Buch des Monats Oktober 2013: Islamische Seelsorge in der multikulturellen Gesellschaft

BRz-Ucar-Seelsorgeülent Ucar / Martina Blasberg-Kuhnke, (Hg.):
Islamische Seelsorge zwischen Herkunft und Zukunft.
Von der theologischen Grundlegung zur Praxis in Deutschland.
Reihe Osnabrücker Islamstudien Band 12.
Frankfurt/M. u.a.: Peter Lang
2013, 192 S.
— ISBN 978-3-631-64063-0 geb. – ISBN 978-3-653-02533-0 (eBook) 

Ausführliche Beschreibung: hier

 Die Universität Osnabrück hat mit ihrem Zentrum für Islamstudien seit 2008 einen wesentlichen Beitrag für die Etablierung der islamischen Theologie und der mit ihr verbundenen Religionspädagogik geleistet. Bülent Ucar als Direktor des Instituts für Islamische Theologie und das Team des Instituts haben beachtliche Fortschritte im Blick auf den islamischen Religionsunterricht erzielt. Denn ihre theologischen Forschungsarbeiten stehen im Kontext der universitären Nachbardisziplinen, besonders der christlichen Theologie. Als Zwischenergebnisse dieser Arbeit sind inzwischen 15 Bände der Reihe „Osnabrücker Islamstudien“ erschienen. Im hier vorliegenden 12. Band verweisen bereits die Herausgeber, der islamische Theologe  Bülent Ucar und die katholischen Religionspädagogin Martina Blasberg-Kuhnke, auf die fast selbstverständliche Kooperation zwischen islamischer und christlicher Theologie auf der Schwelle von Theorie und Praxis in der Seelsorge.

Verstärkt durch die Migrationssituation ist in Europa und gerade auch in Deutschland nämlich der Islam besonders herausgefordert. Insofern wird neben bereits existierenden interreligiösen Seelsorgekonzepten in diesem Band ein systematisierender Weg eines neuen Verständnisses beschritten, und zwar in drei Abschnitten:

  • 1. Teil: Grundlagen und Entwicklung der Seelsorge

  • 2. Teil : Seelsorgekonzepte

  • 3. Teil:  Seelsorge in der Praxis: Erfahrungsberichte

Dieses Buch mit seinen unterschiedlichen seelsorgerlichen Zugängen aus weitgehend islamischer Perspektive zeigt überzeugend die Notwendigkeit auf, dass Religionen angesichts alltäglicher und lebensbedrohlicher sowie tödlicher Lebenserfahrungen Grund legen müssen, um Menschen konkret Halt und Trost zu geben. Besonders zu würdigen ist, dass islamische Seelsorge offensichtlich von Anfang an in ein interreligiös offenes Seelsorgekonzept. Muslimische und christliche Seelsorger plädieren gleichermaßen für eine glaubwürdige und weiterhelfende Seelsorge für die betroffenen Menschen mit ihren Nöten, Ängsten, Verzweiflung und Schmerzen.

Reinhard Kirste

Rz-Ucar-Seelsorge, 30.09.2013     Creative Commons-Lizenz

Vernünftiger Glaube und religiöse Erfahrung – der Religionsphilosoph William James

Thörner, Katja: William James‘ Konzept eines vernünftigen Glaubens auf der Basis religiöser Erfahrung.
Münchener philosophische Studien, NF Bd. 29.
Stuttgart: Kohlhammer 2011, 240 S., Register
zugleich Diss. 2009/2010
an der Hochschule für Philosophie, Philosophische Fakultät SJ, München
— ISBN 978-3-17-021718-8 — 

