Geistiges Eigentum???

Je häufiger ich dieses Wort höre, desto mehr kommen mir die Zweifel, ob es so etwas überhaupt geben kann. Was unterscheidet geistiges Eigentum von der Luft, die mal durch meine Lungen gegangen ist? Kann man etwas Geistiges überhaupt besitzen?

Ich vermute mal, dass die gesamte Entwicklung der Menschheit und vielleicht darüber hinaus alle intelligenten Wesen darauf angewiesen sind, dass Wissen, Fertigkeiten und Erkenntnisse nicht nur weitergegeben, sondern auch transferiert und weiterentwickelt werden. Es ist überlebensnotwendig für die Menschheit, dass sie an den geistigen Dingen teil hat, mitdenkt und das Gedankengut von vielen in diesen Prozess wieder einfließen kann.

Ich sehe die gegenwärtige Aufrufe zum Schutz des vermeintlichen geistigen Eigentums zunehmend im Widerspruch zu einem verantwortlichen und nachhaltigen Umgang mit unserer Welt. Es gibt einige Dinge in dieser Schöpfung, wie Wasser, Luft und Geist, die so wertvoll sind, dass sie nicht jemandes Eigentum sein dürfen.

Nur um allen Missverständnissen vorzubeugen: Kunst, Literatur, Software muss deshalb nicht kostenlos zur Verfügung stehen. Die handwerkliche Umsetzung von geistigen Ideen, die aus der Mitte vieler Rezeptionen, Interaktionen und Kommunikationen entspringen, hat ihren Preis. Aber geistigen Ideen entspringen in der Regel in Prozessen, an denen viele Menschen aus der Gegenwart und der Vergangenheit beteiligt sind. Diese Ideen kann nicht einfach eine einzelne Person oder ein Unternehmen als ihr Eigentum beanspruchen.

Bei der Revidierung des Urheberrechts müssen wir weg von einem unsere menschliche Entwicklung blockierenden Eigentumsvorbehalt hin zu einem nachhaltigen und verantwortlichen Umgang mit lebenswichtigen Ressourcen, zu denen auch Wissen und Techniken im weitesten Sinne gehören. Es kann nicht nur um Sorge gehen, dass geistige Arbeit angemessen honoriert wird, sondern es muss auch um die Sorge gehen, dass viele, möglichst alle, an den geistigen Entwicklungen aktiv teilhaben können.

Für mich gehört deshalb „geistiges Eigentum“ auf die Liste der Unwörter.

Joachim Happel
Joachim Happel
Artikel: 111

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert