Christentum und Islam – Theologische Verständigungswege

Rz-Heine-christl-islamSusanne Heine / Ömer Özsoy / Christoph Schwöbel / Abdullah Takim (Hg.):
Christen und Muslime im Gespräch.
Eine Verständigung über Kernthemen der Theologie.

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus  (Random House) 2014, 384 S.,
Zeittafel, ausführliches Register — ISBN 9783579081793 —

Das vorliegende umfangreiche Buch wurde in einem christlich-islamischen Gesprächsprozess von theologischen Fachleuten beider Religionen über mehrere Jahre hin entwickelt.

Das Buch spiegelt die dialogische Zusammenarbeit mit dem Ziel, ein sachgemäßes Verstehen des Anderen anzubahnen sowie Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten im Blick auf Christentum und Islam zu verdeutlichen. Das Profil dieses Bandes zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dass dieser Gesprächsprozess unabgeschlossen ist. Dadurch, dass man so intensiv nicht übereinander, nicht nacheinander, sondern miteinander redete, ist m.E. jedoch mehr als eine dialog-theologische Zwischenbilanz zu den “Kernthemen der Theologie“ entstanden. Durch das ausführliche Register gewinnt dieses Buch den Charakter einer Orientierungshilfe, die man/frau immer wieder zu bestimmten Themen und aktuellen Konflikten im Blick auf scheinbar oder anscheinend „typische“ christliche oder islamische Verhaltensweisen oder gesellschaftliche Konflikte gut heranziehen kann.

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Reinhard Kirste,

Rz-Heine-christl-islam, 15.12.14     Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats März 2014: Leuchtpunkte jüdischer Philosophie

Rz-Starobinski-Jud-PhilEsther Starobinski-Safran: Essais de philosophie juive.
Paris: Albin Michel 2014, 256 S. — ISBN 978-2-226-25387-3 —

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Die jüdische Philosophie spielt seit der Antike eine wesentliche Vermittlungsrolle im Mittelmeerraum. Sie hat auch wichtige Impulse für die Geisteskultur Europas und Deutschlands gesetzt. Esther Strarobinski-Safran, Tochter des Hauptrabbiners Alexandre Safran von Genf (1910-1948),   steckt mit den vorliegenden Essays entwicklungsgeschichtlich entscheidende Markierungspunkte der jüdischen Philosophie in 20 Jahrhunderten ab. Diese haben auch die politische Geschichte zum Teil nachhaltig beeinflusst.
Das Erstaunliche eines solchen Ganges am „Geländer“ großer jüdisch-philosophische Protagonisten sind die die Konvergenzen der hier vertretenen DenkerInnen – und dies trotz großer Zeitunterschiede. Diese Beziehungsnähe bewegt sich im Spannungsfeld von Vernunft und Offenbarung unter den philosophisch-theologischen Voraussetzungen des Monotheismus und in Bezug auf Einheit und Einzig(artig)keit Gottes.

Sie stellt im Einzelnen vor:
Philo von Alexandrien (um 15 v. Chr. bis ca. um 40 n. Chr.), das Buch Keter Malkhut (= die Krone des Königtums) von Ibn Gabirol (1021/22–1057), Moses Maimonides (1135/1138 –  1204 in Kairo), Benedikt (Baruch) Spinoza  (1632–1677), Hermann Cohen (1842–1918), Hannah Ahrendt (1906–1975), Moses Mendelssohn (1729-1786),  Franz Rosenzweig (1886–1929), Eugen Rosenstock-Huessy (1888–1973), Martin Buber (1878–1965 , Emmanuel Levinas (1906–1995),   Alexandre Safran (1910–2006) und Abraham Joshua Heschel (1907–1972)

Dieses Buch ist keine systematische Philosophiegschichte; es sind bewusst Essays. Aber diese Auswahl wirkt wie eine historische Lichterkette, deren Leuchtpunkte jüdische Philosophinnen und Philosophen sind, die in der Spannung von Vernunft und Offenbarung ein Gottesbild zeichnen, in dem Grenzen überschreitende Barmherzigkeit und Liebe im Zentrum des Denkens steht. Hier eröffnen sich interreligiöse Horizonte, zu denen jüdische Denker seit der Antike Wesentliches beigetragen haben. Es wäre schön, wenn es dieses Buch auch als deutsche Übersetzung gäbe.

Reinhard Kirste


Rz-Starobinski-Jud-Phil, 28.02.14      Creative Commons-Lizenz

Ibn al-Farid: Reisewege der Seele

Rz-Ibn al-FaridIbn al-Farid: Der Diwan. Mystische Poesie aus dem 13. Jahrhundert.
Aus dem Arabischen übersetzt und herausgegeben von Renate Jacobi.

