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Geschichten aus dem Koran

Halima Krausen
Susanne von Braunmühl + Andreas Gloy

Geschichten aus dem Qur’an

Beiträge aus dem Pädagogisch-Theologischen Institut der Nordkirche,
Hamburg, 2019, 135 S.
(Bisher nur als Institutsveröffentlichung erschienen)


Wovon erzählt eigentlich der Koran?

Zwar nehmen inzwischen viele Schulmaterialien Bezug auf den Islam, jedoch fehlen weitgehend tiefergehende Einblicke und Bezüge. Dabei wäre das doch besonders für das interreligiöse Gespräch von großer Bedeutung. Mit den „Geschichten aus dem Qur’an“ stoßen die Hamburger Autorinnen und Autoren genau in diese Lücke.
Die 40 Geschichten gewähren Einblick in die Inhalte des Koran. Christliche Leserinnen und Leser entdecken recht viel Vertrautes über Ibrahim, Musa, Yusuf und Isa (Abraham, Moses, Josef und Jesus); aber es hört sich anders an und ist oft anders eingeordnet. Der Koran kennt zwar vieles aus der Bibel, aber er spitzt es neu zu und akzentuiert in die neue Situation hinein. Und das ist die Umgebung von arabischen Polytheisten, von jüdischen Stämmen und christlichen Gruppierungen im arabisch-syrischen Umfeld des 7. Jahrhunderts. Man erfährt auch viel über biblisch nicht bekannte Personen, die im Koran eine Rolle spielen.

  • Um ein gut lesbares Erzählwerk aus den Themen des Koran zu erstellen, bedarf es anspruchsvoller Arbeit. Der prophetische Charakter des Korans drückt sich in vielen kurzen Sprucheinheiten aus. Denn eigentlich ist der Koran von seinem Ursprung her so etwas wie ein „Hörbuch“, er wurde zunächst abschnittsweise mündlich vorgetragen. Nur gelegentlich kommt es im Text zu ausführlichen Erzählungen. Als Beispiel sei hier auf die Sure Yusuf [Josef] 12 verwiesen sowie auf die Sure Maryam [Maria] 19. Letztere erzählt auch von der Geburt Jesu. Der Koran enthält Worte aus zweiundzwanzig Jahren Verkündigung, zunächst in Mekka, später in Medina. Die verkündigten Offenbarungen tauchen in Varianten auf den verschiedenen Ebenen auf und müssen historisch und theologisch verortet werden. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass die Suren nicht chronologisch angeordnet sind. Es bedarf also einer Menge Spezialwissens, um ein Geschichtenbuch dazu zu erstellen!

Allein sechs Erzählungen sind den Abraham-Geschichten gewidmet. Die Geschichten bieten spannende Erzählungen, und sie erreichen auch unsere Gegenwart. Historisches und geographisch-kulturelles Wissen wird eingebettet und auch eine religionspädagogische Ansprechebene für die Schülerinnen und Schüler genutzt. Für den Koran liegt hier ein Erzählmaterial auf sehr gutem Niveau vor, das auch den didaktischen Ansprüchen der Elementarisierung entspricht.

Auszug aus dem großen Wimmelbild zu den Religionen

Die Verknüpfung mit dem „Wimmelbild“ fördert eigenständiges Entdecken des Erzählten und weitet den Blick auf die Religionen der Welt. Hinzu kommen zu jeder Erzählung die interreligiös-didaktischen Hinweise, die den Umgang erweitern. Damit ist das Material auch für christlich orientierte SuS ein großer Gewinn beim Entdecken bekannten wie unbekannten Terrains. Die zugrunde liegenden Koran-Quellentexte sind präzise genannt. Es wird auf vorhandene oder nicht vorhandene Bezüge zur Bibel verwiesen.

Was mir besonders gut gefällt: Es gibt kein Abwägen, besser oder schlechter, auch nicht in Ansätzen. Das Andere kann in seiner Andersartigkeit wahrgenommen werden und bestehen. Das gemeinsame Lernen profitiert davon enorm.

Am Schluss jedoch noch eine schlechte Nachricht: Das Erzählbuch „Geschichten aus dem Qur’an“ ist zur Zeit nicht erhältlich. 1500 Exemplare waren schnell vergriffen… Vielleicht haben die religionspädagogischen Materialstellen der Landeskirchen das Heft inzwischen im Verleih?

Aber die gute Nachricht: Das PTI der Nordkirche plant eine erweiterte Neuauflage in Zusammenarbeit mit dem Friedrich-Verlag. Das kann aber noch bis 2021 dauern. Ist ja auch nicht mehr so ganz lange hin …

Für Hamburg jedoch gilt: Alle Schulen haben das Material 2019 zugeschickt bekommen!

Dr. Manfred Spieß 10.04.2020
Oldenburg
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Zu den Autorinnen und Autoren:

Halima Krausen ist islamische Theologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg. Sie hat jahrzehntelang an der Entwicklung des „Hamburger Religionsunterrichts für alle“ mitgewirkt.
Mehr hier: Wikipedia

Susanne von Braunmühl (Grundschule) und Andreas Gloy (Sekundarstufe I) sind Studienleiter*innen des PTI der Nordkirche am Standort Hamburg.
Mehr hier: PTI Hamburg

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Das kürzlich erschienene Lesebuch
Was Bibel und Koran erzählen. Ein Lesebuch für das interreligiöse Lernen
aus dem Calwer Verlag ist eine perfekte Ergänzung zu diesem Geschichtenbuch!

Lesen Sie mehr dazu in dieser Besprechung

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Wie ist Jesus weiß geworden?

Eine Buchempfehlung von Manfred Spieß

Die Theologin Sarah Vecera beschreibt in diesem Buch sehr deutlich ihre Erfahrungen mit Rassismus in Deutschland. In großer Offenheit berichtet sie viel Persönliches und Biographisches:  z. B. vom Aufwachsen in der protestantisch geprägten Familie der Großeltern im Ruhrgebiet. Im Kindergarten, in der Schule und als Erwachsene musste sie unzählige Male die Frage nach der „Herkunft“ –  „Wo kommst du eigentlich her?“ – beantworten. „Ich hatte schnell heraus, dass die richtige Antwort die Herkunft meines Vaters war“ (21). Ohne dies als Kind so benennen zu können, waren diese Erfahrungen Teil des Alltagsrassismus, dem sie immer wieder begegnete.
In diesem Buch greifen persönliche Berichte und gesellschaftlich/kirchlich orientierte Analysen ineinander. Das berührt mich als Lesenden besonders, denn so werden mir Alltäglichkeiten und vermeintlich harmlose Wendungen bewusst, die bei Betroffenen sehr verletzlich und fortwährend schmerzend wirken. S. Vecera zählt sich zu den „PoC“ – People of Color; keine Zuschreibung von Hautfarben im biologischen Sinn, sondern ein „Sammelbegriff von und für Menschen mit Rassismuserfahrungen aufgrund ethnischer Zuschreibungen“(11).

Der Inhalt des Buches kurz zusammengefasst: die enge Verflochtenheit rassistischer Zuschreibungen und Zumutungen – auch in dem vermeintlich sicheren Hafen „Kirche“ –  wird unter Begriff „Intersektionalität“ erläutert. Die Geschichte und Gegenwart der christlichen Kirchen sind viel enger mit Rassismus verknüpft, als wir bislang dachten. Stichworte dazu: religiöser Monopolanspruch, Kolonisierung und Mission als grausame Geschwister, fortwährender Eurozentrismus der weltweiten Christenheit und schließlich die Erfindung des Rassismus im christlichen Europa sind markante Themen, die von S. Vecera aufgegriffen werden: „Wir müssen in Deutschland Kirchengeschichte neu lernen. Es gab Zeiten, in denen die Kirche zur Erfüllungsgehilfen des Kolonialismus wurde“ (69).
Insbesondere zu diesen Themen kann dieses Buch in Bildungskontexten helfen, das Gesichtsfeld der Wahrnehmung zu verbreitern, denn traditionelle Schulmaterialien sind auf diesem Auge häufig blind oder zumindest unterbemittelt.

Das Thema „Rassismus“ wurde und wird in Deutschland seit Jahrzehnten verdrängt. Allzu lange hat sich bei uns die einschläfernde Auffassung gehalten, dieser sei ja mit Ende des 2. Weltkrieges sozusagen abgeschafft worden – allenfalls wurden früher noch die USA und Südafrika damit in Verbindung gebracht. S. Vecera geht auf diese Situation mit dem Kapitel „Rassismus in Deutschland“ besonders ein und hebt lang Verdrängtes an die Oberfläche. ( Anm 2) Die häufig verwendeten Begriffe wie „Fremdenhass“ oder „Ausländerfeindlichkeit“ werden der Brisanz dieses Problemes nicht gerecht, ja sie verschleiern eher. Denn Rassismus teilt Menschen in angeblich `höherwertig´ und `niedrigwertig´ ein. Darum ist das Gift des Rassismus letztendlich tödlich, wie mörderische Aktionen in Vergangenheit und Gegenwart belegen. Dass die angeblich ´wissenschaftlich´ Einteilung von Menschen in Rassen ein neuzeitliches europäisches Konstrukt ist, wird im Beitrag über „Die Erfindung der Menschenrassen“ S. 71 ff deutlich.

Die weiße Kirche hat in ihrer langen Geschichte vieles bewusst und unbewusst verinnerlicht, das vom grellen Scheinwerferlicht dieses Buches beleuchtet wird. „Was ich schreibe, wird nicht immer angenehm sein. Vielleicht verderbe ich Ihnen sogar das weiße Christkind im Stall von Bethlehem“ (18). Am Beispiel des Jesusbildes und des Gottesbildes in Publikationen wie Kinderbibeln und religionspädagogischen Werken wird offenkundig, dass die weiße Darstellung meist dominiert. Selbst vor christlichen Liedern macht Rassismus nicht halt, wie diverse Beispiele zeigen. „Er steckt in unseren Kirchen wie Asbest in den Wänden“ (115).

Sarah Vecera ist es ein großes Anliegen, für künftige pädagogische Arbeit sehr genau auf diese Spuren zu achten, damit falsche Bilder sich nicht in Kinderköpfen festsetzen können. Dass diese Aufgabe sicherlich der Mühe mehrerer Generationen bedarf, ist einsichtig. Mit diesem Buch ist ein bedeutsamer Anfang gemacht!



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Zum Gedenken an Prof. Dr. Jürgen Lott

10.11.1943 – 13.09.2023

Eine traurige Nachricht:
der Religionspädagoge Prof. Dr. Jürgen Lott, Bremen, ist gestorben. Er hat über mehrere Jahrzehnte u.a. die Ausbildung von Religionslehrkräften an der Universität Bremen geleitet. Die besondere Verflechtung mit Religionswissenschaft prägte seine Arbeit und war für seine Studierenden Attraktion und Innovation zugleich. Am allermeisten wirkte er durch seine freundliche, geduldige und zugewandte Art, auch in der kritischen Diskussion! Der Bremer Religionsunterricht, der bekenntnismäßig nicht gebunden erteilt wird, war ihm stets ein Anliegen, sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Fortentwicklung. Viele Lehrerinnen und Lehrer in Bremen werden sich an Jürgen Lott mit großem Dank erinnern. Mehr als dreißig Jahre durfte ich in Bremen mit ihm zusammenarbeiten. Beruflich und persönlich habe ich ihn sehr schätzen gelernt.
Er ruht jetzt in Frieden!

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Koran und Bibel

Wolfgang Reinbold

Koran und Bibel: Ein synoptisches Textbuch für die Praxis

Vandenhoeck & Ruprecht, 1. Auflage 2022
XXVIII, 940 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-525-63413-4
55.-

Textbuch für die Religionsfamilie:
Juden – Christen – Muslime

Nur wenige Christen lesen den Koran, nur wenige Muslime lesen die Bibel. Diese – wie ich finde – unbefriedigende Feststellung kennzeichnet sicherlich den gegenwärtigen Stand. Für den interreligiösen Dialog ist hier also noch viel ‚Luft nach oben‘. Zwar gibt es schon länger zahlreiche Dialogveranstaltungen zu Christentum und Islam in Deutschland, die sich mit vielen wichtigen Fragen des gesellschaftlichen Umgangs beschäftigen. Auch theologische Grund- und Grenzfragen werden hin und wieder erörtert; hier beteiligen sich in letzter Zeit verstärkt auch verschiedene islamische und jüdische Organisationen und Einzelpersonen.[1] Etliche Kirchengemeinden und Moscheen haben auf lokaler Ebene gute Kontakte zueinander. Einzelne ‚Leuchttürme‘, wie das Haus der Religionen[2] in Hannover und das im Aufbau befindliche House Ofe One [3] in Berlin stärken und festigen auch überregional diese Bemühungen. Mit berechtigter Hoffnung kann man also für die Zukunft eine intensivere Dialogtätigkeit erwarten. Für die schulischen Religionsunterrichte und die multikulturelle Situation in den Schulen sollte in dieser Beziehung auch stärkere Unterstützung stattfinden. Gerade der zunehmende Rassismus gegen Juden und Muslime bedarf des entschiedenen Einsatzes für Menschenrechte und Demokratie.[4]

Das besondere Miteinander von Bibel und Koran ist in der Öffentlichkeit allenfalls diffus, zumeist aber noch gar nicht wahrgenommen worden. Zwar erschien mit „Die Bibel im Koran“ von Karl-Josef Kuschel[5] 2017 ein umfassendes Werk, das viele Überschneidungen aber auch Unterschiede aufzeigt. Noah, Abraham, Joseph, Moses, David, Maria und Jesus erscheinen durch Lektüre im Koran auf spannende Weise in neuem Licht. Das Gespräch zwischen Muslimen und Christen darüber ist aber kaum über Anfänge hinausgekommen. Dass es sich bei Juden, Christen und Muslimen um eine „Religionsfamilie“ handelt, wie Wolfgang Reinbold deutlich konstatiert[6], wird noch längst nicht von vielen so gesehen.

Mit dem synoptischen Textbuch zu Koran und Bibel, das Wolfgang Reinbold vorgelegt hat, erschließen sich nun neue Möglichkeiten. Das umfangreiche Buch stellt die 114 Suren des Koran in der deutschen Übersetzung von Adel Theodor Khoury vor – jeweils in der Mitte der Seite angeordnet. Darunter findet sich die Transliteration der arabischen Verse und die Angabe von weiteren Koranstellen[7]. In den Spalten rechts und links wird der Blick auf inhaltlich verwandte Texte aus der Bibel (sog. „Altes“ und „Neues Testament“) und aus anderen antiken Quellen gelenkt: jüdische Schriften mit prohetisch-apokalyptischen Inhalten, Babylonischer Talmud und Mischna, christliche nichtkanonische Evangelien und Erzählungen über Jesus und Maria.[8] Zahlreiche Verbindungen zu den „Hadithen“, den Erzählungen vom Leben und den Aussprüchen des Propheten Muhammad, werden textlich belegt.
Es zeigt sich ein großer Reichtum an Beziehungen zwischen Bibel und Koran. Wir finden sehr viele Anklänge an die ‚5 Mose-Bücher‘ (Pentateuch), an Psalmen[9] und an prophetische Literatur; Jesaja und Ezechiel ragen bei letzterer besonders hervor. Das synoptische Textbuch bietet diese Parallelen in prägnanten Auszügen an. Wer weiter forschen will, kann aufgrund der Quellenangaben (Quellen und Sekundärliteratur: 927-931) tiefer eindringen.[10] Die synoptische Anordnung in drei Spalten macht die Koransuren (in mittlerer, breiterer Spalte) und die Verweise anschaulich lesbar. Leserinnen und Leser werden eingeladen, auch die anderen Stimmen neben den koranischen Texten anzuhören. Für viele wird es Neuland sein, durch Hadithe Erzählungen über den Prophten Muhammad kennen zu lernen. Dass im syrisch-arabischen Raum der Spätantike zahlreiche christliche Schriften beliebt und im Umlauf waren, obgleich sie nicht im Kanon zu finden waren, wird deutlich. Auch die enge Bezogenheit auf biblische und außerbiblische jüdische Überlieferungen fällt ins Auge.

