Unbekannter Balkan?

Die Universität Graz hat sich mit einer Vorlesungsreihe im Wintersemester 2009/2010 intensiv darum bemüht, die Wissensdefizite im Blick auf den Balkan zu reduzieren. Die Beiträge beleuchten den Wandel der südostauropäsichen Gesellschaften in ihrer religiösen und kulturellen Vielfalt. Der Balkan als wesentlicher Teil Europas muss stärker in das allgemeine Interesse rücken.

Basilius J. Groen / Saskia Löser (Hg.):
Der Balkan. Religion, Gesellschaft, Kultur
Theologie im kulturellen Dialog 21.
Innsbruck: Tyrolia 2011
— Rezension hier —

Eine andere Theologie ist möglich – Juan José Tamayo

Der  Theologe J.J. Tamayo (geb. 1946) ist eine der bekanntesten katholischen Intellektuellen, die sich im Rahmen gesellschaftlicher Veränderungsforderungen für die Versöhnung der Religionen stark machen und für eine grundlegende Reform der katholischen Kirche eintreten.
Er hat den Lehrstuhl für Theologie und Religionswissenschaft an der (staatlichen) Universität Carlos III in Madrid inne und lehrt ebenfalls am Lehrstuhl der Drei Religionen (Cátedra de Tres Religiones) an der Universität Valencia.

Tamayos Vortrag „Abenteuer eines Gewissens“ im Rahmen einer Gedenkveranstaltung zum 100. Geburtstag des kirchenkritischen Theologen José María Díez-Alegría SJ (22.10.1911 – 25.06.2010)  wirft ein bezeichnendes Licht auf das jüngste Buch von Tamayo: Otra teología es posible – eine andere Theologie ist möglich (Barcelona: Herder 2011):
Das gilt für die Religionen insgesamt sowie ihre Lehren, ihre Spiritualität, Ethik und Politik. Die christliche Theologie muss angesichts der neuen Entwicklungen, eines neuen Paradigmas,  ihre dogmatischen Engstirnigkeiten beseitigen, indem die Theologie der Befreiung, die feministische Theologie und die Theologie des religiösen Pluralismus für das 21. Jahrhundert fortgeschrieben werden.
Eine künftige Theologie kann sich nicht mehr nur auf eine Religion und eine Kultur beziehen. das hat Folgen für die eigene religiöse Identität, aber auch für die religiösen Institutionen. Die Vielfalt der einen Welt nötigt zur Erneuerung, zu der folgende „Schlüssel“ gehören:  „Interidentität, Interspiritualität, Inter-Befreiung und feministische Spiritualität.“ Diese sind antiimperial,  die Marginalisierten werden in solches Denken udn Handeln bewusst mit einbezoge, und es gibt eine unmittelbare Verbindung mit den Nicht-Glaubenden
Vgl. die Rezension in WebIslam.com (15.10.11, in spanischer Sprache)

Wie dezidiert und präzise J.J. Tamayo seine Religionskritik ansetzt, macht bereits das kleine Büchlein deutlich:
Desde la heterodoxía. Reflexiones sobre laicismo, política y religión
(Ediciones del Laberinto 2006). Die Verbindung von Gesellshaftskritik und Kirchenkritik zeigt sich in einer Reihe von Beiträgen, die Tamayo u.a. in der liberalen Tageszeitung
El País
veröffentlicht. Sie sind mit anderen Artikeln nachzulesen unter:
 J.J. Tamayo im Portal ATRIO (in spanischer Sprache)

 

Nicht nur Lateinamerika: Religiöser Pluralismus und Option für die Armen – José María Vigil

1.  Religiöser Pluralismus in Lateinamerika
Der in Panama lebende Theologe und Claretinerpater
José María Vigil hat mit seinem Buch:
Teología Teología des pluralismo religioso
(Quito/ Ecuador: Abyayala 2005)
erhebliches Aufsehen erregt.
— Rezension hier —
Downloads der spanischen Ausgabe als PDF-Datei:
—  Portal ATRIO
— Library.nu (mit kostenloser Registrierung)