Berlin: Verlag der Weltreligionen im Insel-Verlag Berlin 2012, 407 S.,
mehrere Register — ISBN 978-3-458-70037-1

Ausführliche Bescheibung: hier

Kurzrezension
Der Diwan des Ibn al-Farid lenkt den Blick auf einen der herausragenden Vertreter des späteren Sufismus und der arabischen Poesie. Ibn al-Farid wurde 1181 in Kairo geboren und starb auch dort im Jahre 1235. Er wurde wegen seiner herausragenden Persönlichkeit und verinnerlichten Sprache geradezu als Heiliger verehrt. Er lässt sich in seiner gelebten Spiritualität und sprachlichen Ausdruckskraft durchaus mit Meister Eckhart, Johannes vom Kreuz und Angelus Silesius vergleichen.

Erfahrungen der Gottesliebe brechen poetisch  in den Sprachformen arbischer Poesie, den Kassiden durch, der Wein wird zum Symbol göttlichen genießens. In der Stufenreise der Seele bewegen den spirituellen Pilger Manifestationen der Schöpfung und des des Kosmos durch, in Bildern von Gefährdung und von Gnade, ver-dichtet im Erleben von Liebe und Leiden. Dies geschieht in einer sprachlichen Ästhetik, der es gelingt, sich dem Geheimnis der Überwindung von Dualität anzunähern.

Den Lesenden eröffnet sich mit dieser bildreichen Sprache eine Welt, die aus dem Alltäglichen heraus in die Tiefe wahren Seins führt. Die innere Nähe zu christlichen MystikerInnen macht Ibn al-Farid zugleich zu einem Brückenbauer zwischen Orient und Okzident, und zwar in glaubwürdiger Authentizität über Religionsgrenzen hinweg. Ich wünschte mir, dass Ibn al-Farid mit seiner interreligiösen Perspektive stärker im christlich-islamischen Gespräch wirksam wird.

Reinhard Kirste
Rz-Ibn al-Farid, 17.01.13

Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats August: Abbé Pierre – wahres Leben angesichts des Todes

Abbé Pierre: Was ist das, der Tod? Ein Gespräch über den Sinn des Lebens.

Aus dem Französischen von Bruno Kern.

Innsbruck-Wien: Tyrolia 2012, 77 S.

— ISBN 978-3-7022-3200-9 —

Französisches Original: C’est quoi la mort? Livre didactique destiné aux enfants, utilisé aussi dans l’apprentissage de la langue française. Paris: Albin Michel 1999.

 Ausführliche Besprechung: Hier

 Der 2007 verstorbene Abbé Pierre hätte in diesem Jahr am 5. August seinen 100. Geburtstag gefeiert. Nicht nur in Frankreich, sondern weltweit ist er als „Vater der Armen“ zu einer Institution gelebter Nächstenliebe geworden. In diesem kleinen Büchlein äußert sich der 87Jährige im Gespräch mit jungen Leuten über den wahren Sinn des Lebens – und zwar im Spiegel von Sterben, Tod, Trauer und Hoffnung auf ein Leben jenseits. Dies alles ist mit vielen Beispielen aus seinem erfüllten Leben angereichert.

 Wofür ist es nun gut, an Gott zu glauben? „Man muss überzeugt sein, dass er [Gott] nichts als das Gute für die Menschen will, aber dass dieses Glück von uns abhängt“ (S. 75). Kein Wunder, dass aus solcher Glaubenskraft heraus immer wieder in diesen Antworten das praktische „Herzthema“ des Abbé Pierre durchschimmert: Die Bewegung Emmaus. So wird dieses Büchlein zur Anfrage an jeden Einzelnen, wofür es sich lohnt, aktiv zu leben – angesichts des unausweichlichen Todes. Abbé Pierre hat so gehandelt, wie es das kreative Genie Steve Jobs auch ausdrückte: „Der Tod ist ein Motor des Wandels“ (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Steve_Jobs).

Aus diesem Grunde ist dieses Büchlein so empfehlenswert!
                                                                                                                                                       Reinhard Kirste

31.07.2012

Religulous – Große Kino-Momente (Filmkritik)

Große Kino-Momente – Religulous.
Regie Larry Charles mit Bill Maher.
Dokumentarfilm, USA 2008, Deutschland 2009,
als DVD Oktober
2010, Laufzeit ca. 96 Minuten.

„Religulous“, so der Filmtitel, ist ein englisches Kunstwort, das sich aus den englischen Wörtern religion und ridiculous (lächerlich) zusammengesetzt.Der US-Amerikanische Dokumentarfilm aus dem Jahre 2008 kam im April 2009 nach Deutschland.
Mit einem Einspielergebnis von über 13 Millionen Dollar wurde Religulous zur erfolgreichsten filmischen Dokumentation des Jahres 2008. 

Die englische und deutsche Fassung sind unter den verschiedenen Videoangeboten am Computer zu sehen. Die filmischen Szenen zeigen einer Reihe von Interviews mit Religionszugehörigen. Sie spiegeln deren Glaubensinhalte und setzen sich damit auseinander.      

Im deutschsprachigen Raum erschienen der Film und die DVD mit dem Titel
„RELIGULOUS – Große Kinomomente“ 2009/2010
(vgl. SPIEGEL – Kulturspiegel, 02.04.2009:
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,616814,00.html).
Das Drehbuch stammt von dem politischen Satiriker Bill Maher, der in Deutschland auch mit Late-Night-Talker Harald Schmidt verglichen wird. Bill Maher steht im Mittelpunkt des Films und erzählt von seinen Begegnungen mit Vertretern verschiedener religiöser Sichtweisen.