Wolfgang Reinbold verzichtet ausdrücklich darauf, die angeführten Texte zu kommentieren oder sie historisch einzuordnen. Diese bewusste Zurückhaltung ist verständlich, denn aufgrund der Fülle des Materials wäre ein solches Vorhaben dem Anliegen eines praxisorientierten Textbuches nicht dienlich.[11]

Viele Möglichkeiten des Einsatzes tun sich auf. Bei der Ausbildung von Lehrkräften im schulischen und im kirchlichen Bereich kann das Textbuch Koran und Bibel helfen, die interreligiösen Kenntnisse zu vertiefen. Die traditionelle monokonfessionelle Ausbildung bedarf in dieser Hinsicht – wie inzwischen öfter gefordert – einer fundierten Ausweitung. Im schulischen Religionsunterricht christlicher bzw. islamischer Prägung, oder auch religionsübergreifend (wie in Bremen und Hamburg) können, je nach Situationserfordernis, die Quellentexte dieses Buches eine wichtige Rolle spielen.
Für dialogisch interessierte Menschen aus christlichen und muslimischen Gemeinden bieten sich hier ausgezeichnete Möglichkeiten, neue Entdeckungen zu machen. Und einfach neugierige Menschen, die sich informieren wollen, was im Koran zu lesen ist, erhalten mit diesem Buch eine sehr ansprechende Möglichkeit, ihr Interesse zu befriedigen. Denn, so habe ich festgestellt, fängt man an zu lesen, so steigt die Lust, Seite um Seite weiter zu forschen. Neuland kann so spannend sein!


[1] Hier ist besonders die „Alhambra-Gesellschaft“ mit ihren vielfältigen Aktionen zu nennen. Eine neue jüdisch-islamische Initiative „Schalom Aleikum, Deutschland“ wurde im Jahr 2022 gestartet: https://www.denkfabrik-schalom-aleikum.de/

[2] https://www.haus-der-religionen.de/ . Dr. Wolfgang Reinbold ist 1. Vorsitzender dieses Hauses. Und Professor für Neues Testament an der Universität Göttingen sowie Beauftragter für Kirche und Islam im Haus kirchlicher Dienste der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.

[3] https://house-of-one.org/de

[4] Beispielhaft sei hier verwiesen auf https://www.claim-allianz.de

[5] Karl-Josef Kuschel: Die Bibel im Koran. Grundlagen für das interreligiöse Gespräch, Patmos-Verlag 2017. – Dieses Buch ist eine ideale Ergänzung zum synoptischen Textbuch „Koran und Bibel“. Denn hier werden die religionsgeschichtlichen Zusammenhänge vorgestellt, auf die W. Reinbold im Textbuch ausdrücklich verzichtet.

[6] „Das merkt jeder Leser und jede Leserin sofort, die einmal die Bibel und den Koran nebeneinandergelegt hat“ (937).

[7] Die innerkoranischen Querverweise helfen bei der thematischen Erschließung. Viele Themen werden in verschiedenen Suren, die unterschiedlichen Kontexten zugeordnet werden können, erneut aufgenommen, manchmal dabei auch situationsorientiert modifiziert. Da die Anordnung der 114 Suren im Koran keiner zeitlichen Abfolge der Verkündigung entspricht, sondern meist nach der Länge der Suren sortiert ist, helfen die Querverweise bei der Orientierung.

[8] Register II (917-925) belegt beispielsweise „Apokalypse Abrahams“, „Apokalypse des Mose“, „1. Henoch“, Buch der „Jubiläen“, das „Protevangelium des Jakobus“ und viele andere mehr. Gerade hier zeigt sich die Verflochtenheit der koranischen Verkündigung mit der bewegten Religionswelt der Spätantike, insbesondere im syrischen, byzantinischen und arabischen Raum (Hedschas).

[9] Das Register „Bibel“ (IX – XXVII) weist für Psalmen mehr als 300 Bezüge zu koranischen Versen auf!

[10] Zahlreiche Quellen, besonders zu den außerbiblischen Schriften, sind auch im Internet auffindbar.

[11] Diesbezüglich wird im Vorwort auf das große Projekt „Corpus Coranicum“ verwiesen: https://corpuscoranicum.de/de .Dort wird der Koran Vers für Vers historisch-literarisch untersucht und chronologisch eingeordnet. Bereits jetzt liegen Ausarbeitungen zu vielen Suren im Internet zugänglich vor. Eine Initiatorin des Corpus Coranicum ist Angelika Neuwirth. Ihr Werk „Der Koran als Text der Spätantike“ (1. Aufl. 2010) prägte die Grundlagen dieser religionshistorischen Forschung. „Solche Bücher werden nur alle hundert Jahre geschrieben“, lobt der Religionswissenschaftler Christoph Auffarth in seiner Rezension.

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Die Grundschulbibel

Spuren lesen. Grundschulbibel

Herausgegeben von Hans Burkhardt, Damaris Knapp, Beate Peters

Erarbeitet von Ulrike von Altrock, Hans Burkhardt, Sabine Keppner, Damaris Knapp, Beate Peters

In Zusammenarbeit mit dem Westermann Bildungsmedien Verlag

192 Seiten 1. Auflage 2022, gebunden
Calwer Verlag ISBN 978-3-7668-4534-4
Preis: 19,50 Euro
Prüfpreis 9,75 Euro
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Kinderbibeln gibt es fast ‚wie Sand am Meer‘ , Schulbibeln hingegen deutlich weniger. Die didaktischen Aufgaben bei der Erstellung sind mannigfach: sorgfältige Auswahl der Texte, sprachliche Achtsamkeit, altersgemäßes Anspruchsniveau und didaktisch-methodische Gestaltungsfragen, um nur einige Kriterien zu nennen.

Mit der Grundschulbibel „Spuren lesen“ liegt jetzt ein neues Werk vor. Es kann im Zusammenhang mit dem gleichnamigen Grundschul-Religionsbuch „Spuren Lesen“ aus dem Calwer Verlag genutzt werden, ist jedoch auch völlig unabhängig davon zu verwenden. Jeweils zwei Begleiter führen die Schülerinnen und Schülern (SuS) durch die beiden Bibelteile.

Erster Teil der Bibel – Das Alte Testament

Der Priester Daniel – mit der Erfahrung von Krieg und Babylonischer Gefangenschaft – und seine Enkelin Hanna (10 Jahre) führen in die Geschichten ein; Hanna stellt öfter Rückfragen und Priester Daniel führt die Hauptlinien der Erzählungen in größere Zusammenhänge. Die beiden mischen sich jedoch nicht allzu oft ein, so dass ihr Anteil nicht den Informationsfluss der Erzählungen stört.

Bibeldidaktisch und theologisch ist dieses Vorgehen sinnvoll, denn die Entwicklung der religiösen Leitthemen und Erzählungen Israels hat ihren Ursprung in Babylon. So auch die hymnische Erzählung von der Schöpfung, die Gott gut gemacht hat (Gen 1) Damit beginnt dieser Teil. Die SuS erhalten einen ersten Einblick in Entstehungswege der Bibel; Großvater Daniel und Enkelin Hanna helfen dabei klug mit. Die beiden stehen gewissermaßen stellvertretend für kindertheologisch arbeitende LehrerInnen. Die Aufgabe erledigen sie gut: Fragen stellen; Instruktionen geben; dialogisch Themen entwickeln. So kommt diese Schulbibel ohne jene Elemente aus, die für ältere Schulbibeln typisch waren: Mehrere Aufgaben unter den Texten, Sachinfos als Kleingedrucktes, Lexikon u.a.m.

Kurz weiter zu den Inhalten des AT-Bereichs. Die Geschichten von Abraham, Isaak, Jakob, Josef und Mose nehmen breiten Raum ein. Das ist auch im Hinblick auf die starke Verortung dieser Texte in den meisten Bildungsplänen sehr sinnvoll. Eine Doppelseite enthält kurze Auszüge des Propheten Jesaja, eine weitere den bekannten Text aus Prediger (Kohelet): „Alles hat seine Zeit“. Mit den ausgewählten Psalmversen können im Unterricht Situationen des Dankes an den Schöpfer (z.B. Ps. 8) , des Lobens (z. B. Ps.150), aber auch des Klagens und Weinens einbezogen werden.

Mit diesen Angeboten liegen viele hilfreiche Texte des AT für die Grundschule in didaktisch guter Auswahl und elementarer, kindgemäßer Sprache vor.

Zweiter Teil der Bibel – Das Neue Testament

Zunächst werden die Begleitpersonen vorgestellt. Silas, ein junger Christ aus Griechenland, Theophilus ein christlicher Gelehrter mit Hang zum Sammeln alter Texte aus christlicher Tradition.[1] Er hat soeben das Markus-Evangelium entdeckt; „Das ist die Abschrift von Jesus-Geschichten, die jemand gesammelt hat. Er nennt sich Markus“ (115). Der Einstieg erfolgt dann mit der Passionserzählung des Markus. Das ist ungewöhnlich! Dahinter steht sicherlich die theologische Erkenntnis, dass das Leiden und der Tod Jesu Intitialpunkt für viele Deutungen und Erklärungen waren. [2] Bibeldidaktisch ist der Ansatz neu, die Jesus-Erzählung gewissermaßen „vom Ende her“ zu beginnen. Die erste Geschichte ist das Passahmahl, das Jesus mit seinen Jüngern feiert (116 ff). [3]  Die vermeintlichen Anfänge, also die bekannten Geburtsgeschichten von Lukas und Matthäus, folgen später. Theologisch ist damit u.a. der Tatsache Rechnung getragen, dass das strahlende Licht der Weihnachtserzählungen mit Engelscharen, Stern und Geschenkeglanz seine Kraft ja überhaupt erst von Jesu Auferstehung her gewinnt. Man darf gespannt sein, welche neuen Ideen und Fragen Kinder angesichts dieser besonderen Schwerpunktsetzung entwickeln.

Die kurze Erzählung (Markus-Version) „Jesus räumt im Tempel auf“ (142) dürfte auch auf Kinderinteresse stoßen; vielleicht mit dem Hintergedanken: ‚Das könnte er auch mal in meinem Zimmer machen…‘.

Aus der Apostelgeschichte kommen vor: die Himmelfahrt-Erzählung und die Pfingstgeschichte. Ein kurzer Blick auf Paulus, den Briefeschreiber, und die prophetische Schlussszene der Offenbarung „Vom neuen Himmel und von der neuen Erde beschließen das Geschichtenangebot aus dem NT.

Die vielen Bilder und farbigen Gestaltungen machen das Buch sehr lebendig und anschaulich. Sie geben viel Anlass, die Erzählungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.

Mein Fazit

Mit dieser Grundschulbibel erhält der Religionsunterricht eine sehr gute Unterstützung. Kinder können den Grundbestand elementarer Bibelexte erlesen oder sich vorlesen lassen, und sie lernen die Vielfalt biblischer Überlieferungen in einfacher Sprache kennen. So erfahren sie, dass die Bibel kein vom Himmel gefallenes Buch ist, sondern von vielen Menschen aufgeschrieben wurde, um die gute Nachricht zu verbreiten. Die einfache, jedoch prägnante Sprache sowie das äußere Erscheinungsbild in Texten und Bildern machen das Buch zu einem besonderen Leseerlebnis, das auch weit über den Schulunterricht hinaus verwendet werden kann, z.B. als Kinderbibel.


[1] Die Figuren „Theophilus“ und „Silas“ helfen auch, das Verständnis der Bibel als Sammlung von vielen Einzelschriften („Bibliothek“) deutlich zu machen. Die Namen sind jedoch nicht gut gewählt. Denn diese beiden Personen kommen ja bereits im NT vor; siehe Lk 1,1, und Apg. 1,1  sowie Apg. 15,22 u.ö. Daher ist der Satz S. 113 falsch: „Sie kommen nicht in der Bibel vor“.

[2] Hier kann man auf die in der Bibelwissenschaft oft zitierte Aussage von Martin Kähler (1892) zurückgreifen, nach der die Evangelien „Passionsgeschichten mit ausführlicher Einleitung“ seien.

[3] An dieser Stelle muss ich deutlich Kritik anbringen. Die Autorinnen und Autoren der Grundschulbibel haben die problematische Luther-Übersetzung „Einer von euch wird mich verraten“ (Mk 14,18; so leider auch noch die Luther- Übers. 2016) übernommen. Dies ist der erste Satz, den die Grundschulbibel von Jesus wörtlich bietet, vgl. 116! Inzwischen sollte sich herumgesprochen haben, dass die Übersetzung des griech. Begriffs paradídōmi korrekt lautet: „ausgeliefert“ oder „dahingegeben“. Mit dem Beharren auf „verraten“ wird unterschwellig ein antijudaistisches Idiom weitergegeben, wie es seit Jahrhunderten schlechte christliche Tradition ist. Die Mehrzahl anerkannter Bibelausgaben übersetzt korrekt mit „ausgeliefert“.

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Mehr als 100 gute Gründe

Eine Buchempfehlung von Manfred Spieß

Frag uns doch!

Eine Jüdin und ein Jude erzählen aus ihrem Leben

Marina Weisband
Eliyah Havemann

Mit einem Vorwort von Michael Blume
S. Fischer, Frankfurt 2021
192 Seiten
ISBN: 978-3-10-397491-1
Euro 18.-

Vor etlichen Jahren, als ich noch in der Schule tätig war, sprach mich eine Kollegin an: „Kannst du mal in meine Klasse kommen und dort etwas über Juden erzählen? Sie haben mich danach gefragt, aber ich habe ja keine Ahnung. Du als Reli-Lehrer kannst das bestimmt beantworten!“. Daraus entstand eine interessante Doppelstunde in einer 8. Hauptschulklasse mit interessierten Schüler:innen[1]. In jener Zeit stand noch längst nicht so viel an Informationsmaterial zur Verfügung wie heute. Ein Buch, wie das vorliegende, wäre damals eine sehr große Hilfe gewesen!

Es gibt mehr als 100 gute Gründe, sich mit dem Buch „Frag uns doch!“ zu beschäftigen! Nein, die zähle ich jetzt nicht alle auf, denn sie sind ja bereits als gute Fragen (ca. 120) im Buch niedergelegt und mit fundierten Antworten versehen.

Es fing an damit, dass Marina Weisband über Twitter[2] eine Sammlung von Fragen zum Judentum erstellen wollte, die anschließend über Youtube öffentlich bentwortet werden sollten. Marina Weisband ist von Beruf Psychologin und ist gesellschaftlich/politisch in vielfältigen Bereichen aktiv. Die Resonanz war unerwartet groß; in kurzer Zeit stellten Interessierte ihr etwa 450 Fragen! „Es waren naive Fragen. Es waren fortgeschrittene Fragen. Es waren persönliche Fragen. Fragen zur Religion, zum Alltag, zu mir zur Geschichte“ (14).

Das Video-Projekt wurde in Angriff genommen; kompetente Unterstützung leistete Eliyah Havemann von Tel Aviv aus. Eliyah Havemann lebte bis vor etwa 10 Jahren in Deutschland, ist zum Judentum konvertiert und arbeitet beruflich im High-Tech-Bereich.
Marina bezeichnet sich als „gläubige, nicht religiöse Jüdin“. Eliyah sagt: „Ich bin ein so genannter modern orthodoxer Jude“. So stellen sie sich auch in den 5 Youtube-Videos vor, welche die Grundlage für die Buchveröffentlichung sind.

Daraus ergab sich auch die Kapiteleinteilung des Buches: Die Fragen wurden sortiert und so lauten die Kapitel:

  • Wer sind Juden?

