Ist etwas wahr, weil es schön ist?

Natürlich meine ich mit dieser Frage nicht, dass schöne Menschen eher die Wahrheit sagen. Es geht mir vielmehr um die Frage, ob eine Erkenntnis oder Einsicht, die ich habe, ob die Wahrheit dieser Einsicht auch „messbar“ ist an dem Kriterium der Schönheit. Also, ob sie wahr ist, weil sie schön ist.
In der Kunst sind Wahrheit und Schönheit subjektiv und liegen im Auge des Betrachters. In der Wissenschaft jedoch ist die Natur das Kriterium der Wahrheit (und der Gesetzmäßigkeiten). Trotzdem war und ist für viele Forscher Schönheit ein wichtiges Motiv bei ihrer Suche nach Wahrheit. Ich weiß noch, als vor vielen Jahren mein Vater (physikalischer Chemiker) fasziniert erzählte, wie er mithilfe einer spektroskopischen Methode die wunderbaren Strukturen von Molekülen anschaubar machen konnte.

Aber meine Frage geht ja noch einen Schritt weiter, nicht nur als Antrieb für die Suche, sondern als Kriterium? Es gibt eine kleine Schrift von Heisenberg über die Schönheit der Zahlen. Und Heisenberg ist es, der auf Einsteins Frage, warum er glaube, dass die Quantenmechanik richtig sei, antwortete: „Wenn man durch die Natur auf mathematische Formen von großer Einfachheit und Schönheit geführt wird…, so kann man eben nicht umhin zu glauben, dass sie , wahr‘ sind.“
Hier haben wir die Verbindung von Schönheit und Wahrheit. Oder: Zu schön, um nicht wahr zu sein – so verteidigte Einstein einmal seine Allgemeine Relativitätstheorie.
Schönheit führt uns also manchmal (oft?) zur Wahrheit (als Antrieb und ein Kriterium). Wir sollten uns aber nicht von ihr verführen lassen. Wahrheit kann kompliziert sein, selten ist sie simpel. Und die Natur ist komplex. Schönheit, Harmonie, Einfachheit, Symmetrie und Ordnung sind nur unsere Abbilder der Realität, nicht die Realität selbst.
Wir lassen uns gerne begeistern durch Überraschendes oder durch Einheit in der Vielfalt. Unser Schönheitssinn sowohl in den Künsten als auch in den Wissenschaften reagiert zudem oft auf Klarheit, manchmal auf Einfachheit, dann wieder auf Sparsamkeit, bisweilen auf Rätselhaftigkeit, zuweilen auf sinnenfrohe Pracht und – gerade in der Physik – besonders stark auf Symmetrie.

Schönheit bei Gott
– Für Gott vermute ich (mit Martin Luther in seiner Heidelberger Disputation 1518) eine kreative Liebe, die sich den Gegenstand ihrer Liebe schön macht (nicht „schönredet“). [„Die Liebe Gottes findet nicht vor, sondern schafft sich, was sie liebt. Die Liebe des Menschen entsteht nur an dem, was sie liebenswert findet.“ aus These 28]
– Gott, der Schöpfer und kontinuierlich in, mit und unter unserer Wirklichkeit Schaffende, für ihn ist „schön“ (Genesis 1, 31: war sehr „gut“ – im Hebräischen heißt das Wort auch „schön“), was er macht.
– Von der Geistkraft heißt es, dass sie uns „in die Wahrheit führt“ (Joh 16, 13) – und dafür alles gebrauchen kann: das Schöne und das Schwere.

Was könnte das alles für mich persönlich bedeuten?
Ich will meine Antennen etwas feiner stellen für die Schönheit. Gegen die Abstumpfung durch das Künstliche, gegen den Kitsch (= das Schöne ohne Arbeit). Auch für die innere Schönheit. Ich will keine Perfektion. Das Makellose ist gerade nicht schön. (In der Architektur des „Bauhauses“ galt das Gestaltungsprinzip: Symmetrie plus eine kleine Abweichung.) Vielleicht beißt sich gerade hier mein Empfinden für Schönheit mit der Faszination eines Heisenbergs oder Einsteins, für die die Schönheit in der Makellosigkeit einer Gesetzmäßigkeit oder eines Theorems aufleuchtete.
Gott selbst ist nicht perfekt – aber er ist voller Gnade, die Liebe selbst, Schönheit an sich.

Benutzte Literatur:
„Forschung und Lehre“ 2018 und 2019
https://www.forschung-und-lehre.de/

Spannend zum Thema auch die Ringvorlesung der Uni Heidelberg zu „Structures“
https://youtube.com/playlist?list=PLuRaSnb3n4kTHKFsd1sJeUf87XreNXriW

Gefrierende Blase bei minus 12 Grad von Insta:  @earthfervor

Über Reli2go

siehe Blog "Über mich"
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