Trotz unterschiedlicher Einschätzung der Interview-Methoden Mahers, sind  zwei Aspekte für ein Verständnis des Films von Bedeutung: Bill Maher sucht das Gespräch. Im Sinne von Goethes Märchen: „Was ist wichtiger als das Licht?“ fragte der König. „Das Gespräch“,antwortete die Schlange.[1]
 Beginnend mit seinem eigenen religiösen Erleben im Elternhaus, eröffnet der Regisseur die Interviews mit seiner Mutter und Schwester.
Mahers Eingangsworte sind Thema und Ziel seiner Vorgehensweise: „Nun – als die Offenbarung geschrieben wurde, hatte allein Gott die Möglichkeit, die Welt zu zerstören. Doch inzwischen kann der Mensch das auch. Denn unglücklicherweise hatte er Mensch, bevor er lernte, vernünftig oder friedfertig zu sein, nukleare Waffen erfunden, und mit Umweltzerstörung katastrophalen Ausmaßes begonnen … Ich bin ganz ehrlich der Überzeugung, dass Religion dem Fortschritt der Menschheit höchst abträglich ist.“ Ihn selbst beschäftigt die Frage nach Religion Zeit seines Lebens. Schon in der Kindheit hat er Religion als unbequem und widersprüchlich, aber auch als tröstend erfahren. Offenbarten Glaubensformeln antwortet er mit logisch-folgenden Rückfragen. Oder mit Fassungslosigkeit, – wenn die Argumentation des Gesprächspartners das Phantastische erreicht: Der Leiter des Schöpfungsmuseums: „Wir sagen zusammengefasst: Der historische Ablauf der Bibel stimmt. Und es begann mit der Genesis.“ Derselbe Leiter einer wortwörtlichen Bibelauslegung: „Wenn die biblische Schöpfungsgeschichte nicht die Wahrheit ist, wie ist denn dann der Rest der Bibel zu verstehen?“. Ein Merkmal fundamentalistischer Einstellung, wird während homophober Hysterie einer ‚Straßenkämpferin‘ eingeblendet: „Nicht wir hassen die Schwulen. Gott hasst sie!“
Zeitweise gelingt es Maher, unterschiedliche Gespräche, mit Humor abzuschließen. Er formuliert: „Wo ist meine Brieftasche?“, und bringt die Runde zum Lachen. Andererseits zeigt er – filmisch festgehalten – wie schwarz-weiß Fanatismus Maher sichtbar erschüttern. 
„Wenn ich sterbe, werde ich an einem schöneren Ort, werde ich bei Gott und Jesus sein“, formuliert ein bekehrter jüdischer Evangelikaler. Logische Gegenfrage Mahers: „Warum bringen Sie sich dann nicht um, damit Sie zu diesem besseren Ort gelangen?“ Je phantastischer die Wundergeschichte, desto logischer die Rückfrage, denkt man.
Maher sucht also, was den Film besonders auszeichnet, das Gespräch mit Menschen, deren Glaubensauffassungen ihn interessieren. Er ist mit der Argumentationsweise seiner Gesprächspartner auf Grund jahrelanger Erfahrung in Gesprächen vertraut. Das heißt: Maher kennt die Argumentationsweisen, bei denen besonders in solchen Gesprächen, der Intellekt gewöhnlich umschifft wird oder werden soll. Mit den gebräuchlichen Argumenten Glaubender kennt er sich aus. Damit gelingt es dem Regisseur, die Glaubens-Systeme und religiösen Einstellungen seiner Gesprächspartner, intellektuell redlich zu hinterfragen. Dabei stoßen, ein amerikanischer Senator, ein Jesus-Darsteller im Bibelmuseum sowie dessen Leiter, sichtlich an ihre Grenzen. Das wird filmisch ausgesprochen kunstvoll eingefangen.
Es wird deutlich: Maher weiß mit den Überzeugten und ihren Überzeugungen umzugehen. Seine langjährige Beschäftigung mit religiösen Einstellungen in seinem eigenen Leben und dem Leben seiner Mitmenschen, zeichnen ihn als hartnäckig Fragenden aus. Diese Rolle behält er während der Interviews bei. Als Agnostiker steht er für eine Weltanschauung, die insbesondere die prinzipielle Begrenztheit menschlichen Wissens betont.
Ohne Übertreibung kann bei Religulous, von einem filmischen Kunstwerk gesprochen werden, das zur wiederholten Betrachtung und zur Diskussion in Gemeindegruppen und im Religionsunterricht einlädt. Der Film unterhält zugleich in humorvoller Weise, die den Zugang zum Gespräch erleichtern.
Gerhard Kracht, Recklinghausen
Rz-Religulous, 23.02.12


[1]  Johann Wolfgang von Goethe: Das Märchen von der Schlange und der schönen Lilie. Pforte VerlagISBN 3-856-36111-1:
Der Text auch in: http://gutenberg.spiegel.de/buch/3633/1