Einige Fragen dazu: „Was ist das Judentum eigentlich?“ „Was ist für dich persönlich das Beste/Schönste am Judentum?“ „Habt ihr euch schon mal gewünscht, nicht jüdisch zu sein, fällt es euch manchmal schwer?“

  • Religion

Einige Fragen dazu:“ Wie ähnlich oder wie unterschiedlich sind die Tora und das, was im Christentum als Altes Testament bezeichnet wird?“ „Was tun die Juden während des Gottesdienstes? Singen, musizieren, tanzen sie?“ „Glauben Juden an ein Leben nach dem Tod?“ „Wie unterscheiden sich ultraorthodoxe, orthodoxe, Gläubige, praktizierende und kulturelle Juden?

  • Feiertage

Einige Fragen dazu: „Was sind die höchsten Feiertage, und was wird gefeiert?“ „Wenn man im Schabbat nicht arbeiten darf, gibt es da religiöse Sonderregelungen für Ärzt:innen, Pflegekräfte und alle anderen systemrelevanten Berufe?“ Erläuterungen zu den bekannteren Feiertagen: Rosch ha-Schana, Jom Kippur, Simchat Torah, Sukkot, Pessach, Schavuot, Schabbat, Chanukka, Purim. Und zu weiteren Feiertagen, die eher in Israel gefeiert werden.

  • Jüdische Kultur

Einige Fragen dazu: „Die jüdische Küche. Was sollte man unbedingt mal ausprobieren?“ „Wo findet man jüdisches Leben in Deutschland, und warum hört und liest man so wenig davon?“ „Darf man als Nichtjüdin auch mal einen Gottesdienst in der Synagoge besuchen?“ „Gibt es so etwas wie jüdischen Humor? Was zeichnet ihn aus?“

  • Antisemitismus

Einige Fragen dazu: „Kriegt ihr viel Antisemitismus ab?“ „Wieso hasst man Juden?“ „Wie äußert sich Antisemitismus (subtil/unbemerkt) im deutschen Sprachgebrauch?“ „Denkt ihr, dass sich Antisemitismus in Deutschland noch weiter verbreiten wird?“

Marina Weisband und Eliyah Havemann beantworten viele Fragen gemeinsam, dabei durchaus auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Eingangs stellen sie sich mit Berichten aus dem bisherigen Leben vor. Sie sprechen sehr viel aus eigener Erfahrung, gehen in großer Offenheit auf die Themen ein. Man erfährt einerseits, wie schwer es ist, zur jüdischen Religion überzutreten. Und Eliyah lässt die Leser:innen teilhaben an der neu gefundenen religiösen Orientierung: „Ich fühle mich jetzt zu Hause, angekommen.“ (51) Man spürt auf ganz vielen Seiten, dass die Erfahrung von Antisemitismus und Rassismus in Deutschland ein Problem ist, das beiden in sehr großem Maße zu schaffen macht. Nicht zuletzt hat die Auswanderung von Eliyah und seiner Familie nach Israel hier ihren Grund. Marina Weisband analysiert mit hoher Sensibilität und großer Weitsicht die gesellschaftliche Situation in Deutschland und stellt in ‚klarer Kante‘ Forderungen und Veränderungsvorschläge auf.

Man spürt bei diesem Buch, dass es aus dem Dialog heraus entstanden ist. Die Antworten sind tiefgründig und lebendig zugleich, sie schließen die Inhalte auf und laden zu selbstständigen Urteilen ein. Die Sprache ist auch auf junge Menschen ausgerichtet. 

Um auf das eingangs von mir geschilderte Erlebnis zurückzukommen: Ich halte es für unerlässlich, dass alle in der Schule Tätigen inzwischen einige Grundkenntnisse auch über das Judentum haben. Dem seit Jahren vorhandenen Schulhofantisemitismus kann man nicht wirksam nur mit einigen Religionsfachstunden begegnen. Die Situation erfordert in weit größerem Maße Aufmerksamkeit und kluge schulpädagogische Aktivitäten. Und die kann man auf jeden Fall nach der Lektüre dieses Buches – motiviert und kompetent geworden – beginnen!


[1] Bei der Gender-Ausdrucksform schließe ich mich hier der Form an, wie sie von den Autor:innen dieses Buches gewählt wurde.

[2] Marina Weisband bei Twitter: @Afelia ;  Eliyah Havemann bei Twitter: @EliyahHavemann ; Manfred Spieß bei Twitter: @matjes49 ; Dr. Michael Blume bei Twitter: @BlumeEvolution


  • Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, weist in seinem Vorwort mit zahlreichen Belegen und starken Argumenten auf die aktuelle Gefahr des Rassismus und Antisemitismus in Deutschland hin.

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Hans Bernhard Kaufmann und der Religionsunterricht in Bremen

Als ich die Nachricht vom Tode von Hans Bernhard Kaufmann (geb. 12.6.1926 gest. 8.1.2022) las, war ich sehr berührt. Schon in der Studienzeit Anfang der 70er Jahre las ich viele seiner Artikel und konnte ihm auch gelegentlich persönlich zuhören. Einzelne weitere Begegnungen etwa in Loccum bei Klaus Petzold oder um das Comenius-Institut in Münster kamen hinzu. Als der Fachverband der Religionslehrkräfte in Bremen im Jahr 2003 sein 30jähriges Bestehen beging, war der Pensionär aus Münster sofort bereit, uns einen Festvortrag zu halten. Und das wurde von seiner Seite aus eine richtig gründliche Aktion. So ist schließlich der Artikel mit vielen Seiten entstanden: Der Religionsunterricht in Bremen – ein zukunftsfähiges Modell?

Der Religionsunterricht im kleinsten Bundesland hat eine ganz besondere Geschichte und Prägung. Doch ist er natürlich auch eingebunden in das pädagogische Geschehen und in die Entwicklungen der Bildungslandschaft. Seine Besonderheit – ein staatlich organisierter Unterricht in Kooperation mit den Religionsgemeinschaften – kann in den gegenwärtigen und zukünftigen Diskussionen durchaus Gehör bekommen. Und genau dafür plädiert schon 2003 auch der Referent. So könnte der alte Weg von „gestern“ vielleicht ein Zeichen für ein anderes „morgen“ setzen! In diesem Sinne ist der Artikel auch im Jahre 2022 von zu beachtender Aktualität.

Ich stelle diesen Artikel hier als pdf-Datei zur Verfügung.

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Die Mädchenbibel

Martina Steinkühler:
Die Mädchenbibel

Mit Illustrationen von Angela Gstalter

Hardcover, Pappband,
320 Seiten, 15,0 x 22,7 cm
mit Lesebändchen
durchgehend 4-farbig gestaltet
Gütersloher Verlagshaus 2021

ISBN: 978-3-579-06215-0

24 Euro

Eine Buchempfehlung
von Manfred Spieß

„Es wird Zeit, die Bibel aus ihrer Sicht zu erzählen“ – Dieses Leitmotiv prägt die „Mädchenbibel“ von Martina Steinkühler.[1] Von Frauen und Mädchen berichten die Geschichten der Bibel zwar gelegentlich, jedoch kommen sie nicht so oft als Handelnde oder Betroffene zu Gehör, wie es bei Männern der Fall ist. Es gibt in den biblischen Büchern immer wieder Lücken und Leerstellen, die zum Rück- und Hinterfragen und Weiterdenken anregen. Um diese kümmert sich die Autorin auf ganz besondere Weise. Nicht nur bekannte Frauengestalten wie Sara, Mirjam, Ruth und Maria kommen zu Wort, sondern auch nur knapp erwähnte und namenlose Frauen und Mädchen. Weitere werden hinzugedacht. So entsteht eine Erzählbibel ganz besonderer Art.

Die Magd als Erzählerin

Ganz bewusst verwendet Martina Steinkühler die Perspektive der so genannten „Magd“, nicht „Sklavin“ oder „Dienerin“. Zwar waren die Mägde zu biblischen Zeiten Eigentum von Herren oder Herrinnen, jedoch waren sie auch zum Hausstand gehörig und fungierten als wichtige Helferinnen bei unzähligen Gelegenheiten (vgl. die Sacherläuterung S. 8). Der erste große Erzählkreis ist Saras Mägden gewidmet. Sie erleben die Höhen und Tiefen der Ereignisse um Sara und Abraham mit, schalten sich auch mit gutem Rat und guten Taten ein. Manchmal sind sie auch wie „Schwestern“ angesehen, das kann sich aber auch brutal rasch ändern!