 Die hier vorliegende Dissertation bezieht sich schwerpunktmäßig auf einen philosophischen Bestseller aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts: „The Varieties of Religious Experience“ sowie „The Principles of Psychology“ von William James (1842-1910), der mit seinen philosophischen Vorlesungen insbesondere ein junges Publikum begeisterte. Hintergrund dieser Begeisterung dürfte die Tendenz in James‘ Denken gewesen sein, den Dogmatismus in die Grenzen zu verweisen. Das gilt sowohl für den Theismus wie für einen überbordenden Rationalismus. Denn dieser amerikanische Psychologe und Philosoph hat sich dadurch einen Namen gemacht, dass er seine rationalistisch angelegte Welterklärung weder monistisch noch dualistisch aufbaute, sondern einen metaphysischen Pluralismus favorisierte und mit religiöser Erfahrung verband. Das wäre dann ein erweiterter Vernunftbegriff, der mit Überlegungen einhergeht, dass die Welt kein Uni-versum, sondern ein Multi-versum ist, in dem das Individuum einen entsprechenden Platz findet.

Was dieses Buch für die Theologie und auch für den interreligiösen Dialog so anregend macht, ist neben religionspsychologischen und religionsphilosophischen Querverbindungen das von Thörner herausgehobene pluralistische Weltverständnis von James und seine Kritik am Absoluten/„Absoluten Geist“. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den Fragen:Inwiefern ist die Kraft des Universums wirklich personaler Natur (vgl. S. 218)?
Und: Könnte sich Personalität gerade angesichts der Komplexität des Universums doch nur als eine relative Hilfskonstruktion herausstellen?

 Ausführliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste

 Rz-Thörner-James, 28.07.12

Buch des Monats Juni 2012: Rudolf Otto und die Diskussion um das „Heilige“

Thorsten Dietz / Harald Matern (Hg.): Rudolf Otto. Religion und Subjekt.

Christentum und Kultur, Band 12. Zürich: TVZ 2012, 264 S, Register— ISBN 978-3-290-17608-2

Die Diskussion um das berühmte Buch des evangelischen Theologen und Religionswissenschaftlers Rudolf Otto (1869–1937) hat bis heute eine intensive Auseinandersetzung zur Folge. Otto hatte das „religiöse Gefühl“ für das „Heilige“ mit transzendentalphilosophischen und phänomenologischen Theorieelementen verbunden und eine für viele Fachkollegen fragwürdige  Kriteriologie dafür entwickelt. Im 1977 erschienenen Sammelband „Die Diskussion um das Heilige“ drückt der herausgebende Religionswissenschaftler Carsten Colpe sein Unbehagen u.a. folgendermaßen: aus1:
„Würde ich gefragt, wie ich … über das Problem selbst schreiben würde, dann hätte ich etwa zu antworten: Herauslösung von Ottos Heiligem aus der Zweideutigkeit zwischen psychologischem und transzendentem Apriori (mit Paus); Einführung einer wieder an Kant orientierten Bedingung der beiden Möglichkeiten: der erkenntnistheoretischen, das Heilige als formales Prinzip der Weltdeutung zu kategorisieren (mit Feigel …) und der ethischen, die Empirie des unfreien Willens innerhalb einer Ontologie des Bösen transzendental zu deduzieren (mit Ricœur …) …“


Das hier vorzustellende Buch, das die beiden Theologen Thorsten Dietz (Ev. Hochschule Tabor in Marburg) und Harald Matern (Universität Basel und Erlangen) herausgegeben haben, stellt das Ergebnis eines Forschungssymposiums zu Rudolf Otto vom Dezember 2010 in Marburg vor. Der Schwerpunkt hat sich hier – wie schon im Vorwort angesprochen – auf die Begründungszusammenhänge religiöser Subjektivität verschoben, und zwar in vierfacher Hinsicht: religionswissenschaftlich, religionsphilosophisch, religionspsychologisch und narrativ-theologisch. Dazu treten exemplarisch die Interpretationen und unmittelbaren Bezüge Ottos zu Martin Luther (1483–1546), Immanuel Kant (1724–1804), Friedrich Schleiermacher (1768–1834), Friedrich Jakob Fries (1743–1843), Nathan Söderblom (1866–1931), Wilhelm Wundt (1832–1920) und Paul Tillich (1886–1965).
Reinhard Kirste
Anm. 1: Carsten Colpe (Hg.): Die Diskussion um das „Heilige“. Wege der Forschung CCCV. Darmstadt 1977, S. XXV