie Band 3
Paderborn u.a.: Schöningh
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Vgl. auch den in den „Ein-Sichten“ besprochenen 2. Band der Reihe:
Hamideh Mohagheghi, Klaus von Stosch (Hg.):
Moderne Zugänge zum Islam (2010)

Das Christentum – zwischen Eucharistie und Blutopfer

Der Kirchenhistoriker und Liturgiewissenschaftler
Arnold Angenendt aus Münster greift in die Debatte um Sühnopfer-Vorstellungen, Sündenbock-Theorien und verdeckte Gewaltverherrlichung durch Opfermentalität und Märtyrertum sehr kundig ein. Er weist religionsgeschichtliche und theologische Entwicklungen auf. In seiner Auseiandersetzung mit dem berühmten Kulturanthropologen René Girard sieht er dessen Neubegründung der Gewaltlosigkeit des Christentums durch die Kreuzigung Jesu (!) kritisch. Gegen Girards mimetische Muster und Sündenbocktheorie im Blick auf die religiöse Gewalt stellt er das geistige Opfer in den Mittelpunkt. Dieses findet in der Liturgie der Eucharistie seinen versöhnenden Ausdruck.

Arnold Angenendt:
Die Revolution des geistigen Opfers
Blut – Sündenbock – Eucharistie
Freiburg u.a. Herder 2011
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In den Ein-Sichten wurden von René Girard bereits besprochen:

Theologische Facetten des Opferbegriff von Kristina Augst in:
— Schönberger Hefte Nr. 01 (2012): hier
— Überblick zum Gesamtheft mit dem Themenschwerpunkt „Opfer“

Die Thematik hat eine breite Debatte in den letzten Jahren hervorgebracht. Hier einige Beispiele aus der Fülle der Titel, von denen einige auch schon in den „Ein-Sichten“ besprochen wurden:.

  • Béatrice ACKLIN ZIMMERMANN / Franz ANNEN, (Hg.): Versöhnt durch den Opfertod Christi. Die christliche Sühnopfertheologie auf der Anklagebank.
    Zürich 2009  — Rezension hier —
  • Jan ASSMANN: Monotheismus und die Sprache der Gewalt. Wien 2006
  • Georg BAUDLER: Die Befreiung von einem Gott der Gewalt. Erlösung in der Religionsgeschichte von Judentum, Christentum und Islam. Düsseldorf 1999
  • Ulrich BERNER / Christoph BOCHINGER / Rainer FLASCHE (Hg.): Opfer und Gebet in den Religionen. Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie Bd. 26. Neukirchen-Vluyn 2005
  • Walter BURKERT: Anthropologie des religiösen Opfers. Die Sakaralisierung der Gewalt. München 21987
  • Walter BURKERT: Kulte des Altertums. Biologische Grundlagen der Religion. München 1998
  • Josef IMBACH: Ist Gott käuflich? Die Rede vom Opfertod Jesu auf dem Prüfstand. Gütersloh 2011
  • Klaus-Peter JÖRNS: Lebensgaben feiern. Abschied vom Sühnopfermahl: Eine neue Liturgie. Gütersloh 2007
  • Ralf MIGGELBRINK: Der Zorn Gottes. Geschichte und Aktualität einer ungeliebten Tradition. Freiburg u.a.: 2000
  • Józef NIEWIADOMSKI / Roman A. SIEBENROCK (Hg.): Opfer – Helden Märtyrer. Das Martyrium als religionspolitische Herausforderung. Innsbruck 2011.  — Rezension hier —
  • Martin RIESEBRODT: Cultus und Heilsversprechen. Eine Theorie der Religionen. München 2007
  • Dorothee SÖLLE: Stellvertretung. Ein Kapitel Theologie nach dem „Tode Gottes“. Stuttgart 1965 (erw. Neuauflage 1982)
    — Rezension von Christoph Fleischer —
  • WETH, Rudolf (Hg.): Das Kreuz Jesu. Gewalt, Opfer, Sühne.
    Neukirchen-Vluyn 2001

 

Buch des Monats Juni 2011 und Filmtipp: Die Rückkehr der Märtyrer

In den drei monotheistischen Religionen ist das Martyrium ein ausgeprochen ambivalentes Glaubenszeugnis. Dies wird noch um die Debatte der fanatisierten Selbstmordattentäter verschärft. Martyrium, Aggression und gesellschaftlicher Frieden sind darum die Pole, um die eine sachgemäße Auseinandersetzung gehen muss. Von Andreas Hofer ausgehend, haben Theologen, Religionspädagogen, Ethnologen und Historiker quer durch die Geschichte von Christen, Juden und Muslimen Fachleute – nicht nur einen Überblick zu diesem komplexen Thema ermöglicht, sondern auch beeindruckende Beispiele herangezogen.

Józef Niewiadomski / Roman Siebenrock (Hg.):
Opfer – Helden – Märtyrer.
Das Martyrium als religionspolitische Herausforderung
Innsbruck / Wien: Tyrolia 2011
— Rezension hier —

Eine beeindruckende Ergänzung dieser Thematik bietet der Film
„Bis aufs Blut – Die Rückkehr der Märtyrer“,
für den der Dozent am Religionspädagischen Institut Karlsruhe, Michael Beisel, eine ausführliche Besprechung im Baden-Württembergischen Landesmediendienst vorgelegt hat. Gerade für den Unterricht in der Sekundarstufe I und II werden hier orientierende Hilfestellungen zum Umgang mit dem Phänomen des Märtyrertuns in Vergangenheit und Gegenwart gelegt: Mehr Infos hier