Dramatik pur

„Alle guten Geschichten beginnen am Brunnen“ –  dies trifft für viele Begebenheiten zu. Mit großer Dramatik hören wir von Hagar und Ismael, von Isaak und Rebekka, Jakob, Esau, Rahel und Lea – immer aus der Perspektive der Mägde. Ein besonders beeindruckendes Beispiel dafür ist die Geschichte von der drohenden Opferung Isaaks, Genesis 22. Eine Magd schildert ihre Beobachtungen, sie ist „dicht dabei“ und nimmt die Lesenden in das Geschehen mit hinein (23-25). Der Schrecken wird mitgefühlt, so auch in den weiteren Geschichten, etwa wie Mirjam, Moses Schwester, den Tanz um das Goldene Kalb erlebt (132-134) und die schlimmen Folgen wahrnehmen muss! Die Bibel erzählt auch schreckliche Geschichten, und Mädchen und Frauen sind besonders grausam davon betroffen. Martina Steinkühler führt uns zu biblischen Erlebnissen, die man sonst fast nie liest oder in Kirche bzw. Religionsunterricht erzählt bekommt, wie etwa die Vergewaltigung von Dina, der Tochter von Jakob, und die  mörderische Racheaktion der Brüder.

Neue Schwerpunkte

Das ungewohnt Andere dieses Buches zeigt sich auch in der Erzählung von Ruth. Vermutete Hintergründe aus dem Leben der wandernden Frauen Ruth und Noomi werden breit entfaltet, der spätere Ehemann Boas wird am Rande auch erwähnt (222). Die Rangfolgen sind anders gewichtet!

Bei David und Michal wird es – neben den kriegerischen Ereignissen – auch romantisch. Der Musiker David berührt mit Harfenklängen die Seele der (erzählenden) Michal und erquickt sie u.a. mit Psalmgesängen.

Perspektivenwechsel als Prinzip

Nach den Geschichten von Michal springt der Erzählstrang direkt ins Neue Testament. Mit der großen und der kleinen María – einer Schwester von Jesus – stehen Frauen aus den Familien von Jesus sowie Elisabeth, Zacharias und Johannes im Mittelpunkt. Um sie herum gruppieren sich die Geschichten von Johannes und Jesus, jedoch so, dass die Sichtweise der berichtenden Frauen die vorherrschende Perspektive ist.

Ein interessanter Anschluss an die hebräische Bibel, christlich auch das Alte Testament genannt, findet sich bei den Erzählungen von Elisabeth. Hier erfahren die Leserinnen und Leser, in welcher Annäherung – aber auch kritischen Abgrenzung – zu den bekannten Geschichten von Sarah, Simsons Mutter und Hanna die NT-Überlieferung gestaltet ist. Diese Elisabeth strahlt eine große Souveränität aus!

Jesus im Zeitraffer

Die Jesusgeschichten werden wie im Zeitraffer komprimiert dargeboten. Wieder aus dem Blick der Frauen. Was die biblischen Evangelienschreiber so ausführlich bieten, wird in einer ganz anderen Sichtweise dargeboten. Dadurch ist es nicht weniger gehaltvoll, jedoch erfrischend neu, eben in einer Sprache besonderer Betroffenheit.

Denn, so sagen es „Magda und Maria, Susanna, Helena. Maria, unsere Mutter, und meine Schwester Salome … Wir waren da.“ (311)

Perspektivenwechsel als bibel-didaktisches Prinzip

Eine große gestalterische Freiheit kennzeichnet die Erzählungen der „Mädchenbibel“. Jedoch wird diese so konstruktiv genutzt, dass man dies als passende, oft sogar notwendige Ergänzung zum tradierten Bibeltext empfindet. Das Bemühen um sachgemäße Information wird durch ensprechende Sacherklärungen in jugendgemäßer Sprache unterstützt. Und die theologische Seite kommt auch nicht zu kurz. Die Mägde verstehen es, ihre Gedanken über Gott, die Menschen und die Welt in klaren und tiefen Gedanken wiederzugeben; dabei sparen sie aber auch nicht mit Kritik und Widerspruch!

Martina Steinkühler versteht es, durch geschicktes Arrangement die alten Geschichten nah heranzuholen. Dabei schmückt sie auch kräftig aus.[2] So entsteht eine Erzählperspektive, die sowohl ‚dicht dabei‘ ist, aber auch die historische und weltanschauliche Distanz nicht einfach überspielt. Der Perspektivenwechsel der Erzählungen verschiebt traditionelle Schwerpunkte, lässt anderes zum Vorschein kommen.

Pfiffige Überschriften auf den Seiten

Die einzelnen Großkapitel sind auf eine pfiffige Art und Weise anschaulich untergliedert. Und zwar durch Überschriften, die direkt in den Text führen. Das ist ungewöhnlich, doch methodisch attraktiv, denn es schafft und erhält Aufmerksamkeit.

Martina Steinkühler hat mit viel Mut, Phantasie und Fachverstand eine Erzählbibel besonderer Qualität geschaffen. Diese lässt sich nicht einfach in eine didaktische Kategorie einordnen, sondern verschafft der Bibeldidaktik einen neuen Ansatz. Für die Verwendung in schulischen und kirchlichen Zusammenhängen tun sich hier viele Möglichkeiten auf. Jüngere und ältere Leserinnen und Leser benötigen keine Vorkenntnisse.[3] Dieses Buch ist einfach auch ein interessantes Geschenk für schmökernde Jugendliche – natürlich auch für Jungen! –  zum Eintauchen in die weitgehend unbekannte Welt der Mädchen und Frauen der Bibel.

…………………………………………………

Dr. Manfred Spieß, Oldenburg

14.12.2021

[1] Dr. Martina Steinkühler ist Theologin und Religionspädagogin mit dem Schwerpunkt Bibel und Bibeldidaktik. Autorin und Fortbildnerin. Sie arbeitete als Lehrerin, Dozentin, Vertragslektorin und in der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit an verschiedenen Orten in ganz Deutschland. Mehr: https://www.martina-steinkuehler.de/aktuelles

[2] Die Geschichten der Mädchen und Frauen kommen so ans Licht; das verändert zwar die Erzählung, aber durchaus in bereicherndem Sinn. Und manchmal wird auch etwas hinzugedichtet, z.B. der Brief Davids an Michal, versehen mit dem Hinweis: „Steht nicht in der Bibel“ (252).

[3] Angegeben ist ein Lesealter ab 12 Jahren

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Reli-Materialien

„Voll ist die Erde …“

Gunther vom Stein / Franziska Rautenberg

„Voll ist die Erde von deinen Geschöpfen“.

Neue Schöpfungsfragen für Klasse 1-6
Illustrationen von Elisabeth Lottermoser
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2021
64 Seiten
ISBN 978-3-525-70310-6

„Schöpfung“ ist nach wie vor d a s  Thema im Religionsunterricht.[1] In den unterschiedlichen Schulstufen auf verschiedene Weise. Das zeigt seit Jahrzehnten ein Blick in die gängigen Schulbücher, auch die Bildungspläne des Faches orientieren sich entsprechend.

Die vorliegende Arbeitshilfe von Gunther vom Stein und Franziska Rautenberg widmet sich dem Thema auf 64 Seiten und bietet dabei Arbeitsanregungen, Kopiervorlagen und Methodenmaterial in großer Fülle.

Eine wesentliche Grundlage sind die biblischen Schöpfungserzählungen und die Schöpfungslieder der Psalmen. Hier geht es nicht um einfaches „Dran-Glauben“. Das Ziel ist vielmehr: zum Staunen bringen, Rückfragen anregen, eigene Vorstellungen entwickeln. Die Autorin und der Autor trauen auch den alten Quellen offenkundig zu, daran didaktisch mitzuwirken.

Methoden

Auf zwei Doppelseiten werden viele Methoden vorgestellt, die generell eingesetzt werden können. Einige sind schon geläufig, andere neu. Dazu gehören auch Anregungen zum digitalen Arbeiten mit Apps wie „Book-Creator“ oder „Padlet“. Das Spektrum wird noch durch etliche Youtube-Links zum Thema „Schöpfung“ erweitert.  

„Wo komme ich her?“

Kapitel A bietet inhaltliche Einstiege mit der offenen Frage: „Wo komme ich her?“ Die Schülerinnen und Schüler (SuS) können philosophisch und kosmologisch auf die Reise nach den Ursprüngen gehen. Dabei steht die eigene Person zentral im Mittelpunkt.

Die Assoziationsfelder reichen von der ‚Familie‘ bis ins ‚Universum‘. Die Aufgaben sind nach Anforderungsbereichen differenziert. Es gibt keine Einteilungen nach Schuljahren.[2] Die Lehrerinnen und Lehrer (LuL) können die Aufgaben individuell und gruppenbezogen stellen bzw. von den SuS aussuchen lassen. Zwei Kinder namens „Vicky“ und „Flo“ sind auf vielen Seiten als Identifikationsfiguren anzutreffen. Sie stellen Fragen, erzählen aus den Familien und forschen interessiert nach Neuigkeiten.

„Wie ist alles entstanden?“

Im Kapitel B mit der Frage „Wie ist alles entstanden?“ stehen prominent der Urknall und der Naturforscher Charles Darwin im Mittelpunkt. Die Kinder erfahren, was die Wissenschaft bisher über den Kosmos und die Lebewesen herausgefunden hat. In einfacher Form wird der Prozess der Evolution am fiktiven Beispiel von Tieren, die hier „Insulaner“[3] genannt werden (23) erläutert. Mit diesem Fokus wird ein klarer Weg beschritten: schulischer Unterricht in Religion findet auf wissenschaftlicher Basis statt!

Evolution wird nicht grundlegend strittig diskutiert, sondern gehört zum Wissenskanon in der modernen Schule. Es hat immer noch Seltenheitswert, dass Arbeitsmaterialien für Religion dies in aller Deutlichkeit anerkennen. Allzu lange hat der fruchtlose Streit zwischen Naturwissenschaft und Theologie den Unterricht beeinträchtigt.

„Was erzählt die Bibel über die Schöpfung?“

Kapitel C stellt einige religionsgeschichtliche Hintergründe der Schöpfungserzählungen[4] vor; deutlich werden für die Lehrkräfte im vorangestellten didaktischen Kommentar die jüdischen Wurzeln benannt, sowohl für Gen 1 und für Gen 2: Jahwe als Schöpfer, Babylonisches Exil, Hymnus, Sabbat, Adam und Chawa (Eva). Hinzu kommen die einschlägigen Psalmen 104 sowie Ps 8, Ps 19, Ps 23.

Anregende Arbeitsblätter als Kopiervorlagen helfen bei der unterrichtlichen Erarbeitung auch dieser Erzählungen. Neben Bildmaterialien bietet die Arbeitshilfe auch Lieder und attraktive Anregungen zur Gestaltung eigener Schöpfungserzählungen. Wie bei jedem Kapitel, so findet man auch hier viele differenzierte Aufgaben, die für eine heterogene Schülerschaft ausgesucht sind.

Dass es Fragen sowohl an die biblischen Erzählungen als auch an die Evolutionslehre gibt, wird nicht verschwiegen.

„Offene Fragen“

Deshalb widmet sich das Schlusskapitel ausdrücklich den Offenen Fragen. Die Devise „Es gibt kein Richtig oder Falsch“ bei unserem Thema soll Hemmschwellen beseitigen, eigene Antworten zu suchen. Hier kommen die „ungelösten Probleme“ (46) zur Sprache. Diese betreffen beispielsweise „Tierrechte“, „Vegetarisch essen“ oder „Klimakatastrophe“. Der abschließende Impuls „Was ist mit dem Sonntag?“ knüpft an das Thema „Sabbat“ an, das schon in der Schöpfungserzählung als 7. Tag vorkommt. So endet das Unterrichtsthema nicht im Katastrophenszenario, sondern ermutigt die Kinder, mit Hoffnung nach vorne zu schauen. Damit für  a l l e  in der Welt künftig ein Stück weit „Sonntag“ wirklich werden kann.

Denn ‚Schöpfung‘ ist keineswegs nur der Blick zurück zum Anfang von allem, sondern hat auch den Blick zur Gegenwart und zur Zukunft. Darum ist es gut, dass das Thema immer noch ein „Dauerbrenner“ im Religionsunterricht ist!

Dr. Manfred Spieß
Oldenburg

15.11.2021

………………………..

Vom Autor Gunther vom Stein ist von mir schon rezensiert worden:

 Link: Gunther vom Stein (Hg.):  RU für morgen 1
Differenziertes Material für Klasse 1–4

[1] Die Material-Datenbank von RPI-Virtuell verzeichnet eine kontinuierliche starke Nachfrage zu diesen Stichwort.

[2] Die Praxis wird zeigen, ob die Auswahl der Inhalte und der Arbeitswege der Bandbreite gerecht werden kann. Angesichts der Zunahme jahrgangs-übergreifender Klassen in Grundschulen ist der Versuch gerechtfertigt. Außerden kann damit der Heterogenität in der Schülerschaft besser entsprochen werden. Den Lehrkräften bietet dieses Angebot Auswahlprobleme und –chancen zugleich.

[3] Ob dieser Ausdruck glücklich gewählt ist, kann bezweifelt werden. Er ist doch stark menschlich konnotiert. Hier geht um Tiere.

[4] Das ist wichtig zu betonen: Schöpfungs-e r z ä h l u n g e n  ! Auch im Jahre 2021 ist die fehlerhafte Ausdrucksweise noch nicht ausgeräumt, in welcher von Schöpfungs-b e r i c h t e n gesprochen wird. Berichte werden ja in der Regel von Menschen geschrieben, die dabei waren …


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Religionsunterricht morgen – aber wie?

RundfunkhörerInnen sagen ihre Meinung

Am 8.7.21 stellte der Bayerische Rundfunk BR2 dieses Thema als TAGESGESPRÄCH unter der Moderation von Birgit Kappel vor:

„Es geht um nichts Geringeres als um die großen Fragen des Lebens. Aber gehört Religionsunterricht deshalb zwangsläufig zum Bildungsauftrag der Schulen? Und wenn ja, in welcher Form? Anlässlich der Einführung eines islamkundlichen Unterrichts in Bayern im Jahr 2021 stellt BR 2 den konfessionell getrennten Religionsunterricht in Deutschland überhaupt in die Diskussion. Interessante Beiträge von ZuhörerInnen und Fachkräften werden geboten!“

Die Ankündigung wurde gut umgesetzt. Es hat nach meiner Erfahrung schon Seltenheitswert, dass eine Rundfunksendung so gründlich in diese Thematik einsteigt!

Neben der engagiert fragenden Moderatorin war der katholische Religionspädagoge Prof. Matthias Gronover von der Universität Tübingen als kontinuierlicher Gesprächspartner zu Gast. Ebenfalls als Gast: Prof. Tarek Badawia vom Lehrstuhl für islamische Religionslehre an der Universität Erlangen/Nürnberg. Mit der Zuschaltung der Lehrerin Velida Hafizovic aus Hamburg wurde dann der Blick über den bayerischen Tellerrand geweitet und der „Religionsunterricht für Alle“ ins Blickfeld gerückt.
Fast eine ganze Stunde lang erreichte die Sendung viele Menschen auch über Bayern hinaus, die sich über Telefonanrufe am der Diskussion beteiligten.

Dieser Rundfunkbeitrag ist beim BR als Podcast ( mp3, ca. 54 Min.)
abrufbar unter diesem Link .

Auf einige der Beiträge von Hörerinnen und Hörern möchte ich im Folgenden etwas eingehen und Sie mit den Minutenangaben ermuntern, sich diese auch selbst gründlich anzuhören.


Ab 04:31 min
Hörerin Frau F. nimmt gleich zu Beginn kritisch Stellung: Religionsunterricht in der hergebrachten Form des getrennten Unterrichts sei überhaupt nicht mehr zeitgemäß; ihre Meinung ist stark geprägt von früheren Erfahrungen in katholischer Klosterschule. Sie plädiert klar für einen Ethikunterricht für Alle.

