Erzählschule (4): Methodisches zum Erzählen

Jede Menge Entscheidungen

Erst wenn ich für mich selber über die biblische Geschichte nachgedacht habe und entschieden habe, mit welchem Ziel ich sie den Kindern erzählen will, ist die Frage „WIE erzählen?“ an der Reihe.

Phantasiearbeit

Biblische Texte beschreiben oft eher kurz und ohne Ausschmückungen Personen und Situationen. Um sich in die Geschichte hineindenken zu können, empfiehlt es sich, alle Sinne anzuspannen. Ich stelle mir also vor, was es in der Geschichte wahrzunehmen gibt:

 Was höre ich? Vielleicht die Stille der Wüste oder Musik bei einem Fest, Lärm im Vorhof des Tempels, Gespräche, das Blöken von Schafen… ;

Was sehe ich? Vielleicht das kostbare Gewand der Hauptperson, wie die Sonne aufgeht, wie das Wasser in der Mittagssonne glitzert oder wie es allmählich dunkel wird;

Was rieche ich? Vielleicht die Düfte des Basars, das wohlriechende Öl, das Essen auf dem Tisch, das schmutzige Fell der Schafe,  die feuchte Erde im Garten;

Was schmecke ich? Vielleicht den Wüstensand zwischen den Zähnen, den Wein, das Wasser;

Was fühle ich? Vielleicht sengende Hitze, Durst, schmerzende Füße, die Kälte der Nacht…

Nicht alles, was Dir hier einfällt, gehört später in die Erzählung. Mit Phantasie erzählen bedeutet nicht, eine Geschichte auszuschmücken, sondern etwas erlebbar werden zu lassen. Wenn Du frei erzählst, ist es aber sehr günstig, wenn Du Dich innerlich in die Szene versetzen kannst und dann einfach beschreibst, was Du wahrnimmst.

 Der Aufbau der Geschichte

Anfang: Der POZEK – Schlüssel

Der POZEK—Schlüssel ist eine Hilfe zum Erschließen eines Textes. Die Buchstaben stehen für die Informationen, die jede/r Zuhörer/in in einer Erzählung bekommen sollte:

POZEK-Schlüssel

Mindestens die ersten drei Fragen sollten in den ersten Sätzen der Erzählung beantwortet werden.

Den letzten Satz der Erzählung formulieren

Genauso wichtig wie der Anfang der Erzählung ist der Schluss: hier wird gebündelt und zusammengefasst, was Kern oder Ziel der Erzählung ist. Es hat sich als sehr hilfreich erwiesen, zuerst den Schluss der Erzählung zu formulieren. Das Ziel, auf das die Erzählung hinlaufen soll, bleibt so während des Mittelteils immer vor Augen.

 Der Mittelteil

Jede Geschichte hat eine Spannungskurve.  Die „ideale Kurve“ sieht so aus:

Spannungskurve

Wichtig für die Erzählung ist, dass nach dem Höhepunkt, der auch der Höhepunkt der Konzentration der Zuhörenden ist, der Schluss der Erzählung bald kommt.

Manche Geschichten haben zwei oder mehr Höhepunkte, vielleicht weil zwei ursprünglich selbständige Geschichten zusammengewachsen sind. Für die Erzählung, besonders für kleine Kinder, muss ein Höhepunkt ausgewählt, der zweite vernachlässigt werden.

Überhaupt: Du bist beim Aufbau Deiner Erzählung nicht unbedingt an den Aufbau des zugrundeliegenden Bibeltextes gebunden. Der Höhepunkt sollte passen – wo Du startest und wie Du endest, hängt aber von verschiedenen Faktoren ab, z. B. von der Wahl der Perspektive. Wichtig ist nur, dass Du Deinen Entwurf begründen kannst.

Das Ziel der Geschichte soll deutlich werden — aber nur mit erzählerischen Mitteln! Weglassen, was für die Kinder keine Bedeutung hat; betonen, was das Erzählziel verdeutlicht; Erkenntnisse in Dialoge einbauen — aber keine „Moral“ am Schluss!

 Erzählformen und Erzählhilfen

Perspektivisches Erzählen:

In biblischen Geschichten bleibt oft verborgen, aus wessen Sicht etwas erzählt wird. Eine Geschichte kann anschaulicher werden, wenn die Erzählerin in die Rolle einer handelnden oder beobachtenden Figur der Geschichte schlüpft und aus ihrer Sicht erzählt.

Geschichten zur Ursprungssituation/Sozialgeschichte:

Bei vielen Geschichten der Bibel ist es sinnvoll und notwendig, den sozialen, politischen oder religiösen Hintergrund zu beschreiben, um die Geschichte richtig zu verstehen. So kann z. B. von der Situation der Kinder, der Frauen, der Arbeiter, religiöser Gruppen usw. erzählt werden.

Möglichkeiten zur kreatiben Gestaltung der Erzählung findest Du in einem eigenen Blogbeitrag: Erzählideen (hier klicken)

Der Rahmen der Erzählung

Wenn die Erzählung nicht ohnehin in einen größeren Zusammenhang (Gottesdienst, Andacht…) eingebettet ist, braucht sie einen eigenen Rahmen.

Zum üblichen Verlauf gehören:

  1. Eine Anknüpfung an Leben und Erfahrungen der Kinder (vom Ziel her denken!)
  2. Eine Überleitung
  3. Die Erzählung selbst
  4. Eine Vertiefung mit Bezug zu Leben und Erfahrungen der Kinder (wieder vom Ziel her denken!)

Sowohl für die Anknüpfung als auch für die Vertiefung sind viele Methoden und Medien denkbar: Gespräch, Spiel, Rollenspiel, Bilder, Essen, Malen, Basteln…

Auch bei der Vertiefung ist wichtig, dass ein Zusammenhang zur Erfahrungswelt der Kinder hergestellt wird — es geht nicht um ein „Abfragen“ dessen, was Kinder von der Geschichte behalten haben!

 

 

 

 

 (Beitragsbild: Ines Seidel/Flickr.com)

 

 

 

 

2 Gedanken zu „Erzählschule (4): Methodisches zum Erzählen“

  1. Hallo Frau Holzhüter, gehört die fantasievolle Wahrnehmung auch in meine Alf oder sind das meine eigenen Überlegungen?

  2. Hallo Julia,
    gut, dass Du fragst!
    Im Teil „Entscheiden“ wird zwar sehr viel nachgedacht, aber für die Ausarbeitung bleibt davon nicht viel übrig:
    Der erste und der letzte Satz
    und die Auswahl der Erzählmethode mit Begründung,
    evtl. noch Methoden zur Hinführung und Vertiefung mit Begründung (wenn der Rahmen nicht vorgegeben ist, was z. B. bei einer Andacht der Fall wäre).
    Der POZEK-Schlüssel ist für den ersten Satz wichtig. Die Spannungskurve ist in der Durchführung wichtig für die Tabelle. Und Du siehst das ganz richtig: Die Phantasiearbeit ist allein Deine Sache, dazu musst Du nichts aufschreiben. Ich sehe es später der Tabelle an, ob Dein Kopfkino gelungen ist 😉
    Alles klar? Sonst frag ruhig weiter – die anderen danken es Dir.

    Viel Erfolg weiterhin!
    Marion Holzhüter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert