Das 2. Vatikanische Konzil und seine Reform-Wirkungen

Rz-Ebenbauer-Vaticanum IIPeter Ebenbauer / Rainer Bucher / Bernhard Körner (Hg.):
Zerbrechlich und kraftvoll.
Christliche Existenz 50 Jahre nach dem Zweiten Vatikanum.

Innsbruck-Wien: Tyrolia 2014, 232 S. — ISBN 978-3-7022-3350-1 —

Dieser Band – aus einer Vorlesungsreihe an der Universität Graz entstanden – erinnert an die durch das 2. Vatikanische Konzil vor 50 Jahren in Gang gekommenen Veränderungen in der katholischen Kirche. Eine intensivierte Wahrnehmung richtet sich sowohl auf kirchliches „Binnenverhalten“ als auch auf eine veränderte Sichtweise nach „Draußen“.  Damit setzen Herausgeber und AutorInnen Signale für kirchliche Veränderungen. Die Wirkungsgeschichte des Vaticanum II zeigt allerdings, einerseits Zerbrechlichkeit von Reformimpulsen und andererseits Ermutigung zu neuen Wegen . Das prägt auch die Auswahl der Schwerpunkte mit den vier Konzilskonstitutionen Lumen gentium, Gaudium et spes, Sacrosanctum Concilium, Dei Verbum sowie mit dem Ökumenismusdekret: Unitatis reintegratio inter universos Christianos. Betont sei auch die klare Dialogöffnung der Kirche hin zu den anderen Religionen: Nostra Aetate.

Man kann einem der Autroren des Bandes,  Siegfried Wiedenhofer (Universität Frankfurt/M.), durchaus zustimmen, wenn er sich eine Revision des Konzils im Sinne „einer veränderten Weiterführung in einer neuen geschichtlichen Situation“ erhofft (S. 215). Es sieht so aus, als habe Papst Franziskus hier bereits die ersten Schritte eingeleitet.

Was insgesamt an kirchenreformerischer Fortsetzung des Vaticanum II wieder aufblühen könnte, ist nicht nur für die katholische Kirche von Bedeutung, sondern überhaupt für die Glaubwürdigkeit christlicher Existenz im 21. Jahrhundert.

Ausführliche Beschreibung: hier

Reinhard Kirste

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Rz-Ebenbauer-Vaticanum II, 21.07.15

Die Azhar-Universität in der Begegnung mit dem Christentum

Rz-Hamdan-AzharHussein Hamdan: Der christlich-islamische Dialog der Azhar-Universität.
Schriftenreihe der Georges Anawati-Stiftung, Nr. 13. Freiburg u.a.: Herder 2014, 345 S.
Leicht überarbeitete Dissertation, Universität Tübingen 2013/14
— ISBN 978-3-451-33564-8 —

In den aktuellen Debatten um die Dialogfähigkeit und die sachgemäße Auseinandersetzung mit islamisch begründeter Gewalt kommt auch immer wieder die berühmte Al-Azhar-Universität Kairo in den Blick. Auch wenn es im Islam keine übergeordnete Lehrautorität gibt, so findet diese sunnitischen Einrichtung doch weltweit große Beachtung. Die vorliegende Arbeit macht nun deshalb besonders neugierig, weil die Haltung der Al-Azhar nicht nur auf andere Religionen, sondern auch im Zusammenhang des christlich-islamischen Dialogs Wertmaßstäbe setzt. Noch konkreter wird die Frage, welche Haltung die Al-Azhar selbst im christlich-islamischen Dialog eingenommen hat und noch einnimmt.

