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Jüdischer Religionsunterricht in Deutschland

Bruno Landthaler

Es ist (noch) selbstverständlich, dass es in Deutschland christlichen Religionsunterricht gibt. Dass neben dem islamischen nun auch verstärkt der jüdische Religionsunterricht als reguläres Unterrichtsfach gibt, haben einige Länder, in denen Kerncurricula für jüdische Religionslehre erstellt worden sind, wie in Hessen, Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg ermöglicht.

Es ist klar, dass es rein statistisch kein dringliches Bedürfnis für diese Anerkennung gibt. Die Anzahl der in jüdischen Gemeinden Organisierten und insbesondere die Anzahl derer Kinder wuchs – trotz Einwanderung durch die Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion – keineswegs in schwindelerregende Höhen. Betrachtet man die Schülerinnen und Schüler, die an jüdischem Religionsunterricht an Schulen in staatlicher Trägerschaft teilnehmen, so sprechen wir im Schuljahr 2017/18 von bundesweit 337 (!) Schülern und Schülerinnen.[1]

Gleichwohl ist die Anerkennung der jüdischen Religionslehre als ordentliches Schulfach in verschiedener Hinsicht ein wichtiges Signal:

Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte wird das Judentum im Rahmen von Schule wahrgenommen. Spätestens damit bringt Deutschland zum Ausdruck, dass es kein christlicher Staat mehr ist, obwohl er formal schon lange säkular begründet ist. Das bedeutet für den Religionsunterricht, dass der Staat die Funktion und Relevanz der Religion für die Gesellschaft gleichberechtigt an mehrere Religionen überantwortet. Christentum, Judentum und Islam rücken auf diese Weise zusammen und sind auf die Kommunikation untereinander angewiesen. Das hat für die verschiedenen Religionen unterschiedliche Folgen:

Für das Judentum (und den Islam) ist dieser Aspekt besonders wichtig, da nun auch zum Ausdruck kommt, dass auch sie für eine säkulare Gesellschaft einen „epistemischen Anspruch“ (J. Habermas) formulieren können und damit Teil dieser Gesellschaft sind. Für die christlichen Religionspädagogiken wird auf der anderen Seite ebenfalls deutlich, dass sie im Kampf gegen die schulische Marginalisierung nicht alleine stehen, sofern sie von ihrer faktischen Monopolstellung Abstand nehmen und die nichtchristlichen Religionsunterrichte ernst nehmen.

Allerdings dürften gerade hier noch die Schwierigkeiten liegen, dass die christlichen Religionspädagogiken genau diesen Schritt zur Entmonopolisierung der Religion auch konsequent gehen und zum Beispiel danach fragen, welche Kompetenzen die nichtchristlichen Religionen für eine säkulare Gesellschaft aufgrund ihres eigenen Religionsverständnisses bereithalten. Würde dies ernstgenommen, dann würde man nicht verstärkt nach jüdischem Lehrpersonal an christlich-theologischen Fakultäten rufen, um den Antisemitismus abzubauen, sondern dann würde man darauf achten, dass jüdische und islamische Religionspädagogiken den Schritt in die Selbstständigkeiten auch gehen können. Nur so können nämlich nichtchristliche Religionsunterrichte als Scharnier zwischen Gesellschaft und Religionsgemeinschaft fungieren.


[1] https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Statistik/Dokumentationen/AW_Religionsunterricht_II_2017_18. pdf. In diesen Zahlen sind die SuS, die jüdische Schulen besuchen, nicht enthalten.

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Ich danke Bruno Landthaler für diesen Gastbeitrag. Der Artikel erschien auch im Magazin für Religionspädagogik, Oldenburg, 1/2020. M. S.

Literaturhinweise:

Elisa Klapheck, Bruno Landthaler, Rosa Rappoport, Deutschland braucht jüdischen Religionsunterricht, Machloket/Streitschriften Bd. 4, Berlin 2019, 80 S., ISBN: 978-3-95565-342-2  [ https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2019/11/14/juedischer-religionsunterricht/ ]


Landthaler, Bruno; Liss, Hanna: Wie das Judentum mit der Tora lebt. Weisung von ganz oben. Kopiervorlagen; Reihe: Grundlagentexte der Religionen; Cornelsen: Scriptor 2018
978-3-589-16111-9  [ https://blogs.rpi-virtuell.de/buchempfehlungen/2018/05/28/aus-erster-hand-das-judentum-im-religionsunterricht/ ]


Hanna Liss, Bruno Landthaler: Erzähl es deinen Kindern. Die Torah in fünf Bänden. Bd. 1–5. Berlin, Arielle-Verlag, 2014-2016

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