Buch des Monats August 2015: Diskussion um „das Heilige“

Rz-Gantke-Das HeiligeWolfgang Gantke, Vladislav Serikov (Hg.):
Das Heilige als Problem der gegenwärtigen Religionswissenschaft
Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang 2015. 143 S.
Reihe: Theion.
Studien zur Religionskultur – Studies in Religious Culture. Bd. XXX
— Print: ISBN 978-3-631-65400-2
— E-Book: ISBN 978-3-653-04429-4

Im Horizont des strittigen Begriffs „das Heilige“versuchen die Herausgeber sowie die anderen Beitragenden aus Religionswissenschaft, Philosophie, Pädagogik, Kulturwissenschaft und Theologie Schneisen des Verständnisses nicht nur für unterschiedlich denkende Religionswissenschaftler, sondern für alle Interessierten zu legen. Der Religionwissenschaftler Rudolf Otto und sein Verständnis des Heiligen spielt in dieser andauernden Dabatte weiterhin eine Schlüsselrolle.

Das Buch hat drei Schwerpunkte:

  1. Die Auseinandersetzung mit Rudolf Otto und seiner Erlebnistheorie des Heiligen
  2. Die Möglichkeiten angewandter Religionswissenschaft
    im Kontext kulturhistorischer, empirischer und religions-phänomenologischer Untersuchungen
  3. Begründungen, Entwürfe und Absicherungen
    von Theorien des Heiligen auf phänomenologischer Basis.

Die Autoren vermitteln wichtige Anstöße, um „das Heilige“ in verschiedenen Kontexten wahr-zunehmen und sich zu verdeutlichen: Objektivierbare Zugriffe auf Numinoses insgesamt führen offensichtlich in eine Sackgasse. Rudolf Ottos Position spielt für gegenwärtige Verstehens-Annäherungen darum eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Ausfürliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste

Rz-Gantke-Das Heilige, 31.07.15     Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats April 2015: Raum-Begegnungen der Religionen

Rz-Beinhauer-religiöser-RaumBärbel Beinhauer-Köhler, Mirko Roth, Bernadette Schwarz-Boenneke (Hg.):               
Viele Religionen – ein Raum?! Analysen, Diskussionen und Konzepte.          
Berlin: Frank & Timme 2015, 240 S., zahlreiche Abb. —ISBN 978-3-7329-0065-7

Die kulturellen Veränderungen in unserer Gesellschaft haben in den letzten Jahren nicht nur immer stärker werdende Säkularisierungseffekte gebracht, sondern auch neue religiöse Sicht- und Zugangsweisen. Dazu gehört ganz konkret inzwischen eine beachtliche Zahl von Räumen der Stille, des Gebets und der Andacht, die nicht nur für eine Kirche oder Konfession, sondern für alle Religionen offen sind. Die Gestaltungsformen sind vielfältig und spiegeln wie in einem Brennglas multireligiöse Markierungspunkte unserer Gesellschaft. Das vorliegende Buch reflektiert eine Tagung vom Juli 2013 an der Universität Marburg. Sie behandelte Fragen zu Chancen und Problemen (inter-)religiöser Räume. Es werden folgende Themenbereiche angesprochen

1. Reflexionen: Machtstrukturen, Konfliktfelder, Nutzungskonzepte

2. Raumtypen: Institutionen auf der Suche nach religiösen Gemeinschaftsräumen

3. Einblicke: Räume zwischen den Religionen in Deutschland und der Schweiz

4. Ausblick: Weg-Orientierungen für religiös plurale Räume

Die Tagung in Marburg selbst brachte durch die Darstellung und Diskussion vieler (inter-)religiöser Initiativen und Besinnungsorte in den Workshops neben den zentralen Veranstaltungen noch ein weit umfassenderes Bild ein, wie der Rezensent selbst erleben konnte. Die Fragestellung „Viele Religionen – ein Raum?! wird also weiterhin zu intensiver Beschäftigung anregen und nötigen.

