Täuschungen – List und Lebenskunst: Strategien des Überlebens

Rz-Schweska-LügeStrategien  der Täuschung udn Verstellung gibt es in allen Kulturen, obwohl sich die religiösen Traditionen offensichtlich gegen persönliches und politisches Lügen und Betrügen mit aller Deutlichkeit wehren. Bei genauerer Hinsicht auf diese durchaus interkulturellen Phänomene der sog. List fällt jedoch auf, dass Differenzierung not tut, denn augenscheinlich werden hier nicht nur Durchsetzungsstrategien, sondern Überlebensmöglichkeiten angesichts von Bedrohung thematisiert.

Im chinesischen Kukturkreis spielen dabei die 36 Strategeme eine große Rolle. Hier hat der Schweizer Jurist und Sinologe Harro von Senger durch seine Forschungsarbeit wesentliche Erkenntnisse gerade für den „Westen“ gebracht. Aber auch die arabische Welt kannte bereits im Mittelalter Strategien, die zur Lebenssicherung und der Abwehr von Bedrohungen dienten. So hat die „List“ keineswegs nur negative oder moralisch zweifelhafte Aspekte. Selbst in Europa gibt es im Konfliktfeld notwendiger Täuschung heitere Elemente gelingender kreativer Lebenskunst.

Hier mehr zu den Büchern von
Harro von Senger,
dem arabischen „Buch der Täuschungen“ und
einer Zusammenstellung europäischer Texte aus vielen Jahrhunderten
zum Themenbereich von List, Täuschung, Geheimhaltung und Lebensstrategien.

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Kultur verstehen – das Handbuch Kulturphilosophie

Rz-Konersmann-KulturphilRalf Konersmann (Hg.): Handbuch Kulturphilosophie.
Stuttgart / Weimar: Metzler 2012, 468 S., mehrere ausführliche Register
— ISBN 978-3-476-022369-8 —

Ausführliche Beschreibung: hier

Konersmann gehört zu den Vorreitern einer Disziplin, die Zusammenhänge der „von Menschen gemachten Welt“ durchdenkt und damit Kultur und Philosophie ständig miteinander ins Spiel bringt.

Kulturphilosophie taucht darum in vielen Disziplinen auf. Und so fokussiert das Handbuch die Antwort vorläufig so: „Kultur ist die Welt des freigestellten Menschen“ (S. VII). Was dies bedeutet, müssen die thematischen Schwerpunkte (Kap. II), die Systematik der Übergänge (Kap. IV) und eine Begriffsauswahl (Kap. V) näher erläutern. Als Definitionsstützen dienen dabei auch die Metaphern für Kultur (Kap. VI). All dies sichern die AutorInnen an „Leitfiguren“ einigermaßen ab, indem sie der Vorgeschichte der Kulturphilosophie (bis 1900), diejenigen der entscheidenden Gründungsphase (1900-1945) und schließlich ihren Aktualisierungen bis in die Gegenwart nachgehen (Kap. III).

Nach den stärker an Personen orientierten Darstellungen werden nun Beziehungsfelder angesprochen, die sich – den eigenen Bereich übergreifend – als Übergänge (Kap. IV) manifestieren, und zwar in der Architektur, im Design, in der Geschichte, der Gesellschaft, der Kunst, der Moral, der Natur, der Politik, der Religion, der Rhetorik, der Sprache, der Technik, der Wirtschaft und Wissenschaft. 

Wie unterschiedlich die jeweiligen Zugänge und Definitionsvoraussetzungen von Kulturphilosophen auch sein mögen, dieses Buch schafft es, in der Auseinandersetzung mit einer Fülle von Kulturverständnissen Kultur als einen lebendigen Prozess zu sehen, der nie zu Ende ist. Man kann es als eine Art systematisierendes Lexikon bezeichnen, das neben einem ordnenden geschichtlichen Rückblick und einer thematischen Aufbereitung für eine Zukunftsoffenheit von Kultur plädiert. 

So ist hier ein Standardwerk nicht nur zur Kulturphilosophie, sondern zum Kulturverständnis überhaupt entstanden, auf das man nicht mehr verzichten sollte.

Reinhard Kirste

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                                                                                                Rz-Konersmann, kulturphil, 09.02.13      

Wie Don Camillo und Peppone – christlich-islamische Kulturenbegegnung

Birand Bingül:
Der Hodscha und die Piepenkötter.

Hamburg: Rowohlt Polaris 2011, 315 S.

                                  ISBN 13-978-3862520152

 

Zum Inhalt:
Soeben in einer mittelgroßen deutschen ereignislosen Stadt eingetroffen, fordert der Imam Nuri Hodscha den Bau einer großen Moschee. Das in der Endphase eines Kommunalwahlkampfes! Ein Stich ins Wespennest. Die um ihre Wiederwahl kämpfende Oberbürgermeisterin Ursula Piepenkötter muss Position beziehen.
Der aus der Türkei strafversetzte Nuri Hodscha, im Geheimen ein Bruce Springsteen Fan, ist ein Schlitzohr ohnegleichen. Ob Kuhhandel oder Erpressung, ihm sind alle Mittel recht. Seine Gegenspielerin ist Spitze im Tricksen, Tarnen und Täuschen. Ein Hauen und Stechen mit Happyend. Am Schluss retten muslimische Wähler die Konservative.
  
Die Problemfelder der Kulturenbegegung
In den Erzählstrang sind viele deutsch-türkische Konfliktfelder eingeflochten: Islamophobie, Intrigen in der Partei- und Kommunalpolitik, Opferhaltung der Muslime, Kopftuch, Schwimmunterricht für Mädchen, die Frau im Islam, Konflikte in und zwischen den Moscheevereinen, Islamismus. Jeweils auf den Punkt gebracht, nie oberflächlich. Don Camillo und Peppone auf Türkisch, einschließlich der Gespräche des Nuri Hodschas mit seinem Gott (Allah). Der Roman reiht sich ein in die literarischen und filmischen Komödien zum Aufeinanderprallen von Kulturen.
Fortsetzung ist angedeutet. Der Imam und die Oberbürgermeisterin kommen sich näher. Das Buch schließt mit den Worten Allahs: “Leider kann ich nicht umhin zu sagen, dass ich das eine oder andere Unheil auf ihn [Nuri Hodscha] zukommen sehe – wovon jedes einzelne verhindern wird, dass ich mich langweile.“
Zum Autor:
Birand Bingül, geboren 1974 im Kreis Soest, arbeitet im WDR; ist Autor, Herausgeber und Filmemacher. „Deutschtürken, kämpft selbst für eure Integration“, titelte er im Januar 2007 einen Beitrag in der ZEIT (ZEIT online, 28.01.2007: http://www.zeit.de/2007/05/Titel-Binguel-deutsch-05).
Davon erzählt sein Roman unterhaltsam und ironisch distanziert.

Johannes Horstmann
Dr. Johannes Horstmann, Hagen
Ehemals Studienleiter an der Katholischen Akademie Schwerte