Kirche: KLEINER – LANGSAMER – NÄHER

Wir brauchen keine Kirche nach dem Motto: „schneller, größer, weiter“, sondern: „kleiner, langsamer, näher“ (sinngemäß Klaus Douglass nach der Midi-Studie, was Menschen in der Corona-Krise brauchen, s. Link). Und dass wir auf die tatsächlichen kleinen Fragen des Alltags eingehen müssen. (guter Podcast mit K.Douglass https://open.spotify.com/episode/5TeEttHrAyA1YcdefMSE2O?si=4faf73baaa6d4b4b)

Midi-Studie: https://www.mi-di.de/media/pages/corona-studie/5e4a9c888f-1637318721/midi_studie_lebensgefuhl_corona.pdf


Meine persönlichen Erfahrungen dazu

Foto: Canva

1. Ich gehe regelmäßig ins Fitnessstudio. Dort treffe ich oft einen Muckiman, ich meine so richtig heftig! Wir grüßen uns freundlich, mehr nicht. Er hat meistens Ohrenstöpsel drin und hört 80er-Mucke. Neulich aber kam er auf mich zu, ich war gerade am Rudern. Er hatte seine Ohrenstöpsel schon draußen. Da fragte er mich: „Kannst du mich beerdigen!“ Ich war erstmal baff. Sagte dann: „Ja im Prinzip schon, aber muss ich mir Sorgen machen?“ Er wiegelte ab, „ne, ne… nur so…“. Aber es müsse in einem Friedwald sein. Ich erklärte ihm dann, dass das kein Problem sei und dass ich die Atmosphäre da auch toll fände. Dann habe ich zurückgefragt, ob er denn in der Kirche sei. Er verneinte dies, sei früher mal katholisch gewesen. Dann habe ich ihm gesagt, dass dies eine Gewissensentscheidung von mir wäre. Und dass ich Trauerfeiern sowieso hauptsächlich für die Angehörigen machen würde. Und dass ich dann im Friedwald seine Angehörigen auch erstmal jede/n 20 Liegestützen machen lassen würde… Er sagte dann (lächelnd): 30! …usw. nach maximal fünf Minuten sind wir beide wieder an unsere Folterinstrumente zurückgegangen.
Einige Wochen später in der Umkleide pöbelte ich ihn freundlich spaßig an, ob er eigentlich zu viel Kraft hätte: Die Türe zur Sauna sei schon wieder kaputt!… Er sagte: „alles Schrott!“ und dann: dass er mich mit meinem Labrador gesehen hätte. Und er meinte: „Für mich ist der Wald meine Kirche“. Ein kurzer Austausch folgte, welche Vorteile der Wald gegenüber einer Kirche habe.
KLEINER – LANGSAMER – NÄHER? Der Muckiman erlebte Kirche in der Begegnung mit mir anders.

Foto: Canva

2. Seit 3 Jahren treffe ich immer wieder beim Spielen mit meinem Hund auf der Segelflugplatzwiese viele andere Hunde und ihre Besitzer*innen. Es gab so manche religiösen Gespräche, viel Kritik an der Kirche, manche Frage, viel Ablehnung. Ein junger Mann (Bademeister von Beruf) erzählte mir von einem religiösen Erlebnis, er hätte Jesus gesehen. Keine Vision, ganz real. Er wisse aber nicht so sicher, ob das eine Wahnvorstellung gewesen sein könnte, denn er hätte in dieser Zeit immer wieder leichte Drogen genommen. Puh, was soll man da sagen? Einige Tage später meinte er, dass es da draußen sicher Außerirdische geben würde, und die lachen sich sicher über uns kaputt… Ich fragte dann: Amüsierst du dich auch ab und zu über uns Menschlein? Wir überlegten, ob Gott eigentlich über uns lacht? KLEINER – LANGSAMER – NÄHER? Der Bademeister erlebt Kirche in der Begegnung mit mir anders.

Foto: Privat

3. Andere Hundebesitzer (ein Paar, er Truckerfahrer, sie Krankenpflegerin ) fragten mich nach unzähligen Morgenspaziergängen: „Kannst du uns verheiraten? Aber hier auf der Hundewiese! … mit allen Hunden.“ Ich willigte ein und habe nachgefragt, was ihnen wichtig sei an einem „kirchlichen Ritual“, welche Rolle die Hunde hätten usw. KLEINER – LANGSAMER – NÄHER? Kirche auf der Hundewiese.

4. In einer Videokonferenz zu einem Film zeigte sich bei den meisten Teilnehmenden ein biblischer Analphabetismus, gepaart jedoch mit einem großen Interesse diesen Film auch auf der religiösen Ebene zu deuten. Die Regisseurin und Autorin, Connie Walther, (Film: „Die Rüden“) war dabei. Als ich eine Filmszene religiös auf dem Hintergrund der alttestamentlichen Geschichte von Jakobs Kampf am Jabbok (Genesis 32) deutete, sagte Connie Walter: „Die wenigsten Menschen, die den Film gesehen hätten, entdecken diese religiösen Bezüge.“ Sie meinte dann, dass die Geschichte für viele Deutungen offen sei, dass sie selbst besonders die Auslegung von Drewermann spannend fände. Sie erzählte dann noch den Insider, dass das Rauschen des Wassers, das man am Ende des Films hört, als die Hundetrainerin die (platonische) Höhle der Schatten / Gefängnis verlässt, dass dieses Rauschen das Rauschen des tatsächlichen Flusses Jabbok bei Israel sei. Sie wäre dort gewesen und hätte das Rauschen dort aufgenommen. Andere religiöse Elemente: Gliederung des Films in 6 Tage, wie die Schöpfungstage; einer der Gefangenen heißt Adam, die Hundetrainerin heißt Feuerbach…. KLEINER – LANGSAMER – NÄHER? Da fand also unverhofft eine Art Religionsunterricht in einer Online-Filmbesprechung statt.

Foto: Canva

5. Im Volleyball treffen wir uns, um Volleyball zu spielen. Auf meinem blauen Trikot seht mein Spielername: „Pastorix“. Als wir sie angeschafft haben, gaben wir uns alle Asterix-Namen. An den Abenden ist wenig Gelegenheit zum Reden und wenn, dann ist es eher ein Rumgeschreie… Neulich aber vertraute mir eine Spielerin ihr Leid an. Sehr bewegend. Es ging um ihre Kinder. Seelsorge in 3 Minuten? KLEINER – LANGSAMER – NÄHER? Es war nicht mehr und nicht weniger als anteilnehmendes Zuhören.

Hartmut Friebolin, Februar 2022

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