Die im Buch zur Sprache kommende theologische Tendenz hat den Vatikan beunruhigt, denn hier werden die Option für die Armen aus der „Theologie der Befreiung“ und Ansätze einer religionspluralistischen Theologie konsequent zusammengedacht. Gerade diese Konvergenzen  machen Vigils Buch in dialogischer Weise bisher einzigartig.
Darin kommt auch die Kooperation mit EATWOT  zum Ausdruck, der Ökumenischen Assoziation der Dritte Welt-Theologen (Ecumenical Association of Third World Theologians). J.M. Vigil ist der Koordinator deren Theologischer Kommission.

Mehr zu den inhaltlichen Zielrichtungen und Vorschlägen:
— Materialheft der EATWOT-Kommission zu einem Seminar als Teil des Weltsozialforum in Dakar (Februar 2011)
Vgl. auch: Theological Journal of EATWOT, „
— VOICES“. Ausgabe Nr. 02/2011 enthält alle Beiträge von EATWOT zum Weltforum über Theologie und Befreiung
und besonders:
Vorschlag von EATWOT: „For a Theological Agenda at Planetary Level“.

2.  Übersetzungen von „Teología del pluralismo religioso“
— a)  Der Tyrolia-Verlag Innsbruck bereitet eine deutschsprachige Ausgabe des Vigil-Buches vor, die im Frühjahr 2012 erscheinen soll. So wird auch dem deutschsprachigen Leserpublikum der innere Zusammenhang von religiösem Pluralismus und lateinamerikanischer Befreiungstheologie  deutlicher gemacht werden können.

— b) Schon seit einiger Zeit ist die englische Ausgabe auf dem Markt:  Theology of Religious Pluralism  Towards a pluralistic re-reading of Christianity (LIT-Verlag Münster 2008).
Diese Fassung hat einige Änderungen gegenüber dem spanischen Original erfahren. So sind leider zwei Kapitel (wegen mangelnder Übersetzungszuschüsse!) herausgenommen worden
(Vgl. Kommentar zur englischen Ausgabe).
Der amerikanische Theologe Paul Knitter (USA) schrieb im Vorwort: «Vigil’s book is an “unicum.” It provides a broad perspectival review and assessment of various Christian approaches to other religions is not anything new. What is definitely and encouragingly new is that it does so from the perspective of the experience of Latin American Christians, which means in the framework of liberation theology».
Das Nachwort stammt von Andrés Torres Queiruga (Spanien).

Weitere Übersetzungen:
— c) Italienische Ausgabe im Verlag Borla, Rom: hier
— d) Portugiesische Ausgabe im Paulus-Verlag, São Paulo: hier

3.  Der größere Zusammenhang von Theologie des religiösen Pluralismus
und Theologie der Befreiung
José María Vigil gehört übrigens zu einer größeren Gruppe lateinamerikanischer Theologen, die sich intensiv für eine pluralistische Theologie der Befreiung im Kontext der Option für die Armen einsetzen und kostenlose Zugänge zu wichtigen Büchern und Materialien ermöglichen.
Mehr unter der von J.M. Vigil mitbetreuten Webseite: Servicios Koinonia. Sie enthält die älteste digitale Zeitschrift in Lateinamerika (seit 1993):
RELaT = Revista Electrónica Latinoamericana de Teología
Dieser „Service“ betreut auch eine digitale Bibliothek , die auf die Theologie der Befreiung spezialisiert ist und nun auch die Theologie des religiösen Pluralismus mit einbezieht.

