Um mit Kindern angemessen über das schwierige Thema „Sterben und Tod“ sprechen zu können, benötigen wir Fachwissen darüber, wie Kinder die Welt sehen.
Folgende Aspekte können dabei bedeutsam sein:
Egozentrik:
Kinder erleben und deuten die Welt und alles, was sie in dieser Welt entdecken, aus der eigenen Sicht und Perspektive. Wenn sich Erwachsene anderes verhalten als sonst, fragen sie sich z. B. bewusst oder unbewusst nach sich selber und ihren Wirkmöglichkeiten: Habe ich das verursacht? Dabei stellen sie manchmal Zusammenhänge her, die Erwachsene kaum nachvollziehen können.
Magisches Denken:
Kinder können zwischen Phantasie und realer Lebenswelt nicht exakt trennen. Deshalb rechnen sie mit der Wirkungsmacht von Worten oder auch bestimmten Handlungsritualen, so wie sie auch in Märchen und Geschichten begegnen.
Für das Begreifen des Todes ist wichtig: Kinder wünschen manchmal in totaler Verärgerung – auch weil sie nicht wissen, was „Tod“ bedeutet – einem Erwachsenen den Tod. Tritt er dann ein, glauben sie, dass sie selbst ihn durch ihren Wunsch verursacht haben. Folgen sind dann oft Schuldgefühle (siehe auch Egozentrik). Diese werden nicht unbedingt ausgesprochen.
Finales und kausales Weltverständnis:
Kinder fragen mehr final, d. h. nach Sinnzusammenhängen, als kausal. Sie fragen, wofür eine Sache gut ist, und wenn sie nach dem Warum fragen, meinen sie oft das Wozu.
Beispiel: „Warum scheint die Sonne? – Damit ich mich freuen kann!“ Das Kind hat zunächst kein Interesse an einer naturwissenschaftlichen Erklärung für den Sonnenschein.
Auf den Tod bezogen bedeutet das: es gibt zwei Fragen:“Warum ist einer gestorben?“ (kausale Frage) und „Wozu ist einer gestorben?“ (finale Frage).
Wir merken es: die finale Frage stellt vor weit größere Probleme als die kausale Frage. Warum, also woran jemand gestroben ist, lässt sich ggf. beantworten — der Sinn des Todes erschließt sich hingegen schwerer, wenn überhaupt.
Problematisch ist aber vor allem, dass Erwachsene oft weder die kausale noch die finale Frage zu beantworten versuchen, sondern beidem ausweichen.
Wichtig ist es, dass so weit wie möglich kausale Fragen kausal beantwortet werden. Trotzdem bleiben natürlich finale Fragen offen, werden gestellt und müssen ernstgenommen werden. Finale Fragen sind nämlich in der Regel Fragen nach dem Sinnganzen und damit auch weltanschauliche Fragen, theologische Fragen. Um mit Kindern darüber zu reden, brauchen wir keine naturwissenschaftlichen Kenntnisse, sondern Gesprächsführungskunst.
Artifizialismus:
Kinder erleben tagtäglich, dass in ihrer gesamten Umwelt auch die wunderbarsten Dinge von Menschen gemacht/hergestellt sind bzw. wiederhergestellt werden. Sie schließen von daher darauf, dass alle Dinge reparierbar sind, „gemacht“ werden können. Diese Denkweise ist nicht nur bei Kindern zu finden, sondern hält sich manchmal viel länger (wenn Erwachsene z. B. glauben, dass es für jedes medizinische Problem eine medizinische Lösung gibt). Diesem Denkschema entspricht es, dass Kinder bis ca. 10 Jahren nicht an die Endgültigkeit des Todes glauben können. Sie halten den Tod vielmehr für ein relativ langes Durchgangsstadium. Auf irgendeine Weise kommt dann der Verstorbene wieder zurück.
Das wörtliche Verstehen:
Kinder haben zwar sehr viel Sensibilität für Symbole, aber das blumige Umschreiben von Zusammenhängen wird von ihnen trotzdem oft wörtlich verstanden. Solche Versuche, die Wahrheit in schöne Worte zu kleiden, schaffen daher oft Verwirrung.
Bilder: Andrej und Lara