Ab 12:11 min
Frau H. ist selbst Lehrerin an einer Grundschule. Sie beschreibt die großen Schwierigkeiten, welche die Schulen mit der Organisation von 3 oder 4 Religionsunterrichten/Ethik für die Klassen mit sich bringen. Sie erlebt in der Praxis, dass Grundschulkinder der Trennung innerhalb der Klassen oft befremdlich gegenüberstehen und dafür auch von zuhause kein Verständnis mitbringen.

Ab 15:50 min
Hörer Herr K. nimmt engagiert Stellung zum Thema. In waschechtem Schwäbisch (?) berichtet er von seinen guten Erfahrungen, wie er als Kind muslimischer Eltern früher auch katholische und evangelische Gottesdienste besucht hatte. Da hat er gemerkt: “Wir sind alle nur Menschen und stammen alle von einem Gott ab“! Herr K. schätzt die Chancen und das wachsende wechselseitige Verständnis dabei als sehr hoch ein! Ein deutliches Plädoyer für gemeinsames Lernen von Religion in der Schule. Den Lehrkräften traut er diese Aufgabe zu: „Das kann ein Lehrer sehr gut vermitteln, dafür ist er da, das hat er gelernt!“

Ab 25:00 min
Auch die Hörerin Frau G. wünscht sich für die Zukunft gemeinsames Lernen; ihr ist vor allem der Aspekt der Friedenserziehung und der Fähigkeit zu Toleranz ein wichtiges Anliegen.

Prof. Gronover wurde von der Moderatorin nach seiner Meinung zu den Hörerbeiträgen gefragt. Seine Antworten bezogen sich auf den Auftrag des konfessionellen Religionsunterrichts, an dem er grundsätzlich festhalten möchte („Heimat bieten“). Dies leitet er auch aus dem grundgesetzlichen Recht auf Religionsunterricht ab (Art. 7 Abs. 3 GG). Heutiger RU habe sich den Anforderungen der Zeit zu stellen, vor allem mit der kulturellen und religiösen Vielfalt umzugehen. Schülerinnen und Schüler sollen Kompetenzen erwerben, Religion einzuschätzen und auch kritisch zu befragen. Vor allem der Berufsschulunterricht Religion werde fast überall in Deutschland schon gemeinsam für die Klasse erteilt.

Im Hinblick auf den islamkundlichen Unterricht, der nun in Bayern eingeführt wurde, sprach sich Prof. Badawia grundsätzlich für eine konfessionelle Bindung aus. (Die ungeklärten Fragen der Anbindung an muslimische Gemeinschaften wurden nicht thematisiert). Er verwies auf den starken interreligiösen Anteil, den der islamische Lehrplan aufweise. Der Blick auf die anderen Religionen und das gemeinsame Gespräch haben in diesem einen hohen Rang! Die Rahmenbedingungen des neuen Unterrichts seien in Bayern zwar nicht optimal. Vor allem fehle es an ausgebildeten Lehrkräften für Islamkunde. Dennoch hofft er auf konstruktive Weiterentwicklungen.

Ab 17:55 min
Lehrerin Velida Hafizovic aus Hamburg berichtete, wie sich ihre Arbeit beim Religionsunterricht im Klassenverband gestaltet.

( In Hamburg gibt es seit langem Religionsunterricht für Alle. Dieser war früher allein in der Trägerschaft der Evangelischen Kirche. Inzwischen sind durch Staatsvertrag auch andere Religionsgemeinschaften gleichwertig hinzugekommen. Auch die Lehrkräfte gehören unterschiedlichen Religionen an, arbeiten aber alle nach dem Konzept des Lehrplans und gemeinsamer schulischer Pläne.)

Frau Hafizovic ist ausgebildete Lehrerin für Islamunterricht. Die Aufgabe, Kinder aller Religionen zu unterrichten, war für sie eine große neue Herausforderung. Die Erfahrungen in den Klassen sind für sie durchweg positiv. Die Schülerinnen und Schüler schätzen es, miteinander die religiöse Vielfalt kennenzulernen. Das Konzept bringt eine intensive Zusammenarbeit der Lehrkräfte verschiedener Religionen an der Schule mit sich. Dies wird von Frau Hafizovic als sehr fruchtbringend eingeschätzt. Von der Moderatorin gefragt, ob sie denn diese Form des Religionsunterrichts für Alle auch für andere Bundesländer empfehlen würde, antwortete sie klar mit „Ja“.

Noch einige weitere unterschiedliche Beiträge sind in dieser Sendung zu hören. Die meisten sprechen sich für deutliche Änderungen beim Religionsunterricht aus, bis hin zur Forderung nach Abschaffung.

Gerne können Sie nach dem Anhören des Podcasts Ihre Meinung zum Thema im Kommentar unten aufschreiben.

Weitere Hinweise

Informationen zum Religionsunterricht in Hamburg:
Website der Hamburger Religionslehrerinnen und -lehrer


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Sykimosch

Eine religionspädagogische Szene aus der Praxis: die Lehrerin spricht mit den 10-jährigen Kindern über verschiedene Gotteshäuser. Die christlich sozialisierten Kinder bringen auch nichtchristliche Symbole und Gebäude ins Gespräch: eine Menora, die Synagoge, die Kirche und die Moschee.

In der nächsten Relistunde zeigt sich, dass und wie das Thema bei einem Schüler ‚Feuer gefangen‘ hat. Felix hat in der Zwischenzeit gedanklich weitergearbeitet. Er bringt eine Vision von künftiger Gemeinsamkeit der Religionen mit in den Unterricht. Und, damit es anschaulicher wird, auch noch als Zeichnung (a.a.O. S. 51)!

Felix zeichnet die Sykimosch

In der Stunde erläutert Felix seine Ideen:
Da ist ein großer, runder Bau, ähnlich „wie der Pantheon in Rom“, da sind gemeinschaftlich Plätze für Juden, Christen und Muslime. An den Wänden hängen Bilder von Bibel, Tora und Koran. Und die kann man auch real dort lesen und dabei beten. Vom zentralen Ort aus gehen ‚in alle Himmelsrichtungen‘  Gänge zu besonderen kleineren Orten der Religionen, eben Synagogen, Kirchen und Moscheen.
Diese besonderen Orte seinen deshalb wichtig, damit die verschiedenen Prediger die anderen nicht stören!

„Was ich damit will, ist eigentlich, dass man, dass sich die Religionen so ein bisschen vereinen …“. Aber man sollte auch zeitweise ‚für sich‘ sein, denn mit den anderen Religionen ist man doch nicht hundertprozentig vertraut.

Felix geht es erkennbar darum, dass Religionen den Abstand zueinander verringern. Gegen mögliche Missverständnisse – etwa: feindliche Übernahme durch Mission – hat Felix sich auch gewappnet: er möchte keinesfalls, dass Christen die Muslime zu überwinden trachten, oder dass Kirchen in Moscheen umgewandelt werden müssen. Seine Vision ist von dem Bemühen um Verständigung und Anerkennung geprägt!

Sein Plädoyer: „Ich mein‘ jetzt auch nicht, dass alle Kirchen jetzt und alle Synagogen und alle Moscheen so in ein Gemeinkunstwerk verwandelt werden, sondern dass es vielleicht in so größeren Städten so eine »Sykimosch« gibt“.

Lieber Felix,

20 Jahre nach deiner großartigen Vision von einer „Sykimosch“ steht eine Verwirklichung an. In Berlin findet am 27. Mai 2021 die Grundsteinlegung beim „House of One“ an. Eigentlich müsstest Du dabei sein! Danke für Deinen Anstoß!

Literaturangabe:

Christina Hoegen-Rohls. „Sykimosch“. Fünftklässler diskutieren über einen Frömmigkeitsraum aus Synagoge, Kirche und Moschee. Aus: „Kirchen sind ziemlich christlich. Erlebnisse und Deutungen von Kindern. Hrsg. V. Anton A. Bucher u.a. ( Jahrbuch für Kindertheologie 4), Stuttgart 2005, S. 39-52.
Abdruck der Zeichnung mit frdl. Genehmigung des Calwer Verlags.
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