Vgl.  dazu auch die Beiträge:

4.  Die Buchreihe „Along the Many Paths of God“
Mit ihrem Koordinator J.M. Vigil beschloss die lateinamerikanische Kommission von EATWOT (Ecumenical Association of Third World Theologians) bereits auf ihrer Generalversammlung 2001 in Quito (Ecuador), dass sich die Befreiungstheologie und die Theologie des religiösen Pluralismus gegenseitig befruchten sollen (cross-fertilize). Dazu soll eine pluralistische Theologie der Befreiung ausgearbeitet werden. Damit würde eine Theologie des religiösen Pluralismus entstehen, die zugleich Befreiungstheologie wäre.
Das Projekt bezieht mehr als 70 Theologen mit ein, in dessen Rahmen eine Reihe von fünf Büchern herausgebracht wurden. Hier werden diese Überlegungen sorgfältig weiter ausgeführt.
Diese Buchreihe ist in Spanisch, Portugiesisch und Italienisch veröffentlicht worden und kann bei Tiempo Axial eingesehen werden.

Als Printausgabe erschien auch der letzte Band:
Toward A Planetary Theology. Along the Many Paths of God.
Montreal, Kanada: Dunamis Publishers 2010, 197 S.
Hier plädieren international bekannte Theologen für eine Grenzen überschreitende Theologie.
— Als PDF-Download hier —
— Rezension hier —

 

Buch des Monats November 2011: Übergänge – Annäherungen an das eigene Sterben

Mit diesem Titel haben zwei Fachleute von der Ev. Fachhochschule Hannover einen Band  mit kompetenten AutorInnen zusammengestellt. So werden die verschiedenen Aspekte von Sterben, Tod, Trauer und dem „Danach“ umfassend und dennoch sehr persönlich aufgenommen. Dieses Buch ist keine allgemeine Einleitung in die Kunst des Sterbens, sondern die Stellungnahmen der Fachleute aus Theologie, Psychologie und Medizin sind  von authentischer Positionsbeschreibung geprägt.
Christiane Burbach / Friedrich Heckmann (Hg.):
Übergänge
Annäherungen an das eigene Sterben
Göttingen: V & R 2011

— Verlagsinformation mit Inhaltsverzeichnis und Leseprobe
— Rezension hier —

Weiteres zu Sterben, Tod und Trauer: hier 
                                                     

Gute Orientierung und persönliche Hilfestellung bieten besonders:                                                  
— Fritz Roth: Das letzte Hemd ist bunt
— Susanne Bleymüller: Mein Trauerjahr


Sterbekultur und Trauerbegleitung

Fritz Roth gehört mit seiner Trauerakademie zu den Pioniereen einer veränderten Bestattungskultur. Indem er die Auseiandersetzung mit dem Tod zur Lebensorientierung empfiehlt, fordert er zu einer neuen Sterbe- und Trauerkultur heraus. Mit seiner eigenen Erfahrung,  dem „Haus der menschlichen Begegnung“ und den „Gärten der Bestattung“ setzt er ermutigende Zeichen für einen veränderten Umgang mit dem Tod:

Fritz Roth: Das letzte Hemd ist bunt
Die neue Freiheit in der Sterbekultur
Frankfurt/M.: Campus 2011
— Rezension hier —

Einen Trauerbegleiter für den Alltag und durch das Jahr hindurch, könnte man jenes Notizbuch der besonderen Art nennen, das in verbindung mit Weisheiten aus den verschiedenen Traditionen einlädt, seine eigenen Gedanken in den unterschiedlichen Phasen der Trauer niederzuschreiben:

Susanne Bleymüller (Hg.): Mein Trauerjahr
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2011
— Rezension hier —

Vgl. weitere Titel des Gütersloher Verlagshauses zu den
Themen von Sterben, Tod und Trauer: Übersicht hier

Buch des Monats Oktober 2011: Neuformierung von Religion(en)

Derzeit wird viel und intensiv über die (wachsende) Bedeutung oder die zunehmenden Bedeutungslosigkeit in den westlichen Gesellschaften diskutiert. Unter religionswissenschaftlichen, aber keineswegs abstrahierenden Analysen zeigen die Autoren, dass es nicht nur an der Zeit ist, sondern dringend notwendig ist, die Rolle der Religion(en) in der Gesellschaft neu auszuhandeln:

Martin Baumann / Frank Neubert (Hg.):
Religionspolitik – Öffentlichkeit – Wissenschaft
Studien zur Neuformierung der Religion in der Gegenwart.
CULTuREL 1
Zürich: Pano 2010
— Rezension hier —

Vgl. Weitere Buchbesprechungen aus der INTR°A-Bibliothek  zu:
„Wiederkehr der Religion?“, Religionen in der Moderne, Säkularisierung

Buch des Monats September 2011: Wiederkehr der Religion?

