RundfunkhörerInnen sagen ihre Meinung
Am 8.7.21 stellte der Bayerische Rundfunk BR2 dieses Thema als TAGESGESPRÄCH unter der Moderation von Birgit Kappel vor:
„Es geht um nichts Geringeres als um die großen Fragen des Lebens. Aber gehört Religionsunterricht deshalb zwangsläufig zum Bildungsauftrag der Schulen? Und wenn ja, in welcher Form? Anlässlich der Einführung eines islamkundlichen Unterrichts in Bayern im Jahr 2021 stellt BR 2 den konfessionell getrennten Religionsunterricht in Deutschland überhaupt in die Diskussion. Interessante Beiträge von ZuhörerInnen und Fachkräften werden geboten!“
Die Ankündigung wurde gut umgesetzt. Es hat nach meiner Erfahrung schon Seltenheitswert, dass eine Rundfunksendung so gründlich in diese Thematik einsteigt!
Neben der engagiert fragenden Moderatorin war der katholische Religionspädagoge Prof. Matthias Gronover von der Universität Tübingen als kontinuierlicher Gesprächspartner zu Gast. Ebenfalls als Gast: Prof. Tarek Badawia vom Lehrstuhl für islamische Religionslehre an der Universität Erlangen/Nürnberg. Mit der Zuschaltung der Lehrerin Velida Hafizovic aus Hamburg wurde dann der Blick über den bayerischen Tellerrand geweitet und der „Religionsunterricht für Alle“ ins Blickfeld gerückt.
Fast eine ganze Stunde lang erreichte die Sendung viele Menschen auch über Bayern hinaus, die sich über Telefonanrufe am der Diskussion beteiligten.
Dieser Rundfunkbeitrag ist beim BR als Podcast ( mp3, ca. 54 Min.)
abrufbar unter diesem Link .
Auf einige der Beiträge von Hörerinnen und Hörern möchte ich im Folgenden etwas eingehen und Sie mit den Minutenangaben ermuntern, sich diese auch selbst gründlich anzuhören.
Ab 04:31 min
Hörerin Frau F. nimmt gleich zu Beginn kritisch Stellung: Religionsunterricht in der hergebrachten Form des getrennten Unterrichts sei überhaupt nicht mehr zeitgemäß; ihre Meinung ist stark geprägt von früheren Erfahrungen in katholischer Klosterschule. Sie plädiert klar für einen Ethikunterricht für Alle.
Ab 12:11 min
Frau H. ist selbst Lehrerin an einer Grundschule. Sie beschreibt die großen Schwierigkeiten, welche die Schulen mit der Organisation von 3 oder 4 Religionsunterrichten/Ethik für die Klassen mit sich bringen. Sie erlebt in der Praxis, dass Grundschulkinder der Trennung innerhalb der Klassen oft befremdlich gegenüberstehen und dafür auch von zuhause kein Verständnis mitbringen.
Ab 15:50 min
Hörer Herr K. nimmt engagiert Stellung zum Thema. In waschechtem Schwäbisch (?) berichtet er von seinen guten Erfahrungen, wie er als Kind muslimischer Eltern früher auch katholische und evangelische Gottesdienste besucht hatte. Da hat er gemerkt: “Wir sind alle nur Menschen und stammen alle von einem Gott ab“! Herr K. schätzt die Chancen und das wachsende wechselseitige Verständnis dabei als sehr hoch ein! Ein deutliches Plädoyer für gemeinsames Lernen von Religion in der Schule. Den Lehrkräften traut er diese Aufgabe zu: „Das kann ein Lehrer sehr gut vermitteln, dafür ist er da, das hat er gelernt!“
Ab 25:00 min
Auch die Hörerin Frau G. wünscht sich für die Zukunft gemeinsames Lernen; ihr ist vor allem der Aspekt der Friedenserziehung und der Fähigkeit zu Toleranz ein wichtiges Anliegen.
Prof. Gronover wurde von der Moderatorin nach seiner Meinung zu den Hörerbeiträgen gefragt. Seine Antworten bezogen sich auf den Auftrag des konfessionellen Religionsunterrichts, an dem er grundsätzlich festhalten möchte („Heimat bieten“). Dies leitet er auch aus dem grundgesetzlichen Recht auf Religionsunterricht ab (Art. 7 Abs. 3 GG). Heutiger RU habe sich den Anforderungen der Zeit zu stellen, vor allem mit der kulturellen und religiösen Vielfalt umzugehen. Schülerinnen und Schüler sollen Kompetenzen erwerben, Religion einzuschätzen und auch kritisch zu befragen. Vor allem der Berufsschulunterricht Religion werde fast überall in Deutschland schon gemeinsam für die Klasse erteilt.
Im Hinblick auf den islamkundlichen Unterricht, der nun in Bayern eingeführt wurde, sprach sich Prof. Badawia grundsätzlich für eine konfessionelle Bindung aus. (Die ungeklärten Fragen der Anbindung an muslimische Gemeinschaften wurden nicht thematisiert). Er verwies auf den starken interreligiösen Anteil, den der islamische Lehrplan aufweise. Der Blick auf die anderen Religionen und das gemeinsame Gespräch haben in diesem einen hohen Rang! Die Rahmenbedingungen des neuen Unterrichts seien in Bayern zwar nicht optimal. Vor allem fehle es an ausgebildeten Lehrkräften für Islamkunde. Dennoch hofft er auf konstruktive Weiterentwicklungen.
Ab 17:55 min
Lehrerin Velida Hafizovic aus Hamburg berichtete, wie sich ihre Arbeit beim Religionsunterricht im Klassenverband gestaltet.
( In Hamburg gibt es seit langem Religionsunterricht für Alle. Dieser war früher allein in der Trägerschaft der Evangelischen Kirche. Inzwischen sind durch Staatsvertrag auch andere Religionsgemeinschaften gleichwertig hinzugekommen. Auch die Lehrkräfte gehören unterschiedlichen Religionen an, arbeiten aber alle nach dem Konzept des Lehrplans und gemeinsamer schulischer Pläne.)
Frau Hafizovic ist ausgebildete Lehrerin für Islamunterricht. Die Aufgabe, Kinder aller Religionen zu unterrichten, war für sie eine große neue Herausforderung. Die Erfahrungen in den Klassen sind für sie durchweg positiv. Die Schülerinnen und Schüler schätzen es, miteinander die religiöse Vielfalt kennenzulernen. Das Konzept bringt eine intensive Zusammenarbeit der Lehrkräfte verschiedener Religionen an der Schule mit sich. Dies wird von Frau Hafizovic als sehr fruchtbringend eingeschätzt. Von der Moderatorin gefragt, ob sie denn diese Form des Religionsunterrichts für Alle auch für andere Bundesländer empfehlen würde, antwortete sie klar mit „Ja“.
Noch einige weitere unterschiedliche Beiträge sind in dieser Sendung zu hören. Die meisten sprechen sich für deutliche Änderungen beim Religionsunterricht aus, bis hin zur Forderung nach Abschaffung.
Gerne können Sie nach dem Anhören des Podcasts Ihre Meinung zum Thema im Kommentar unten aufschreiben.
Weitere Hinweise
Informationen zum Religionsunterricht in Hamburg:
Website der Hamburger Religionslehrerinnen und -lehrer