Hussein Hamdan (geb. 1979), Tübinger Islam- und Religionswissenschaftler, engagiert im interreligiösen Dialog, geht in seiner Dissertation den Dialogbemühungen der Azhar seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts nach und verfolgt die Debatten noch bis ins Jahr 2011. Nun scheint sich seine Bilanz weiterhin zu bestätigen, die er nach seiner Beschreibung von 80 Jahren Dialog-Geschichte der Azhar in vorsichtiger Hoffnung formuliert: „In den kommenden Jahren wird, was das internationale Ansehen der Azhar betrifft, viel davon abhängen, welche Rolle die Azhar im innerägyptischen Diskurs einnimmt … Die momentan zu beobachtenden Ansätze einer stärkeren Selbstreflexion geben Anlass zur Hoffnung, dass Al-Azhar auch künftig ein wichtiger islamischer Dialogpartner für die anderen monotheistischen Religionen bleibt“ (S. 329).
Diesem Votum geht eine sorgsame Untersuchung voraus.
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Reinhard Kirste


Rz-Hamdan-Azhar, 14.03.15    Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats November 2014: Kirchenreform und Kirchenkritik – Zur „Biografie“ von Paul Zulehner

Rz-Zulehner-MitgiftPaul M. Zulehner: Mitgift. Autobigrafisches anderer Art.
Ostfildern: Patmos (Schwabenverlag 2014), 296 S., Abb., Lebenslauf
— ISBN 978-3-8436-0542-7

Schon der Titel dieses Buches ist ungewöhnlich – Mitgift. Es kommen sofort zwei sehr unterschiedliche Wortbedeutungen in den Sinn: die Mitgift als Brautgabe, ein besonderes Geschenk für ein gemeinsames Leben. Aber es kommt auch schnell die Assoziation bei der Worttrennung auf: Mit-Gift. Wer die theologische Laufbahn des katholischen Theologen Paul Zulehner etwas verfolgt hat, wird entdecken, dass er beides erlebt hat Gnadengeschenke, aber auch bösartige (vatikanische) Anfeindungen. Das wirft auch Schatten auf eine Kirche, die sich doch der göttlichen Wahrheit und der Frohen Botschaft des Heils verschrieben hat. Kein Wunder also, dass dieses sehr persönliche Buch des Autors keine Biografie im üblichen Sinn ist, sondern eine Art Zwischenbilanz, die zugleich erlebte Kirchengeschichte widerspiegelt.

Überblickt man dieses autobiografische Mosaik, so spüren die Lesenden, dass der als liberal und links immer wieder diskreditierte Zulehner zu den herausragenden Theologen in der Weiterentwicklung des 2. Vatikanums gehört. Er forderte ernsthaft grundlegende Veränderungen des Priesterberufs mit dem Pflichtzölibat, das er an sich selbst problematisch genug erfuhr. Gerade darum bedachte er Alternativen für eine zukunftsorientierte Kirche. Zulehner gehört damit in die Reihe derer, die mehr für die Glaubwürdigkeit der Kirche (nicht nur der katholischen) getan haben als jene sog. Bewahrer und vatikanischen Bremser, die nicht an überkommenen Strukturen rütteln wollten. Bescheiden stellt er seine vorläufige Lebensbilanz als Fragment darAber es tröstet ihn, „dass gerade große Komponisten Unvollendetes hinterlassen haben“ (S. 290f). Als einer, der gelernt hat, mit dem Mangel zu leben, geht er hoffnungsvoll dem finalen Empfang bei Gott entgegen … Ein faszinierendes Buch!

Ausführliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste

relpäd-Zulehner-Mitgift, 31.10.14    Creative Commons-Lizenz

Gerechter Krieg? Gerechter Frieden!

Rz-Neuhold-FriedenLeopold Neuhold (Hg.): Frieden, Frieden, aber es gibt keinen Frieden.
Theologie im kulturellen Dialog Band 24.
Innsbruck/Wien: Tyrolia 2014, 193 S.— ISBN 978-3-7022-3198-9.

Die hier präsentierten Beiträge wurden im Rahmen einer Vortragsreihe an der Karl-Franzens Universität Graz im Wintersemester 2011/2012 gehalten. Der Grazer Sozialethiker Leopold Neuhold, der das Buch herausgegeben hat, sieht die Intentionen in folgende Richtung gehen: Es geht beim Thema „Frieden“ nicht nur um Gewaltminimierung, sondern um die wirkende Wirklichkeit“ der Menschenrechte in unmittelbaren Bezug zur persönlichen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Welt (S. 11).