Ausführliche Besprechung: hier

Reinhard Kirste

Creative Commons-LizenzRz-Beinhauer-religiöser-Raum, 31.03.15

Buch des Monats Januar 2015: Eine Ärztin in Pakistan

Rz-Pfau-LepraRuth Pfau: Leben ist anders. Lohnt es sich? Und wofür?
Bilanz eines abenteuerlichen Lebens

Freiburg u.a.: Herder 2014, 256 S. — ISBN 978-3-451-33289-0 —

Pakistan wird immer wieder von Terrormeldungen und Selbstmordattentaten erschüttert. In diesem Buch zieht die Ordensschwester und  Ärztin Ruth Pfau Bilanz, indem sie nach dem Sinn des eigenen Lebens und nach dem Sinn eines (christlichen) Engagements für den Nächsten fragt. Die Begegnung mit Leprakranken in einem Elendsviertel in Karachi wurde für ihr Leben bestimmend. Die Gründung des Marie Adelaide Leprosy Centre (MALC) wurde schließlich in Pakistan zu einer anerkannt herausragenden Gesundheitsinstitution. Hinzu kamen ein Kontrollprogramm zur Eindämmung der Tuberkulose und Gesundheitsinititiven gegen die in Pakistan verbreitete Blindheit.

Ihre „Arbeit am Menschen“ hat zugleich eine interreligiöse Komponente. Sie merkte gerade in dem von vielen religiösen und ethnischen Spannungen geprägten Pakistan, wie schnell Hass und Gewalt aufkommen.  Ruth Pfau hat immer größten Wert darauf gelegt, unbewaffnet zu sein, weil Waffen Konflikte nur verschärfen (S. 160). Ihr Vorbild ist Jesus. Wie er mit den Kranken und Ausgegrenzten umging, ist ihr immer wieder Mut machendes Vorbild. So erfährt ihre Sicht des Glaubens eine konfessionelle Entgrenzung

Angesichts der brutalen Konflikte weltweit, aber auch im Zusammenhang mit den vielen furchtbaren Anschlägen in Pakistan selbst, wird ihr Buch zu einem ermutigenden Friedenszeugnis. Diese Lebensbilanz lädt zum helfenden Eingreifen ein, wo immer Menschen durch Krankheit, Armut oder Verfolgung bedroht sind.

Ausführliche Beschreibung des Buches: hier

Reinhard Kirste

Rz-Pfau-Lepra, 31.12.14   Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats Juni 2012: Rudolf Otto und die Diskussion um das „Heilige“

Thorsten Dietz / Harald Matern (Hg.): Rudolf Otto. Religion und Subjekt.

Christentum und Kultur, Band 12. Zürich: TVZ 2012, 264 S, Register— ISBN 978-3-290-17608-2

Die Diskussion um das berühmte Buch des evangelischen Theologen und Religionswissenschaftlers Rudolf Otto (1869–1937) hat bis heute eine intensive Auseinandersetzung zur Folge. Otto hatte das „religiöse Gefühl“ für das „Heilige“ mit transzendentalphilosophischen und phänomenologischen Theorieelementen verbunden und eine für viele Fachkollegen fragwürdige  Kriteriologie dafür entwickelt. Im 1977 erschienenen Sammelband „Die Diskussion um das Heilige“ drückt der herausgebende Religionswissenschaftler Carsten Colpe sein Unbehagen u.a. folgendermaßen: aus1:
„Würde ich gefragt, wie ich … über das Problem selbst schreiben würde, dann hätte ich etwa zu antworten: Herauslösung von Ottos Heiligem aus der Zweideutigkeit zwischen psychologischem und transzendentem Apriori (mit Paus); Einführung einer wieder an Kant orientierten Bedingung der beiden Möglichkeiten: der erkenntnistheoretischen, das Heilige als formales Prinzip der Weltdeutung zu kategorisieren (mit Feigel …) und der ethischen, die Empirie des unfreien Willens innerhalb einer Ontologie des Bösen transzendental zu deduzieren (mit Ricœur …) …“


Das hier vorzustellende Buch, das die beiden Theologen Thorsten Dietz (Ev. Hochschule Tabor in Marburg) und Harald Matern (Universität Basel und Erlangen) herausgegeben haben, stellt das Ergebnis eines Forschungssymposiums zu Rudolf Otto vom Dezember 2010 in Marburg vor. Der Schwerpunkt hat sich hier – wie schon im Vorwort angesprochen – auf die Begründungszusammenhänge religiöser Subjektivität verschoben, und zwar in vierfacher Hinsicht: religionswissenschaftlich, religionsphilosophisch, religionspsychologisch und narrativ-theologisch. Dazu treten exemplarisch die Interpretationen und unmittelbaren Bezüge Ottos zu Martin Luther (1483–1546), Immanuel Kant (1724–1804), Friedrich Schleiermacher (1768–1834), Friedrich Jakob Fries (1743–1843), Nathan Söderblom (1866–1931), Wilhelm Wundt (1832–1920) und Paul Tillich (1886–1965).
Reinhard Kirste
Anm. 1: Carsten Colpe (Hg.): Die Diskussion um das „Heilige“. Wege der Forschung CCCV. Darmstadt 1977, S. XXV