Die Versuche, die veränderten Bedingungenen von Religion und Religiosität in den modernen gleichzeitig religiös-pluralen Gesellschaften, besonders von denen in Europa, zu analysieren und zu bewerten, sind unterschiedlich. Sie werden oft genug von bestimmten religiösen oder a-religiösen Interessen ängstlich oder begeistert gesteuert.  Der Religionswissenschaftler und Soziologe Volkhard Krech von der Ruhruniversität Bochum lässt sich nicht auf Spekulationen ein, sondern analysiert sorgfältig, wie die religiöse Gemengelage zwischen Säkularisierung, Individualisierung und Sakralisierung unter dem Leitmotiv der Kommunikation einzuschätzen ist. So entstand kein Buch für die schnelle Lektüre, aber es lohnt:

Volkhard Krech: Wo bleibt die Religion?
Zur Ambivalenz des Religiösen in der modernen Gesellschaft
Bielefeld: Transcript 2011
— Rezension hier —

Titel mit ähnlicher Thematik, die bereits unter Ein-Sichten besprochen wurden:

 

Interreligiöses Lernen im Kindergarten

Interreligiöses Lernen gehört in einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft zu den Gundmustern der Erziehung. Bisher gibt es zwar einiges an Material zum interkulturellen Lernen im Kindergartenalter, aber wenig zur interreligiösen Erziehung.
Vgl. dazu auch den Beitrag von Jörg Lohrer in rpi-virtuell zu einer bundesweiten Studie der Universität Tübingen
Diese mehrfach schon aufgezeigte didaktische Lücke füllen die beiden Autoren kompetent praxisorientiert auf. Aber nicht nur Erzieher/innen und Eltern können hier  lernen, sondern allen, denen eine solide Wertevermittlung am Herzen liegt:

Carola Fleck / Stephan Leimgruber:
Interreligiöses Lernen in der Kita.
Grundwissen und Arbeitshilfen für Erzieher/innen
Köln: Bildungsverlag EINS 2011
(mit vielen Bildern und Schautafeln)
— Rezension hier —

Praxisbuch zum interreligiösen Lernen – von und mit den Weltreligionen

Angesichts der Globalisierung sind uns die großen Weltreligionen nahe gerückt. Aber eine Religion verstehen lernen, setzt neben der Information praktische Zugänge voraus. Gerade Unterrichtende brauchen didaktische und methodische Möglichkeiten, um die Begegnung mit der eigenen Glaubensweise und den eher fremden Religionen sinnvoll werden zu lassen.  Das vorliegende Buch, an der Schnittstelle von Theorie und Praxis entstanden, dürfte hier vorzügliche Dienste leisten:

Claus Peter Sajak
(unter Mitarbeit von Katrin Gergen-Woll,
Barbara Huber-Rudolf und Jan Woppowa):

Kippa, Kelch, Koran.
Interreligiöses Lernen mit Zeugnissen der Weltreligionen
Ein Praxisbuch
München: Kösel 2010
— Rezension hier —

Buch des Monats August 2011: Der schwierige Umgang mit religiöser Pluralität

Religionen sind angesichts von Globalisierung und religiöser Pluralität herausgefordert, sich auf die erheblichen gesellschaftlichen Veränderungen in der religiösen und weltanschulichen Szenerie einzulassen – bis hin zu den Atheismus-Debatten. Sie haben keine Monopolansprüche mehr und müssen theologisch, ethisch und religionspädagogisch neue Wege finden. Anregungen in Theorie und Praxis gibt das Buch:

Horst F. Rupp / Klaas Huizing (Hg.):
Religion im Plural.
Forum zur Pädagogik und Didaktik der Religion Bd. 3
Würzburg: Königshausen & Neumann 2011
— Rezension hier —