Die ebenfalls fast durchweg von der Universität Graz stammenden Autoren und Wissenschaftler gehen diese Aufgabe unterschiedlich an – mit theologiegeschichtlichen Bezügen und geografischen Verdeutlichungen und mehr grundlegenden Klärungsversuchen. Dabei werden kirchenkritische Anfragen nicht ausgeblendet.

Der pessimistische Titel des Buches (aus Jeremia 6,14) wirkt als beunruhigendes Steuerungselement durch alle Beiträge hindurch. Schaden abwehrende Lösungsansätze für einen gerechten Frieden scheinen an der konfliktbeladenen Realität der heutigen Welt zu scheitern. Vielleicht wäre es insgesamt weiterführender gewesen, wenn Beispiele konsequenten Pazifismus und der christlichen Friedensbewegung sowie Praktiken der Gewaltlosigkeit wie die von Gandhi oder Martin Luther King in diesem Kontext intensiver bedacht worden wären.

Ausführliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste


Rz-Neuhold-Frieden, 11.07.14     Creative Commons-Lizenz

Christliche Ökumene und jüdische Perspektiven

Rz-Fornet-PonseFornet-Ponse, Thomas: Ökumene in drei Dimensionen.
Jüdische Anstöße für die innerchristliche Ökumene.
Jerusalemer Theologisches Forum, Bd. 19. Münster: Aschendorff 2011. 516 S., Register
(zugleich Diss. 2010, Kath. Theol. Fakultät der Paris Lodron-Universität Salzburg)
— ISBN 978-3-402-11023-2 — 

Forschungsaufenthalte in Jerusalem können das christlich-jüdische Gespräch in zuweilen etwas vernachlässigte Denkrichtungen bringen. Dafür steht beeindruckend die leicht überarbeitete Dissertation des katholischen Theologen Thomas Fornet-Ponse, der das vom 2. Vatikanischen Konzil initiierte dialogisch-theologische Umdenken im Blick auf das Judentum einfordert. Denn Kirche hat wesentliche Strukturen ihrer Identität vom Judentum erhalten. Schlimm genug jedoch ist, dass es weiterhin Reserven gegen eine konsequente Öffnung zum Judentum innerhalb sich ökumenisch gebender Theologie gibt.

Das Verhältnis von Identität und Differenz in der Okumene von Katholiken, Protestanten und Orthodoxen zeigt sich mehr und mehr als hermeneutische Chance, auch innerchristlich aus einer vielfältigen Einheit heraus zu denken. Die jüdische Seite macht dazu Mut, sich der Wahrheit in pluralen Ausdrucksformen anzunähern. So müssen auch Differenzen nicht vorrangig miteinander versöhnt werden, weil die Einheit selbst Vielfalt erlaubt. Das heißt praktisch, dass Kirche viel stärker von der Ortskirche her gedacht werden sollte. Orthodoxie und Protestantismus könnten so positiv auch auf das katholische Amtsverständnis einwirken, wenn dieses durchgängig als Dienst an der (zu erwartenden, aber vielfältig bleibenden) Einheit gesehen werden könnte. Die jüdischen Verstehensebenen von Autorität, Einheit und Pluralität in der Auslegung der hebräischen Bibel und im Talmud sind darum in die Debatten innerchristlicher Ökumene-Differenzen einzubringen.

Vom lutherischen Kirchenverständnis her hat es übrigens immer wieder – auch innerprotestantisch strittige – Signale gegeben, über die gesamtkirchliche Stellung des Papstes als Ehrenprimat ins Gespräch zu kommen. Im Hoffnungsrahmen von Pluralität in der Einheit scheinen hier allerdings noch viele Stolpersteine zu liegen. Und trotz einiger vom Autor herangezogenen ermutigender Formulierungen Ratzingers muss man unter seiner Ägide als Benedikt XVI. doch eine Tendenz wahrnehmen, in der sich die Gewichte zuungunsten einer Einheit in versöhnter Verschiedenheit verschieben. So bleibt auch Fornet-Ponses Resümee der Einheit in versöhnter Verschiedenheit eine innerchristliche Vision, deren Realisierung man sich jedoch endlich wünscht.

Reinhard Kirste

Rz-Fornet-Ponse, 22.12.12