Christentum und Islam – Theologische Verständigungswege

Rz-Heine-christl-islamSusanne Heine / Ömer Özsoy / Christoph Schwöbel / Abdullah Takim (Hg.):
Christen und Muslime im Gespräch.
Eine Verständigung über Kernthemen der Theologie.

Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus  (Random House) 2014, 384 S.,
Zeittafel, ausführliches Register — ISBN 9783579081793 —

Das vorliegende umfangreiche Buch wurde in einem christlich-islamischen Gesprächsprozess von theologischen Fachleuten beider Religionen über mehrere Jahre hin entwickelt.

Das Buch spiegelt die dialogische Zusammenarbeit mit dem Ziel, ein sachgemäßes Verstehen des Anderen anzubahnen sowie Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten im Blick auf Christentum und Islam zu verdeutlichen. Das Profil dieses Bandes zeichnet sich weiterhin dadurch aus, dass dieser Gesprächsprozess unabgeschlossen ist. Dadurch, dass man so intensiv nicht übereinander, nicht nacheinander, sondern miteinander redete, ist m.E. jedoch mehr als eine dialog-theologische Zwischenbilanz zu den “Kernthemen der Theologie“ entstanden. Durch das ausführliche Register gewinnt dieses Buch den Charakter einer Orientierungshilfe, die man/frau immer wieder zu bestimmten Themen und aktuellen Konflikten im Blick auf scheinbar oder anscheinend „typische“ christliche oder islamische Verhaltensweisen oder gesellschaftliche Konflikte gut heranziehen kann.

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Reinhard Kirste,

Rz-Heine-christl-islam, 15.12.14     Creative Commons-Lizenz

Buch des Monats November 2012: Interkulturelle Erweiterung der „Moderne“

Hans Schelkshorn / Jameleddine Ben Abdeljelil (Hg.): Die Moderne im interkulturellen Diskurs. Perspektiven aus dem arabischen, lateinamerikanischen und europäischen Denken.
Göttingen: Velbrück Wissenschaft 2012, 250 S. — ISBN 978-3-942393-33-1

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Schon unter den Bedingungen des Kolonialismus entwickelten sich im 19. Jahrhundert in Lateinamerika und Asien eigenständige Debatten, „in denen die Herausforderungen der westlichen Zivilisation mit den eigenen kulturellen Traditionen vermittelt“ wurden bzw. in Verbindung gebracht werden sollten. Es ging und geht dabei immer noch darum, ob und wie sich das Denken an veränderte Bedingungen anpassen kann und muss. Diese dortigen Diskurse wurden allerdings in Europa und in Nordamerika lange Zeit kaum wahrgenommen, und Afrika trat überhaupt erst in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ins westliche Blickfeld. Erst die verstärkte Globalisierung änderte hier sowohl Blick- wie Denkrichtung. Der sog. Arabische Frühling ist das aktuellste Zeichen über das Problemfeld „Moderne“ im Kontext von Interkulturalität und zeigt zugleich, wie notwendig ein solches Buch wie das vorliegende ist.
Weil der eurozentristische Blick kulturell weiter die Runde macht, halten die Autoren einer solch einseitigen Wahrnehmung eine Konzentrierung auf den arabischen und lateinamerikanischen Raum entgegen – Gegendiskurse, die aus der Begegnung eigenständigen indigener Weisheit und entsprechender Denktraditionen entstehen. Die aufgezwungenen (post-)kolonialen Strukturen in diesen Ländern haben die durch den „Westen“ bedrohten Kulturen in einen Überlebenskampf gezwungen. Diese Auseinandersetzung eröffnet jedoch zugleich Sehweisen, auf die die europäische Moderne reagieren muss. Dies kann nur sinnvoll auf der Ebene der Gleichwertigkeit geschehen. Im Grunde müsste in der Fortsetzung dieser Diskussion noch Asien insgesamt und das Afrika südlich der Sahara mit einbezogen werden.

Reinhard Kirste

Rz-Schelkshorn-Moderne, 31.10.12

Innerislamische Kontroversen um Koexistenz und Gewalt

Zusammenfassende Rezension   
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Tilman Seidensticker (Hg.): Zeitgenössische islamische Positionen zu Koexistenz und Gewalt.
Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 2011; VIII, 184 S., Index der modernen muslimischen Denker
ISBN 978-3-447-06534-4

Das Wort „Islam“ verbindet sich für viele mit „Gewalt“. Sich auf den Islam berufende Terroristen rechtfertigen ihr Tun damit, dass sie behaupten, diese Gewalttätigkeiten seien von der islamischen Tradition her gerechtfertigt. Allerdings richtet sich die Gewalt nicht nur gegen „Ungläubige“, sondern vielfach auch gegen Muslime selbst. Nun gibt es durchaus Gewalt befürwortende und Gewalt ablehnende Richtungen innerhalb der islamischen Welt. Der Jenaer Arabist und Islamwissenschaftler Tilman Seidensticker hat nun mit einer Reihe von Fachleuten (überwiegend der jüngeren Wissenschaftler-Generation) diese „Islamischen Kontroversen über Berechtigung von Gewalt“ genauer untersucht.

Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September in den USA und am Beginn des „arabischen Frühlings“ stellt sich die Frage nach der möglichen Zwangsmentalität einer Religion besonders intensiv. Es lässt sich ja kaum vorhersagen, welche Entwicklungen in der islamischen Welt insgesamt dominieren werden. Die dogmatisch auftretenden Fundamentalisten fordern eine Rückkehr zu den Regeln und Statuten der Urgemeinde, wohlgemerkt, wie sie diese verstehen. Die Konsequenz ist oft genug, dass sie ihr Verständnis auf konfliktreiche Art und gegen alles „Westliche“ in die Gegenwart zu übertragen versuchen. Andersdenkende werden als Häretiker oder Ungläubige diffamiert. Aber das ist nur die eine Seite, wenn man einmal genauer die innerislamischen Kontroversen betrachtet.
Es geht grundsätzlich um die Spannung zwischen Toleranz und Gewalt, zwischen Verteidigung von islamischen Errungenschaften und Kampfansage an die Ungläubigen, die in den unterschiedlichen Auslegungen von djihadzum Ausdruck kommen, nämlich (Mariella Ourghi, Freiburg). Das Absolutheitsdenken scheint in diesem Zusammenhang eine wesentliche Positionsverschärfung mitzubringen: Monopolanspruch auf das Paradies (so Johanna Pink, Berlin). Dagegen stehen flexiblere und Dialog offene Haltungen wie die von Said Nursi (1876 [?]–1960, kurdischer Herkunft, Türkei) und Mahmud Taha (1909 /1911–1985, Sudan), bis hin zur sog. Mardin-Intiative muslimischer Intellektueller von 2010. Die Djihad-Doktrin zwischen gewaltsamem Vorgehen gegen Ungläubige und Verteidigung des (wahren) Glaubens braucht also eine dringende Neubesinnung, um den Terrorismus gegen sog. falsche Muslime und „westliche Ungläubige“ auszubremsen. Hermeneutischen Monopolansprüchen bei der aktualisierenden Auslegung der Prophetentradition, der Hadithe, muss darum ein Riegel vorgeschoben werden. Selbst innerhalb des islamistischen Spektrums gibt es inzwischen eine wachsende Ablehnungsfront gegen extreme, sich auf den Koran und die Prophetentradition berufende Gewaltbereitschaft (Rotraud Wielandt, Bamberg). Die Frage bleibt allerdings, ob es eine neue Hermeneutik gegen islamistische Gewalt aus der derzeitigen religiösen Gemengelage heraus geben wird. Die extreme Spannbreite der Djihad-Verständnisse zwischen rückwärts gewandter Veränderung und liberaler Reform hat bekannte Namen an den jeweiligen „Eckpunkten“. Sie reichen von al-Maududi über Sayyid Qutb bis zu Fazlur Rahman und Mahmoud Taha.
Dieser Sammelband gibt differenzierende Einführungen in zeitgenössische Kontroversen zum Thema „Gewalt“. Er ist für alle empfehlenswert, die als aufmerksame Zeitgenossen die innerislamisch-theologischen, islamistischen und gesellschaftspolitischen Bewegungen besser verstehen wollen. Da das Spektrum dieser Debatte noch wesentlich größer ist, als in dieser Zusammenstellung angezeigt werden konnte, wäre sicher ein Fortsetzungsband sinnvoll.
Reinhard Kirste

Mohammed Arkoun – für ein erneuertes Verständnis des Islam


Der im September 2010 verstorbene Islamwissenschaftler Mohamed Arkoun gehört zu den großen modernern Kritikern für eine erneuerte Islamwissenschaft auf der Basis der Vernunft. 
Die Islamwissenschaftlerin Ursula Günther hat mit ihrer Dissertation auf die Notwendigkeit der Auseinandersetzung der deutschen orienatlistik mit Arkouns Thesen aufmerksam gemacht:
Mohamed Arkoun – Ein moderner Kritiker der islamischen Vernunft.
Im Internet-Portal Babelmed (02.01.2012) beschreibt Yassin Temlali die „doppelte Kritik“ von M. Arkoun im Dienste einer erneuerten Islamologie, besonders die Tatsache, dass Arkoun eine Rehabilitation der Heterodoxien im Islam vorgenommen hat:
In Deutsch erschien:
Der Islam. Annäherung an eine Religion.
Heidelberg: Palmyra 1999
Französisches Original: Ouvertures sur l’Islam. Paris: Grancher 1989